"Ich bin auch die Tochter von jemandem. Mein Vater ist glücklicherweise nicht mehr am Leben, um zu sehen, wie Mr. Yoho seine Tochter behandelt." Mit diesen kraftvollen Worten konterte Alexandria Ocasio-Cortez die Beleidigung, die der republikanische Kongressabgeordnete Ted Yoho laut einem Medienbericht in ihrem Beisein hat fallen lassen: "Fucking Bitch" (verdammte Schlampe). Die beiden waren an den Stufen des Repräsentantenhauses Anfang der Woche in eine politische Diskussion geraten, im Laufe derer Yoho Ocasio-Cortez als "widerwärtig" bezeichnet hatte.
Anschließend entschuldigte sich Yoho bei Ocasio-Cortez für die abrupte Art der Unterhaltung. Er leugnete aber, die Worte gebraucht zu haben und verwies darauf, selbst Frau und Töchter zu haben und seine Worte dementsprechend vorsichtig zu wählen. Für Ocasio-Cortez eine Instrumentalisierung von Frauen, um sich selbst zu schützen. Ocasio-Cortez ist selbst drei Jahre jünger als Yohos jüngste Tochter.
Während ihrer Rede wird sie emotional und sagt: "Ich bin hier, weil ich meinen Eltern zeigen muss, dass ich ihre Tochter bin. Und dass sie mich nicht erzogen haben, um die Beschimpfung von Männern zu akzeptieren. (...) Töchter oder eine Frau zu haben, macht einen Mann noch nicht anständig. Anständig wäre es, sich für seinen Fehler zu entschuldigen."
Diese Worte machen deutlich, hier geht es um mehr als die persönliche Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen:
In der Rede von Alexandria Ocasio-Cortez spiegelt sich die Spaltung der USA wider. AOC, wie sie von ihren Unterstützern genannt wird, ist der Gegenentwurf zu Trumps Amerika.
Wenn man den Schilderungen seiner Nichte Mary in ihrem kürzlich erschienen Buch glauben mag, dann ist Donald Trump in einer Familie groß geworden, in der einzig und allein kommerzieller Erfolg und Geld eine Rolle gespielt haben – nicht aber Werte wie Mitgefühl und Reue. Während Donald Trump bereits in jungen Jahren auf ein Milliardenerbe blicken konnte und sich von seinem Vater immer wieder mit Finanzspritzen helfen ließ, musste Alexandria Ocasio-Cortez neben ihrem Lehrerjob kellnern, um ihre Familie nach dem frühen Tod ihres Vaters über Wasser zu halten.
Alexandria Ocasio-Cortez wurde als Nachfahrin puerto-ricanischer Einwanderer im New Yorker Stadtteil Bronx geboren und zog später in die Vorstadt Yorktown. Bereits in der Highschool nahm sie an Schulwettbewerben teil und belegte beim amerikanischen Pendant von "Jugend forscht" den zweiten Platz im Bereich Mikrobiologie. Aus diesem Grund wurde 2007 sogar ein Asteroid nach ihr benannt. Ihr Studium finanzierte sie dank ihrer guten Noten mit einem Stipendium des Halbleiterherstellers Intel. 2011 schloss Ocasio-Cortez ihr Studium in Wirtschaftswissenschaften und Internationalen Beziehungen mit dem Prädikat cum laude ab.
Was für ein Unterschied zu Donald Trumps Werdegang: In jungen Jahren schickte Fred Trump seinen Sohn Donald aufs Internat, weil er bei ihm eine beachtliche Ansammlung an Klappmessern gefunden hatte, mit denen Donald immer wieder in Manhattan einen auf dicke Hose machte. Anschließend drückte sich Donald Trump mehrfach vor dem Militärdienst – angeblich, indem er angab, einen Fersensporn zu haben. Während seines Studiums, das er mit dem Bachelorgrad abschloss, wird er als unauffällig beschrieben. Keine Preise, keine Auszeichnungen.
In den USA ist derzeit ein sich offen bekennender Sexist im Weißen Haus, der schon damit angegeben hat, Frauen ungestraft in den Schritt fassen zu können. Während Donald Trump vor allem die Schönheit seiner Tochter Ivanka preist und öffentlich damit liebäugelt, sie zu daten, wäre sie nicht seine Tochter, setzt Ocasio-Cortez sich für Frauenrechte ein.
Sie macht sich stark für die LGBTQ-Community und tritt bei Veranstaltungen wie dem "Women's March" in Manhattan auf. 2020 war sie Gastjurorin bei "RuPaul's Drag Race" dem US-amerikanischen Vorbild von "Queen of Drags".
Im Kongress hat sich Ocasio-Cortez mit drei weiteren jungen weiblichen Abgeordneten zusammengetan, die allesamt People Of Color sind und inoffiziell als "The Squad" bezeichnet werden. Sie sind progressiv in ihren Ansichten und werden daher auch gerne von rechten und konservativen Politikern aufs Korn genommen. Allen voran: US-Präsident Donald Trump.
In einem Tweet beschwerte er sich vergangenen Sommer über die Kritik von Ocasio-Cortez und ihren drei befreunden Kongressabgeordneten an seiner Politik und verwies darauf, dass die vier Frauen selbst aus Ländern mit viel niedrigeren demokratischen Standards kämen, deren Regierungen "eine totale Katastrophe" sind.
Was Donald Trump dabei vielleicht nicht durchdacht hat, ist, dass Alexandria Ocasio-Cortez – ebenso wie zwei der anderen drei Mitglieder von "The Squad" – in den USA geboren und aufgewachsen ist. Vielleicht ist es ihm aber auch egal: Es wäre nicht das erste Mal, dass Donald Trump Falschinformationen streut, um Kritiker zu diskreditieren.
Auch in Sachen Nachhaltigkeit steht Alexandria Ocasio-Cortez für die junge Generation und sympathisiert mit Fridays For Future. Sie ist eine große Unterstützerin des "Green New Deal", der eine umweltfreundlichere und nachhaltige Wirtschaft durch staatliche Regulierung erreichen will und Vorbild des "European Green Deal" der EU-Kommission war.
Ocasio-Cortez ist außerdem für eine Einführung eines Mindestlohns von 15 Dollar. Kein Wunder, dass sie bis zu seinem Ausscheiden den linken Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders unterstützte. 2016 war sie Teil seines Wahlkampfteams.
Im Vergleich hierzu wirken die Vorstellungen von US-Präsident Donald Trump wie aus einer anderen Zeit. Eine seiner wichtigsten Entscheidungen war es, das Steuerrecht so zu reformieren, dass insbesondere große Konzerne davon profitierten. Leidtragende sind vor allem diejenigen, die Steuererleichterungen am meisten gebrauchen können: Geringverdiener und die amerikanische Mittelschicht.
Auch in Sachen Klimapolitik ist Trump ein Dinosaurier. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit kündigte er das Pariser Klimaabkommen und setzte auf Kohle statt auf erneuerbare Energien. Über Twitter und in Interviews hetzte er gegen Greta Thunberg und machte kein Hehl aus seiner Abneigung gegen die Umweltbewegung.
Einige wetten bereits, dass Alexandria Ocasio-Cortez die nächste demokratische Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden könnte. Auch jetzt ist sie schon prominenter als so mancher Mitbewerber bei der aktuellen Wahl um das Präsidentenamt. Mit ihren knapp 30 Jahren hat sie allerdings auch noch einige Zeit, um ihren politischen Fußabdruck zu hinterlassen.
In jedem Fall ist die junge Kongressabgeordnete jemand, den man im Auge behalten sollte. Wer sich noch mehr für die junge Politikerin interessiert, die sich vielen älteren weißen Männern im Kongress entgegenstellt, hier ein Tipp: Auf Netflix gibt es eine großartige Doku über Ocasio-Cortez.