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Wahlrechtsreform: So könnten sich die Ampel-Pläne auf den Bundestag auswirken

ARCHIV - 29.11.2012, Berlin: Das leere Plenum des Deutschen Bundestags. (zu dpa "Union im Bundestag: Neue Spitzengespräche über Wahlrecht erfolglos") Foto: picture alliance / Michael Kappele ...
Der Bundestag soll kleiner werden, die Ampel-Parteien haben deshalb eine Reform des Wahlrechts erarbeitet.Bild: dpa / Michael Kappeler
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Wahlrechtsreform: So könnten sich die Ampel-Pläne auf den Bundestag auswirken

16.03.2023, 17:49
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Der Bundestag ist zu groß, darin sind sich wohl alle einig. Eigentlich sind laut Gesetz 598 Volksvertreter:innen vorgesehen: 299, die über die Erststimme mit einem Direktmandat in ihrem Wahlkreis einziehen, 299 über die Zweitstimme und ihren Platz auf der Landesliste ihrer Partei. Aktuell sitzen 736 Abgeordnete im Parlament. Also 138 zu viel.

Grund dafür sind zum Beispiel Überhangmandate. Die kommen zustande, wenn eine Partei mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach der Zweitstimme Sitze im Bundestag zustehen. Die Überhangmandate wiederum führen zu Ausgleichsmandaten – so soll das Verhältnis gewahrt werden, wenn manche Parteien wenige oder gar keine Direktmandate, aber dafür viele Zweitstimmen gewonnen haben.

Junge Frauen einer Besuchergruppe beobachten durch die Scheibe eine Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Berlin, 23.03.2018, Berlin Deutschland *** Young women of a group of visitors watch through th ...
Aktuell ist der Bundestag so jung wie noch nie.Bild: imago stock&people / imago images

Nun ist es so, dass durch diese Ausgleichsregelungen der Bundestag immer weiter anwächst. Und das kostet vor allem Geld, bringt aber nicht mehr Qualität ins Plenum. So zumindest beschrieb es der Politikwissenschaftler Joachim Behnke in einem früheren Gespräch mit watson. Damals sagte er:

"Der Bundestag gewinnt nicht an Qualität, wenn mehr Abgeordnete darin sitzen. Im Gegenteil: sie wird ziemlich sicher schlechter."

Das liege daran, dass nicht nur das Plenum, sondern auch die Ausschüsse größer würden. Nicht nur das: Auch die Qualität der Abgeordneten würden nicht besser, wenn mehr politisches Personal entsendet werden müsste. Zu den Kosten sagte Behnke: "Jeder zusätzliche Abgeordnete kostet den Steuerzahler schätzungsweise 2,2 Millionen Euro für eine Legislaturperiode."

Und weil das ganz schön viel Geld ist und sich alle einig sind, dass der Bundestag wieder schrumpfen muss, hat die Ampel-Regierung nun eine Wahlrechtsreform in die Wege geleitet. Für die Pläne ernten SPD, Grüne und FDP massive Kritik von Union und Linken.

Überhang- und Ausgleichsmandate sollen abgeschafft werden

Durch die Reform wird der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag bei der nächsten Wahl wieder auf 630 Mandate verkleinert. Zentral ist, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben wird.

Dass direkt gewählte Kandidat:innen unter Umständen nicht in den Bundestag einziehen könnten, führt vor allem zur Sorge, dass Wahlkreise nicht mehr repräsentiert sein könnten. Denn erringt die Partei des Direktkandidierenden zu wenige Zweitstimmen, kann das bedeuten, dass es trotzdem keinen Stuhl für die:den Erststimmen-Sieger:in gibt.

Umgedrehte Stuehle, aufgenommen im Rahmen des Umbaus vom Plenarsaal fuer die konstituierende Sitzung des 19. Deutschen Bundestages fuer die 709 Abgeordneten. Berlin, 17.10.2017. Berlin Deutschland *** ...
Durch die geplante Reform werden weniger Abgeordnete in den Bundestag einziehen.Bild: imago stock&people / imago/photothek/ Florian Gärtner

Kritiker:innen fürchten, dass diese sogenannten "verwaisten" Wahlkreise zu einer Politikverdrossenheit führen. Und das Vertrauen in die Demokratie schwächen könnten.

Gleichzeitig kann die Frage gestellt werden, wie die Parteien auch bei einer Verkleinerung des Bundestages dafür sorgen wollen, dass sowohl Frauen als auch jüngere Abgeordnete nach wie vor vertreten sind. Denn auch wenn der Bundestag aktuell jünger ist als je zuvor, liegt das Durchschnittsalter noch immer bei 47,3 Jahren.

Auswirkungen auf die Listenaufstellungen der Parteien

Werden die Parteien dafür sorgen, dass auch bei einer Verkleinerung junge Politiker:innen ihren Platz im Parlament finden? Watson hat bei den im Bundestag vertretenen Parteien nachgefragt, wie ihre Pläne aussehen.

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Ein Sprecher der SPD weist darauf hin, dass die Erfahrung gezeigt habe, dass jüngere Kandidat:innen besonders berücksichtigt würden. Aktuell sind 52 Mitglieder der SPD-Jugendorganisation Jusos im Bundestag vertreten. Insgesamt stellen die Sozialdemokrat:innen aktuell 206 Abgeordnete. Die SPD stellt nach den Grünen die zweitjüngste Fraktion. "Eine altersbezogene Quote ist nicht geplant", heißt es von einem Sprecher der Partei.

Auch die FDP hält nicht viel von einer Quote. Vielmehr wollen die freien Liberalen, heißt es vonseiten der Partei, Menschen aller Altersgruppen und Geschlechter gleichermaßen für das parteipolitische Engagement gewinnen. Die FDP sei überzeugt davon, dieses Ziel durch moderne Parteiarbeit und ohne eine Quotierung in der Listenaufstellung zu erreichen.

Die CSU, erklärt ein Sprecher, ist eine Volkspartei. Das bedeute in Bezug auf die Aufstellung der Partei, dass alle gesellschaftlichen Gruppen eine starke Stimme hätten. "Es ist unser erklärtes Ziel, die Partei weiter jünger und weiblicher zu machen", sagt er.

14.03.2023, Bayern, München: Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nimmt nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts an einer abschließenden Pressekonferenz teil. Foto: Peter Kneffel/dpa  ...
CSU-Chef Markus Söder und seine Kolleg:innen wollen eine jüngere und weiblichere Partei. Bild: dpa / Peter Kneffel

Mit Blick auf die anstehende Landtagswahl hätte bereits eine deutliche Verjüngung stattgefunden: In knapp einem Drittel der Stimmkreise sollen neue Kandidat:innen antreten. Der Sprecher führt aus: "Elf der nominierten CSU-Direktkandidatinnen und Direktkandidaten sind unter 40 Jahre. Der jüngste Kandidat ist erst 22 Jahre alt." Konkrete Pläne zur Listenaufstellung bei der Bundestagswahl nennt der Sprecher jedoch nicht.

Opposition will vor das Bundesverfassungsgericht ziehen

Gestrichen werden sollen nicht nur die Überhang- und Ausgleichsmandate, sondern auch die sogenannte Grundmandatsklausel. Sie bewirkt, dass eine Partei auch dann nach ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einzieht, wenn sie zwar die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, aber mindestens drei Direktmandate gewonnen hat. Wegen dieser Klausel ist die Linke in dieser Legislaturperiode in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten – obwohl sie nur 4,9 Prozent der Stimmen bekommen hat.

Berlin, Dietmar Bartsch gibt Pressekonferenz im Bundestag Dietmar Bartsch Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Bundestag während der Pressekonferenz vor der Fraktionssitzung von Die Linke im Deutschen B ...
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat bereits rechtliche Schritte angekündigt.Bild: IMAGO/Christian Spicker

Die Partei will deshalb auf die Barrikaden gehen, sobald das Gesetz im Bundestag verabschiedet ist. "Ich sage ganz klar: Da werden wir auch das Bundesverfassungsgericht bemühen", sagte der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch den Sendern RTL/ntv. Man werde alles versuchen, dass dieses Gesetz so nicht Realität werde – letztlich sei dieses ein Angriff auf die Demokratie.

Auch die CSU sieht die Pläne der Ampel kritisch. Die bayerischen Christdemokrat:innen sind die Partei, die bisher am meisten von der Überhangmandat-Regelung profitiert: Denn durch die Zweitstimmen stehen der CSU nicht so viele Plätze im Parlament zu, wie sie traditionell Direktmandate gewinnen. Mit der geplanten Streichung der Überhangmandate würde also die Anzahl an CSU-Abgeordneten mit hoher Wahrscheinlichkeit sinken.

CSU-Parteichef Markus Söder sieht mit dem Gesetzentwurf die Existenz seiner Partei infrage gestellt. Der Entwurf, der am Freitag vom Bundestag beschlossen werden soll, sei "ein dicker Hund", sagte er in München. Er kündigte an, im Zweifel dagegen klagen zu wollen.

Dabei hat der bayerische Ministerpräsident Rückendeckung vom Chef der Schwesterpartei CDU. Friedrich Merz kündigt eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Reform an. Er werde seiner Fraktion vorschlagen, die Pläne am Freitag abzulehnen. Die Unionsfraktion werde, für den Fall eines entsprechenden Bundestagsbeschlusses, in der nächsten Sitzungswoche Ende März eine Entscheidung über eine mögliche Klage treffen, erklärt der CDU-Vorsitzende.

Am 17.3. stimmt der Bundestag über die Wahlrechtsreform ab. Da sich die drei Ampelparteien dafür ausgesprochen haben, sollte das Gesetz die nötige Mehrheit bekommen. Welche Schritte die Opposition im Anschluss wirklich geht, wird sich zeigen.

(Mit Material der dpa)

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