Lächeln fürs Foto: First-Lady Melania Trump, US-Präsident Donald Trump, Ex-Präsident Barack Obama und Michelle Obama (v.l.n.r.) bei der Amtsübergabe im Januar 2017.Bild: imago images / UPI Photo
Analyse
Noch vor seiner Präsidentschaft: Donald Trump machte Michelle Obama Angst
Nun ist er abgewählt – aber für viele Millionen US-Amerikaner ist die Präsidentschaft von Donald Trump eine bleierne Zeit. Die ehemalige First Lady Michelle Obama fürchtete den ehemaligen Reality-TV-Star schon lange, bevor er überhaupt vorhatte, Präsident zu werden. Teil zwei der watson-Serie zu Barack Obamas Memoiren.
Donald Trump und Barack Obama könnten als Präsidenten gegensätzlicher nicht sein. Verkörperte der ehemalige Senator aus Chicago vor allem Hoffnung, Aufbruch und Zusammenhalt, war die Präsidentschaft unter Trump für viele US-Amerikaner geprägt von Spaltung und Rückschritt bei Themen wie Migration, Umweltschutz und den internationalen Beziehungen.
Dass Donald Trump überhaupt Präsident werden könnte, war für viele, insbesondere in Deutschland, vor dem Herbst 2016 eine abseitige Vorstellung. Kaum einer nahm den ehemaligen Reality-TV-Star ernst, auch Barack Obama nicht. Eine witterte von Anfang an eine Gefahr durch Trumps Äußerungen: First Lady Michelle Obama.
Bild: AFP / CHANDAN KHANNA / watson-montage
watson-Serie: Obamas Amerika – Alles zu seinen Memoiren "Ein verheißenes Land"
Für Barack Obama fand Donald Trump in einer anderen Welt statt, mit der er wenig anfangen konnte. Der US-Präsident war kein regelmäßiger Zuschauer der Reality-TV-Sendungen, bei denen Donald Trump zu sehen war. In der Welt der Wirtschaft war der selbsternannte "Selfmademan" weder ein bekanntes Gesicht, noch schätzte ihn irgendwer als sonderlich seriös ein – eine Einschätzung, die gegenüber watson auch der deutsch-amerikanische Manager Martin Richenhagen bestätigt hat. Auch Barack Obama hörte wenig Gutes über Trump:
"Während des größten Teils meiner ersten beiden Jahre im Amt betrachtete Trump meine Präsidentschaft offenbar mit Wohlgefallen. So sagte er auf Bloomberg TV: 'Alles in allem glaube ich, dass er einen sehr guten Job gemacht hat.' Doch vielleicht lag es daran, dass ich nicht viel fernsah, jedenfalls fiel es mir schwer, ihn allzu ernst zu nehmen. Die New Yorker Bauunternehmer und Wirtschaftsführer, die ich kannte, beschrieben ihn einhellig als substanzlos, als jemanden, dessen Weg mit Konkursen, Vertragsbrüchen, betrogenen Mitarbeitern und dubiosen Finanzdeals gepflastert war und dessen Geschäft mittlerweile im Wesentlichen darin bestand, seinen Namen für Immobilien herzugeben, die er weder besaß noch verwaltete."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
2010 bot Donald Trump schließlich dem US-Präsidenten seine Dienste an, als im Golf von Mexiko die Ölbohrinsel "Deepwater Horizon" explodierte und ein gigantisches Ölleck entstand. Der Beginn einer der größten Umweltkatastrophen der Geschichte. Mehrere Wochen versuchten Experten, das Leck zu schließen, was sich als komplizierte Aufgabe herausstellte. Einer hatte aber das Selbstvertrauen, zu denken, dieser Krise gewachsen zu sein: Donald Trump. Das Gespräch, das Obama darauf mit Trump führte, war durchaus kurios und bestätigte Obamas Eindruck, Donald Trump nicht sonderlich ernst nehmen zu müssen:
"Den engsten Kontakt mit Trump hatte ich im Sommer 2010 wahrend der Deepwater-Horizon-Krise gehabt, als er aus heiterem Himmel Axe (David Axelrod, politischer Berater Obamas, Anm. d. Red.) anrief, um vorzuschlagen, wir sollten die Versiegelung der Bohrung ihm überlassen. Als er erfuhr, dass das Bohrloch beinahe verschlossen war, wechselte Trump das Thema und kam darauf zu sprechen, dass wir doch kürzlich ein offizielles Dinner in einem Festzelt auf dem Südrasen des Weisen Hauses veranstaltet hatten. Er sei, so eröffnete er Axe, bereit, auf dem Grundstück des Weißen Hauses 'einen wunderschönen Festsaal' zu errichten. Wir lehnten das Angebot höflich ab."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Michelle Obama fürchtete sich vor Trump
Ob die Absage Trumps empfindliches Ego gekränkt hat? Möglich wäre es, denn mit der Zeit wandte sich Donald Trump von möglichen Dienstleistungen für das Weiße Haus ab und einer neuen Beschäftigung zu: Er wurde einer der prominentesten Anhänger des "Birtherism". Anhänger dieser Verschwörungserzählung waren der Meinung, Obama sei nicht in den USA geboren und damit nicht berechtigt, US-Präsident zu sein.
Zusätzlich befeuert wurde diese Theorie dadurch, dass Donald Trump sie immer weiter mit angeblichen Neuigkeiten und Nachforschungen anheizte. So säte er Zweifel an Obamas Lebenslauf. Dessen Noten seien nicht gut genug gewesen, um an der Harvard University studieren zu können. Außerdem habe ein Nachbar Obamas Buch "Ein amerikanischer Traum" geschrieben und nicht er selbst.
Hat wenig Angst vor der Öffentlichkeit: Die ehemalige First Lady Michelle Obama (2.v.r.) mit den US-Stars Lady Gaga, Jada Pinkett Smith, Alicia Keys, und Jennifer Lopez (v.l.n.r.) bei den Grammys.Bild: Getty Images North America / Kevin Winter
Schließlich hatte Donald Trump nach eigenen Angaben sogar einen Detektiv nach Hawaii geschickt, um nach der Geburtsurkunde von Barack Obama zu suchen, weil dort etwas stehe, "was ihm nicht gefällt". Besonders geschockt hatte Barack Obama nach eigenen Angaben, dass manche Medien sich auf die Darstellungen Donald Trumps einließen, ihm nicht öffentlich widersprachen undauch keinem auffiel, wie rassistisch dessen Verschwörungserzählungen waren.
So kreierte Donald Trump mit seinen Äußerungen eine mediale Aufmerksamkeit um seine Person, die ihm bald zunutze wurde. Noch bevor Trump öffentlich erklärte, für die Präsidentschaft zu kandidieren, erklärte einer der politischen Berater Obamas, dass Donald Trump laut Umfragen der aussichtsreichste republikanische Kandidat sein würde.
"Ich beschloss, diese Neuigkeiten nicht mit Michelle zu teilen. Allein der Gedanke an Trump und seine symbiotische Beziehung zu den Medien regte sie auf. Sie durchschaute den ganzen Zirkus und sah darin lediglich eine Variation der Besessenheit, mit der die Medien sich im Wahlkampf mit Flaggenansteckern und Fist Bumps beschäftigt hatten, dieselbe Bereitschaft sowohl unserer politischen Gegner als auch der Journalisten, die Vorstellung zu legitimieren, ihr Ehemann sei eine verdächtige Figur, ein verabscheuungswürdiger 'Anderer'."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Im Gegensatz zu ihrem Mann nahm Michelle Obama Donald Trumps Äußerungen durchaus ernst und sah in ihnen in letzter Konsequenz eine Gefahr für ihre Familie:
"Sie hatte mir zu verstehen gegeben, dass Trump und der 'Birtherism' ihr nicht wegen meiner politischen Zukunftsaussichten, sondern wegen der Sicherheit unserer Familie Sorgen machten. 'Die Leute glauben, es sei alles nur ein Spiel', sagte sie. 'Sie denken nicht darüber nach, dass da draußen tausende bewaffnete Männer herumlaufen, die jedes Wort glauben, das ihnen erzählt wird.' Ich konnte ihr nicht widersprechen. Es war klar, dass Trump keinen Gedanken daran verschwendete, welche Konsequenzen es hatte, Verschwörungstheorien zu verbreiten, von denen er ziemlich sicher wusste, dass sie falsch waren, solange er nur seine Ziele erreichte."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Obamas Antwort: Humor
Lange hatte Barack Obama sich geweigert, die Verschwörungserzählungen rund um seine angeblich nicht vorhandene Geburtsurkunde zu adressieren. Auch seine Berater waren der Meinung, dass es eines US-Präsidenten nicht würdig sei, sich um nachweisbare Falschaussagen von ein paar Spinnern zu kümmern und diesen damit weitere Munition für ihre verrückten Theorien zu liefern.
Schließlich entschied sich Barack Obama trotzdem, den Spekulationen über seine Geburtsurkunde ein Ende zu bereiten. Er ließ Mitarbeiter des Weißen Hauses das Original in Hawaii besorgen. Der Kritik von Donald Trump begegnete er außerdem mit Humor.
Beim White House Correspondents' Dinner 2011, bei dem auch Trump anwesend war, erklärte Obama in seiner Ansprache, nicht nur seine Geburtsurkunde im Original vorlegen zu können, sondern sogar sein Geburtsvideo.
Barack Obama beim White House Correspondents' Dinner 2011, bei dem der US-Präsident sein Talent als Standup-Comedian testete.Bild: Getty Images North America / Pool
In Anspielung auf Donald Trumps Unterstellung, Obama sei eigentlich in Kenia geboren worden, zeigte der US-Präsident anschließend einen Ausschnitt aus dem Disney-Film "König der Löwen", der die Geburt des Löwenbabys Simba darstellt.
Anschließend wandte er sich noch einmal direkt an Trump und nahm ihn vor laufenden Kameras auf die Schippe:
"'Nun, ich weiß, dass er jüngst unter Beschuss geriet', sagte ich, 'aber niemand ist glücklicher, niemand ist stolzer, diese ganze Sache mit der Geburtsurkunde endlich zu den Akten legen zu können, als Donald. Und zwar deshalb, weil er sich endlich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren kann, als da wären: Haben wir die Mondlandung nur vorgetäuscht? Was ist wirklich in Roswell passiert? Und wo sind Biggie und Tupac?' Während die Zuhörer in Gelächter ausbrachen, fuhr ich im gleichen Stil fort. Ich verwies auf seine 'Referenzen und die Breite seiner Erfahrungen' als Gastgeber der Fernsehshow Celebrity Apprentice und spottete darüber, dass er in einer der Folgen den falschen Star gefeuert hatte. 'Dies sind die Arten von Entscheidungen, die mir schlaflose Nächte bereiten würden. Gut gemacht, Sir. Gut gemacht.'"
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Beim White House Correspondents Dinner 2011 machte Barack Obama sich über Donald Trump lustig, nicht ahnend, dass dieser fünf Jahre später tatsächlich zum Präsidenten gewählt wurde. Video: YouTube/CNN
Auch Barack Obama kann Donald Trump nicht verhindern
Auch wenn ihm in dieser Situation wohl ein Punktesieg gelungen war, blickt Barack Obama im Nachhinein mit einiger Selbstkritik auf den Umgang mit Donald Trump zurück: Schließlich sei jede mediale Aufmerksamkeit für den künftigen US-Präsidenten ein Schritt näher zur Macht gewesen. Obama kritisiert in seinen Memoiren auch die Medien für deren Komplizenschaft, die Donald Trump erst ermöglichte:
"Die Zuhörer brüllten, während Trump schweigend dasaß und lauwarm lächelte. Ich konnte mir nicht ansatzweise vorstellen, was ihm in den wenigen Minuten, in denen ich ihn aufzog, durch den Kopf ging. Ich wusste aber, dass er ein echtes Schauspiel abgab, und in den Vereinigten Staaten des Jahres 2011 war das gleichbedeutend mit Macht. Trump handelte mit einer Währung, die, wie seicht sie auch sein mochte, mit jedem Tag an Wert zu gewinnen schien. Dieselben Reporter, die über meine Witze lachten, würden ihm weiterhin Sendezeit geben. Ihre Verleger würden darum buhlen, ihn an ihren Tischen sitzen zu haben. Statt für die Verschwörungstheorien, mit denen er hausieren ging, geächtet zu werden, war er tatsächlich noch nie so populär gewesen."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Und der Mechanismus der Medien sollte Donald Trump auch in der Folgezeit immer weiteren Aufwind verleihen und schließlich bis ins Präsidentenamt hieven. Die Sender zeigten seine Statements und Kommentare, weil seine Art – so lächerlich sie vielen daherkam – hohen Unterhaltungswert bot. Mit Twitter hatte der künftige US-Präsident die perfekte Plattform für seine verkürzten, populistischen und oft faktisch falschen Statements gefunden.
Der Nachfolger des "professoralen" Barack Obama, der ein Buch jederzeit dem Fernseher vorzog und an Regierungserklärungen mit vielen Beratern feilte, um auch wirklich die richtige Message zu senden, sollte Trump werden. Ein Präsident, der im Minutentakt Statements via Twitter in die Welt jagte, die vor Falschinformationen strotzten und keiner seiner Mitarbeiter – ja wahrscheinlich nicht einmal seine Frau – je gegengelesen hatte.
Barack Obamas Memoiren, "Ein verheißenes Land", erschienen am 17. November beim Penguin Verlag.Bild: penguin verlag / random house
Barack Obama: "Ein verheißenes Land"
Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Bieker, Harriet Fricke, Stephan Gebauer, Stephan Kleiner, Elke Link, Thorsten Schmidt und Henriette Zeltner-Shane.
1024 Seiten, mit 32 Seiten Farbbildteil. Preis: 42 Euro (Hier erhältlich). Am 17. November im Penguin Verlag erschienen.
Russland: Geleaktes Telefonat zeigt Probleme mit Nordkorea-Soldaten
Russland benötigt Unterstützung in seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Vor allem braucht Kreml-Chef Wladimir Putin Männer, um die Lücken in seiner Armee zu schließen.