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Krieg in der Ukraine: Russlands einflussreiches Netz aus Militär und Söldnern

CRIMEA, RUSSIA - FEBRUARY 24, 2022: Tanks move across the town of Armyansk, northern Crimea. Early on February 24, President Putin announced a special military operation to be conducted by the Russian ...
24. Februar 2022: Russische Panzer bewegen sich durch die Stadt Armyansk im Norden der Krim.Bild: TASS / Sergei Malgavko
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Russlands Netz aus Militär und Söldnern

Russland führt Krieg. Einfluss – wenn auch im Untergrund – übt die russische Regierung und üben russische Oligarchen seit Jahren auf der ganzen Welt. Söldner greifen ein, um Demokratien zu zerstören, reiche Russen greifen nach noch mehr Macht. Doch Militär-Experte Niklas Masuhr meint: "Nicht alles ist ein russischer Masterplan."
25.02.2022, 15:0010.06.2022, 11:15
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Es ist der frühe Donnerstagmorgen, der der Welt den Atem nimmt: Russland marschiert in die Ukraine ein – damit sind die schlimmsten Befürchtungen der westlichen Staaten eingetreten: In Europa herrscht Krieg. Russische Truppen dringen aus verschiedenen Himmelsrichtungen in das Nachbarland ein, beschießen den Westen des Landes mit Raketen.

Wladimir Putin, der russische Präsident, hat in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, welche militärischen Mittel er aufbringen kann. Und dabei handelt es sich nicht nur um offizielle Truppen.

Immer wieder war in den vergangenen Jahren zu lesen und zu hören, dass irgendwo russische Söldner aufgetaucht sind. Meistens dann, wenn Regierungen aus dem Amt geputscht wurden, oder es darum ging, Autokraten vor einer Demokratisierung zu schützen. Die "Gruppe Wagner" ist die bekannteste Söldner-Gruppe weltweit. Sie war etwa in Syrien im Einsatz, in der Zentralafrikanischen Republik, in der Ostukraine. Nach dem Putsch im afrikanischen Mali holte sich die Übergangsregierung die "Gruppe Wagner" ins Land.

In mehreren afrikanischen Ländern waren und sind Söldner im Auftrag von russischen Oligarchen im Einsatz, um etwa die Goldvorkommen "zu sichern".

Wie ist dieser Einfluss zu werten? Wer finanziert ihn? Wie groß ist die Gefahr, dass es einen Dritten Weltkrieg gibt?

Niklas Masuhr ist Analyst beim Züricher Zentrum für Sicherheitsstudien. Als Mitglied des Global Security Teams forscht er dort zu zeitgenössischen Konflikten. Er meint gegenüber watson: Um zu verstehen, in welchen Ländern der Welt der russische Präsident Wladimir Putin, der Kreml oder Russland allgemein Einfluss haben und wie dieser einzuordnen ist, müsse der Grad der Militarisierung definiert werden.

Das klingt kompliziert – und ist es auch.

Ein Überblick:

Das Spektrum der Militarisierung

Laut Masuhr gibt es verschiedene Ebenen der Militarisierung. Er unterscheidet, grob gesagt, zwischen aktiven Einsätzen des russischen Militärs, Paramilitärs – also privat-politischen Kräften wie Söldner – und der niedrigsten Stufe: politische Berater.

Russisches Militär im Ausland:

  • Aktive Kampfeinsätze in der Ostukraine 2014/15 und seit Donnerstag im ganzen Land.
  • In Syrien seit dem Bürgerkrieg 2015. Das Land ist ein offizieller Stützpunkt mit Luftabwehrsystemen
  • Im Sudan plant Russland eine Marinebasis am Roten Meer
  • Militärbasen auf dem ehemaligen Gebiet der Sowjetunion, zum Beispiel Gyumri (Armenien), Süd-Ossetien und Abchasien (beide völkerrechtlich Teil Georgiens).

Paramilitärs – Söldner

  • Libyen
  • Syrien
  • Zentralafrikanische Republik
  • Mali
  • Moldau (Transnistrien, das völkerrechtlich zu Moldau gehört)
  • Vermutlich Mosambik (hier ist es schwierig aktuelle Informationen zu bekommen, 2019/2020 gilt als sicher)

Politische Berater

Politische Berater werden laut Masuhr eingesetzt, um etwa autokratische Präsidenten zu stützen. Eine häufig verwendete Umschreibung ist hier "Political Technologist".

Auf der anderen Seite gibt es – vor allem in afrikanischen Ländern – Russen, die in Verhandlungen zwischen der Regierung und gewissen lokalen Milizen vermitteln, wie in der Zentralafrikanischen Republik.

"Sie greifen in Wahlen ein", erklärt Experte Masuhr, das sei zum Beispiel 2019 in Madagaskar passiert. Masuhr erklärt: "Hier geht es nicht unbedingt um russisch staatliche, beziehungsweise strategische Interessen." Es sei davon auszugehen, dass es sich dabei um Oligarchen handele oder um gewisse Netzwerke, meint er. "Es gibt die Idee eines russischen Schattenstaats, der vor allem aus Oligarchen oder Kriminellen besteht, wo aber auch Mitglieder des Sicherheitsapparats drinhängen."

Masuhr meint dazu:

"Dabei geht es etwa darum: Jemand, der beispielsweise in der 'Gruppe Wagner' aktiv ist oder sie finanziert, kann dann dem Kreml melden, dass Russland – wieder – seine Macht geltend gemacht hat. Es geht also darum, zu zeigen: Russland hat Einfluss in der Welt, auch in Afrika – um sich im Kreml beliebt zu machen.“

Russische korrupte Strukturen greifen laut Masuhr also in korrupte Strukturen anderer Länder ein. Reiche Menschen, die von sich aus agierten, also nicht vom Kreml beauftragt seien, aber im Sinne des Kremls handelten. "Sie machen nichts gegen den Willen des Kremls. Das heißt aber nicht, dass alles, was sie tun, vom Kreml autorisiert ist", erklärt Masuhr.

Diese Netzwerke, diese Oligarchen seien dabei natürlich auch finanziell motiviert. "Für die politische Hilfe bei Wahlmanipulationen oder dafür, dass sie Söldner schicken, bekommen sie zum Beispiel im Gegenzug Konzessionen bei Rohstoffen."

Verschmelzungen

In der Zentralafrikanischen Republik sei dies eine groß angelegte russische Kampagne. Eine Kampagne, die vermutlich einen Wandel vollzogen hat. "Die Vermutung bei der Kampagne in der Zentralafrikanischen Republik ist, dass es als oligarchische Operationen angefangen hat", sagt Masuhr. "Und dann ist die mehr und mehr zu einer strategischen – also staatlich gelenkten – geworden, ohne die privaten Elemente vollständig zu verdrängen." In dem Moment, indem der Kreml gemerkt habe, dass man europäische Interessen über die Zentralafrikanische Republik torpedieren könne.

Und Masuhr nennt ein Beispiel: Bei dem Putsch in Mali hätten Putschisten Russland zur Hilfe gerufen – die kam und die französischen Sicherheitskräfte verließen das Land.

Wenig Einsatz für großen Ertrag.

Masuhr sagt: "Unterm Strich ist es durchaus spannend, mit wie wenig Aufwand Russland als Staat Frankreich und damit auch europäischen Interessen geschadet hat. Was man aus französischer und europäischer Perspektive in diese Region gesteckt hat, steht in keinem Verhältnis zu dem, was in Russland gezahlt hat."

Im Fall der Ukraine und Syrien ist laut Masuhr klar, dass Söldnergruppen mit dem russischen Staat und Militär zusammenarbeiten und auch in Libyen könne man zumindest die Unterstützung der Streitkräfte vermuten. Die privaten Militärgruppen finanzierten sich zwar zum Teil selbst – eben durch etwa Rohstoffkonzessionen wie Ölraffinerien in Syrien –, aber zu hohem Grad seien sie eingebettet in russische Militäroperationen.

Handout undated file photo of French and Malian troops operating in Mali. President Macron held a news conference Thursday morning at the Elysee Palace, after African and Western leaders met in Paris  ...
Dieses Foto eines französischen und eines malischen Soldaten ist undatiert. Vermutlich entstand es noch bevor sich Frankreich militärisch aus Mali zurückgezogen hat.Bild: abaca / ABACA

Militärische Allianzen

Russland hat nicht überall auf der Welt militärische Verbündete. Allerdings gibt es die "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit", kurz: OVKS. Sie ist ein von Russland geführtes internationales Militärbündnis – Mitglieder sind Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und natürlich Russland.

Trotzdem: Auch wenn diese Oligarchen-Netzwerke weit verbreitet sind: Sie haben laut Masuhr nicht dafür gesorgt, dass Russland überall auf der Welt Verbindungen oder effektive militärische Verbündete hat. "Es ist durchaus so, dass diese korrupten russischen Strukturen möglicherweise gut darin sind, in korrupte Strukturen anderer Länder einzugreifen und dort russischen Einfluss auszuweiten. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass man diese Länder als russische Verbündete ansehen könnte", erklärt der Sicherheitsexperte.

"Nicht alles ist ein russischer Masterplan", sagt Masuhr. "Russland hat gewisse Verbündete oder Partner wie Venezuela, den Iran oder China." Aber die stünden auf einer anderen Stufe wie die Zentralafrikanische Republik. Auch, weil oligarchische Netzwerke tendenziell eher persönliche Netzwerke sind – sie also nicht vom russischen Außenministerium organisiert sind. Zumeist seien dies gewisse kriminelle Kreise.

Weltkrieg? Unwahrscheinlich!

Nun hat Russland also bereits seit Jahren seine Fühler ausgestreckt. Lange, bevor der Angriff auf die Ukraine überhaupt im Raum stand. Viele Menschen haben nun Angst vor einem Weltkrieg. Was, wenn die Ukraine dem russischen Präsidenten Putin nicht reicht? Was, wenn das westliche Verteidigungsbündnis NATO eingreift?

Einen Weltkrieg schließt der Militär-Experte zunächst aus. "Es gibt aktuell in der Ukraine sicherlich ein gewisses Risiko, dass es zu Missverständnissen oder Unfällen in der Westukraine kommt", sagt er. Die Nato werde in den nächsten Wochen ihre Ostflanke – also in Bulgarien, Polen und Rumänien – verstärken müssen. Tatsächlich gebe es daher natürlich immer ein Restrisiko.

"Aber die Ukraine ist als Nicht-NATO-Mitglied und als Nicht-EU-Mitglied auf sich allein gestellt", sagt Masuhr.

Wenn man sich die Entwicklungen in Afrika anschaue, sei es bisher immer um den russischen Status auf der Welt gegangen. Diese Situation sei allerdings eine andere: "Möglicherweise sehen wir in den nächsten Monaten und Jahren eine Verstärkung des strategischen Aspekts. Eine Militarisierung – staatliche Gelder, die eingesetzt werden, um Einfluss in Europas südlichen Rand zu nehmen."

Aber: Oligarchische Partnerschaften ergäben keine militärischen Verbündeten, auf die Moskau im Fall einer Eskalation mit der NATO zählen könnte.

Schritte im Falle
einer Eskalation

Ja, eine Eskalation zwischen Russland und der NATO ist erst einmal undenkbar.

Was würde aber passieren, wenn der schlimmste Fall doch einträte?

Russland hat ein Militärbündnis mit Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. Dass hier aber definitiv Hilfe geleistet würde, ist dadurch nicht gesichert. "Aserbaidschan hat 2020 mit türkischer Unterstützung einen Krieg gegen das OVKS-Mitglied Armenien geführt und Moskau hat es größtenteils zugelassen", sagt Masuhr.

Russland hat seine Position im verbündeten Syrien erhalten können. "Der russische Einfluss in Syrien und in Libyen erlaubt es daher, diese Länder als Stützpunkte zu gebrauchen, sie haben also auch Relevanz gegenüber der NATO." Auch hier könne so eine Verschmelzung zwischen Söldnern, oligarchischen und staatlichen Interessen eintreten. "Es ist durchaus möglich, dass in umstrittenen Gebieten russische Söldner auftauchen und etwa einen Flugplatz einnehmen – und über diesen Flugplatz dann reguläre russische Truppen eingeflogen werden. Damit ist aber automatisch noch kein Konflikt mit der NATO losgetreten."

Dieser Einfluss in den Ländern erlaube es Russland allerdings , dort Truppen zu stationieren. "Für die NATO und für Europa könnte das ein Problem sein."

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