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Ärger in der SPD über den Umgang mit Russland – ein Generationenkonflikt?

Ukrainian Protest In Kiev As Conflict Tension Stay High A protester with a Wladimir Putin mask protests against usage of Russian language in Ukrainian TV in front of the main governmental building on  ...
Ein Demonstrant mit einer Wladimir-Putin-Maske protestiert am 1. Februar 2022 vor dem Hauptregierungsgebäude in Kiew, Ukraine, gegen die Verwendung der russischen Sprache im ukrainischen Fernsehen.Bild: www.imago-images.de / Dominika Zarzycka
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Waffen in die Ukraine liefern, Russland sanktionieren – oder doch mit Putin verhandeln? Frage nach dem richtigen Umgang mit Moskau wird zum Generationen-Konflikt

Nicht nur in der SPD werden die Rufe nach harten Sanktionen lauter – gerade von jüngeren Politikerinnen und Politikern, während viele Ältere weiter Verständnis für Putin zeigen. Vor allem in der SPD bricht der Konflikt auf – zusätzlich werfen Äußerungen des Altkanzlers und Gas-Lobbyisten Gerhard Schröder ein Schlaglicht auf die Partei.
03.02.2022, 09:4403.02.2022, 10:00
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Im Russland-Ukraine-Konflikt spitzt sich die Lage weiter zu. Der russische Präsident Wladimir Putin sendet Blutkonserven, noch mehr Soldaten und Waffen an die Grenze zur Ukraine, umringt das Land förmlich. Putin bekräftigt in einer Tour, Russland sei in Gefahr und werde von der NATO eingekesselt. Allerdings stehen deutlich mehr Soldaten und militärisches Gerät auf der russischen Seite der Grenze als auf der ukrainischen. Dass das Kräfteverhältnis ungleich ist, zeigen Grafiken sowohl der "New York Times", als auch des britischen Senders "BBC".

Die NATO, die Europäische Union und Deutschland für sich setzen bislang auf Verhandlungen. Mehrfach gab es Treffen im Normandieformat , bei dem Deutschland und Frankreich zwischen den beiden Konfliktparteien vermitteln wollen.

Im selben Moment werden in Deutschland die Rufe nach harten Sanktionen gegenüber Russland laut. Vor allem junge Politikerinnen und Politiker, so scheint es, verlangen von der Bundesregierung klare Worte und Konsequenzen – unter anderem eine Nicht-Inbetriebnahme der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2.

Zeichnet sich hier gerade ein Generationenkonflikt ab? Das hat watson Politikerinnen und Politiker gefragt – und die Situation von einem Experten einordnen lassen.

Der Osteuropa-Experte und Politologe der Freien Universität Berlin, Alexander Libman, sieht einen Streit zwischen jüngeren und älteren Politikerinnen und Politikern. Allerdings nicht nur in der SPD. Gegenüber watson sagt er: "Es ist gerade grundsätzlich so, dass die jüngere Generation der deutschen Politikerinnen und Politiker etwas aktiver bei der Russlandpolitik ist als ältere Generationen. Das geht über die Parteien hinweg."

This satellite images provided by Maxar Technologies shows troops gathered at Bakhchysarai, Crimea, Tuesday, Feb. 1, 2022. (Maxar Technologies via AP)
Dieses von Maxar Technologies bereitgestellte Satellitenbild zeigt russische Truppen, die sich am Dienstag, den 1. Februar 2022 in Bakhchysarai auf der Krim versammelt haben.Bild: ap

Jahrzehntelang habe die deutsche Politik gegenüber Russland die wirtschaftliche Integration im Vordergrund gestanden, sagt Libman. "Das war die absolute Grundlage und das hat sich 2014 verändert." Damit meint er die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim.

Libman meint, einige hätten schnell genug realisiert, dass jetzt eine andere Umgangsform mit Russland an den Tag zu legen sei – nämlich die jüngere Politik-Generation. Die ältere allerdings nicht. "Je jünger man ist – über die eigene Lebensspanne hinweg gesehen –, desto länger ist man einfach daran gewöhnt, Russland als einen Gegner zu betrachten."

Die Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation, Jessica Rosenthal, macht deutlich, dass sie vor allem Russland als die treibende Kraft in diesem Konflikt sieht. Frieden sei keine Selbstverständlichkeit, man müsse jeden Tag für ihn arbeiten. "Das wird keine zwei Flugstunden von Deutschland entfernt schmerzlich deutlich", schreibt sie watson auf Anfrage. "In dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist es Russland, das die Eskalation antreibt und als Aggressor auftritt."

Mit dieser Aussage lehnt sich Rosenthal allerdings nicht weiter aus dem Fenster als die SPD-Führung um Parteichef Lars Klingbeil und Generalsekretär Kevin Kühnert. Selbst die Formulierung "zwei Flugstunden von Deutschland entfernt" hatte Kühnert selbst in einem Pressestatement im Januar verwendet.

Immerhin: Gegenüber SPD-Altkanzler Gerhard Schröder wird Rosenthal, die seit Oktober für die SPD im Bundestag sitzt, deutlicher als die Parteispitze. Sie schreibt:

"Russland hat inzwischen mehr als 100.000 Soldatinnen und Soldaten an der Grenze zur Ukraine positioniert und bedroht so nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte europäische Friedensordnung. Aussagen von Gerhard Schröder, der dann der Ukraine Säbelrasseln vorwirft und die Interessen Russlands unverhohlen vertritt, verurteile ich scharf. Sie spiegeln in keiner Weise die Bewertung der Jusos, aber auch nicht die der SPD wider."
Jessica Rosenthal, Mitglied des Bundestages und Vorsitzende der JUSOS, aufgenommen im Rahmen des SPD-Bundesparteitages in Berlin, 11.12.2021. Bei diesem Parteitag drei Tage nach der Vereidigung der ne ...
Juso-Chefin und SPD-Bundestagsabgeordnete Jessica Rosenthal.Bild: imago images / Florian Gaertner/photothek.de

Die Jugendorganisation setze sich für eine friedliche Lösung des Konflikts ein. "Den Frieden zu sichern, muss das allererste Ziel sein, und dafür brauchen wir jeden Gesprächskanal, den wir aufbauen können", schreibt Rosenthal.

Es sei richtig, dass sich Deutschland gerade so stark um die diplomatischen Beziehungen bemühe. "Es ist aber genauso notwendig, dass wir solidarisch an der Seite unserer ukrainischen Partnerinnen und Partner stehen." Die europäischen Grenzen seien unverletzbar und müssten es bleiben, so Rosenthal.

Gleichzeitig müsse die Europäische Union schnell handlungsfähig und gerade auf wirtschaftliche Sanktionen vorbereitet sein, "sodass in dem Falle einer weiteren Eskalation Russlands, diese schnell eingeführt und bestehende Sanktionen verschärft werden können".

Bei den Sanktionen setzt Rosenthal etwa darauf, das Vermögen russischer Oligarchen und Regierungsverantwortlicher einzufrieren. Sie sagt: "Das Ziel darf nicht die Bevölkerung Russlands sein, sondern es muss die russische Regierung und ihr persönliches Vermögen sein, denn sie trägt für diesen Konflikt die Verantwortung."

"Um mit Säbeln rasseln zu können, muss man über Säbel verfügen."
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert

Insgesamt ist die SPD in den vergangenen Tagen auf größere Distanz zu Altkanzler Schröder gegangen. Nach Beratungen der Parteispitze stellte SPD-Chef Lars Klingbeil am Montag klar, es sei Haltung der "gesamten SPD", dass Russland für die Eskalation verantwortlich sei.

22.01.2022, Berlin: Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, �u�ert sich bei einer Pressekonferenz zu der Klausur des SPD-Pr�sidiums. Das SPD-Pr�sidium hat sich zum Jahresauftakt zu einer Klausurtagung a ...
SPD-Chef Lars Klingbeil.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), sagte am Dienstag: "Gerhard Schröder vertritt eine völlig andere Haltung als die SPD." Die SPD-Führung habe dies "sehr klar zum Ausdruck gebracht".

Schröders Äußerungen hatten Kritikern neue Nahrung gegeben, die der SPD einen Mangel an Klarheit in der Russland-Politik vorwerfen. Am Montag dann hatte die Parteispitze in internen Beratungen über ihre Haltung gegenüber Russland gesprochen. Die SPD sei in dieser Frage geschlossen, sagte SPD-Chef Klingbeil danach.

Auch der ehemalige Juso-Chef und heutige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert distanzierte sich ausdrücklich von Schröder. Schröders Äußerungen hätten keinerlei Auswirkungen auf die SPD-Positionierung, sagte Kühnert den Sendern RTL und NTV. Zu Schröders Vorwurf an die Ukraine sagte Kühnert: "Um mit Säbeln rasseln zu können, muss man über Säbel verfügen. Und wir diskutieren aktuell ja ausgiebig darüber, wie wenig davon in der Ukraine vorhanden sind."

Sanktionen angedroht – Waffenlieferungen ausgeschlossen

Solidarische Worte sind das eine, Waffenlieferungen in die Ukraine das andere. Die SPD-Spitze bleibt bei ihrem Nein dazu.

WITTENBERG, GERMANY - MAY 06: Kevin Kühnert, head of Jusos, the youth arm of the German Social Democrats (SPD), poses for a photo during an event to promote SPD candidates in local city council electi ...
Ex-Juso-Chef und heutiger SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.Bild: Getty Images Europe / Jens Schlueter

Der 32-jährige Kühnert verteidigte diesen Kurs der SPD. Er habe gelegentlich den Eindruck, es hätten noch nicht alle verstanden, dass es sich um eine reale Kriegsgefahr handele. "Ich würde mir daher wünschen, dass sich mehr politische Kräfte dem Bestreben nach Gesprächen für den Frieden verpflichtet fühlen – stärker als der allgemeinen Diskussionen über Sanktionen oder Ähnliches."

Russland-Experte Libman sieht das anders als Kühnert. Er glaubt sehr wohl, dass die Unterstützerinnen und Unterstützer eines härteren Kurses gegen Moskau die reelle Kriegsgefahr erkennen. "Der zentrale Unterschied ist im Glauben an die Diplomatie", sagt er. "Es herrschte wirklich sehr, sehr lange die Vorstellung, dass es der beste Weg sei, eine Art Deeskalation durch Verhandlungen und am Ende durch Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zu erreichen. Und dieser Konsens, der in Deutschland wirklich bis auf wenige Ausnahmen fast allumfassend war bis 2014, ist nach der Krim-Krise gebrochen worden."

Gerade in der SPD sehe man diese unterschiedlichen Auffassungen am klarsten, sagt Libman. "Weil die SPD gegenüber dem alten Konsens sehr stark verpflichtet war, stärker als die anderen Parteien." Letztendlich sei der ehemalige SPD-Kanzler Willy Brandt der Architekt der neuen Ostpolitik gewesen, die einen "Wandel durch Annäherung" angestrebt habe. Heute sehe man immer mehr politische Diskussionen, die von dieser Idee weggingen und eher davon ausgingen, dass diplomatische Annäherung eigentlich nichts brächten, weil die Position des Putin-Regimes so fundamental anders sei, dass Verhandlungen kein Potenzial hätten.

Härterer Kurs verlangt

Seeheimer Kreis
Der Seeheimer Kreis ist ein Zusammenschluss von SPD-Bundestagsabgeordneten, der innerhalb der Fraktion als konservativ gewertet werden kann. Er ist neben der Parlamentarischen Linken und dem Netzwerk Berlin eine der drei politischen Strömungen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Mitglieder sind beispielsweise SPD-Chef Lars Klingbeil oder Dirk Wiese.

Luca Klöckener ist einer derjenigen in der SPD, die sich für einen härteren Kurs im Umgang mit Russland einsetzen. Der 21-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender der Jusos im nordrhein-westfälischen Arnsberg, Mitglied im Vorstand des Arnsberger Ortsvereins Neheim-Hüsten und zusätzlich auch im Freundeskreis Seeheim – ein Zusammenschluss aus SPD-Politikerinnen und -Politikern, die den Seeheimer Kreis unterstützen – aktiv.

Die SPD brauche einen kritischeren und härteren Umgang mit Russland – vor allem mit dem aktuellen Putin-Russland, erklärt Klöckener gegenüber watson. "Wir können Pläne der Putin-Regierung für Invasionen in Nachbarstaaten nicht einfach ignorieren und öffentlich nicht darüber reden – wir müssen die Sorgen der Nachbarstaaten ernst nehmen und uns solidarisch gegenüber diesen zeigen."

Luca Klöckener ist stellv. Vorsitzender der Jusos in Arnsberg
Luca Klöckener.Bild: SPD Arnsberg

Zudem sei wichtig, sich in diesem Konflikt auch solidarisch mit den NATO-Partnern zu zeigen und eine gemeinsame Linie zu finden.

Klöckener meint: "Harte Diplomatie ist in diesen Zeiten enorm wichtig und ich finde es auch richtig, dass Lars Klingbeil sagt, dass alles auf dem Tisch liegt und wir sollten dahingehend auch hart und konsequent verhandeln." Das letzte Druckmittel, sagt Klöckener, sei Nord Stream 2. Das liege "zum Glück auch in einem möglichen Sanktionspaket und sollte im Falle einer Invasion auch gezogen werden und blockiert beziehungsweise gestoppt werden".

"Die Ukraine-Krise spaltet überwiegend meine SPD."
Luca Klöckener

Der 21-Jährige sorgt sich um seine Partei. Er sagt: "Die Ukraine-Krise spaltet überwiegend meine SPD." Aber er glaube, auch in anderen Parteien werde diese Frage ausgiebig diskutiert.

Trotzdem glaubt Klöckener nicht, dass dies ein Konflikt zwischen Jung und Alt ist. Über die Diskussion sagt er:

"Sie ist nicht unbedingt ein Generationenkonflikt, denn es gibt nicht nur junge Menschen wie mich in meiner Partei, die sich einen härteren Kurs gegenüber Russland wünschen. Michael Roth (Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag) bringt es in diesen Tagen immer wieder gut auf den Punkt und übersetzt die Brandtsche Ostpolitik in das 21. Jahrhundert und fordert auch eine härtere Gangart gegenüber Russland. Dann bin ich immer froh solch „ältere“ Menschen in meiner Partei zu haben, denn das gibt mir Hoffnung, dass sich in Zukunft mehr in meiner Partei durchsetzen kann."

Russland dürfe man mit seinen Aktionen nicht davon kommen lassen. Man müsse daraus harte Konsequenzen ableiten. "Deshalb erwarte ich auch von Bundeskanzler Olaf Scholz einen konsequenteren Umgang mit Russland. Wir müssen unsere Werte von Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Recht nicht nur innerhalb Deutschlands verteidigen, sondern auch international."

Mit Russland müsse sofort eine Vereinbarung über den Truppenabzug der mehr als 100.000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze getroffen werden, findet Klöckener. Gemeinsam mit den NATO-Partnern und der Europäischen Union solle zudem ein Sanktionspaket – unter anderem mit der Blockade von Nord Stream 2 als Druckmittel – geschnürt werden.

(Mit Material der AFP)

Russland geht immer härter gegen Migranten vor – um von anderen Problemen abzulenken

Der russische Präsident Wladimir Putin hat nicht nur Schwierigkeiten, immer neue Soldaten für den Krieg zu rekrutieren, sondern auch mit einem akuten Mangel an Fachkräften im Land zu kämpfen.

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