Der BRICS-Gipfel könnte die enge Beziehung zwischen Wladimir Putin und Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa auf die Probe stellen.Bild: imago images/ITAR-TASS / imago images
Analyse
16.05.2023, 19:2317.05.2023, 07:44
Jeder Verbündete zählt. Das denkt sich wohl Russland, das seit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine weitgehend isoliert ist. Als Staatsgast ist der russische Präsident Wladimir Putin in vielen Ländern nicht mehr willkommen. Im Gegenteil: Die meisten müssten ihn auf der Stelle festnehmen.
Isolierter Staatschef auf der Weltbühne: Wladimir Putin hat wohl nur noch wenige enge Verbündete.Bild: AP / Geert Vanden Wijngaert
Im März sprach der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin aus. Grund: Seine mutmaßliche Mitverantwortung für die Deportation ukrainischer Kinder aus besetzten Gebieten nach Russland. Die Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes sind damit verpflichtet, Putin festzunehmen.
Das führt Südafrika in ein "wahres Dilemma", sagt Gregor Jaecke auf watson-Anfrage. Als Leiter des südafrikanischen Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung erklärt er, warum das Land die Nähe zu Russland sucht und sich damit die Finger verbrennen könnte.
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Südafrika steckt in der Putin-Klemme
Fakt ist: Südafrika ist Mitunterzeichner des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs. Sollte sich Putin dazu entscheiden, südafrikanischen Boden zu betreten, müsste er direkt vor Ort verhaftet werden. Und solch ein Szenario steht unmittelbar bevor.
Im August findet der Wirtschaftsgipfel der BRICS-Staaten in der südafrikanischen Küstenstadt Durban statt. Laut Jaecke bringt das Südafrika in die Klemme – das Land könnte wohl sogar in eine "Verfassungskrise" stürzen.
Was sind die BRICS-Staaten?
Die Abkürzung steht für die ehemaligen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die sich durch hohes Wirtschaftswachstum ausgezeichnet haben.
So gilt eine Verhaftung des russischen Präsidenten auf südafrikanischen Boden laut des Experten als nahezu ausgeschlossen. Denn: Der Kreml pflegt eine gute Beziehung zum Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Der ANC gilt als die Partei des südafrikanischen Freiheitskämpfers Nelson Mandela.
ANC, Nelson Mandela, Apartheid – ein Überblick
Seit den demokratischen Wahlen in Südafrika im Jahr 1994 lenkt der Afrikanische Nationalkongress (ANC) das politische Leben des Landes. Sein bekanntestes Mitglied war Nelson Mandela, der die Apartheid (Rassentrennung) bekämpfte.
Allgemein wächst Putins Einfluss in Afrika – ob in Mali, Burkina Faso und eben an der Südspitze des afrikanischen Kontinents, in Südafrika. Dabei festigt sich zunehmend eine prorussische Haltung. Im Fall Südafrika ist diese laut Jaecke teils historisch bedingt.
Afrikanische Nationalkongress (ANC) zeigt sich kremltreu
Die südafrikanische Außenpolitik sei stark ideologisch geprägt, erklärt der Experte. Dabei spielen vor allem die noch immer engen Verbindungen zur ehemaligen UdSSR eine Rolle – begründet in der damaligen Unterstützung von Anti-Apartheid-Aktivist:innen. Als Randnotiz dazu, ergänzt Jaecke:
"Die Tatsache, dass eine Vielzahl ehemaliger Befreiungskämpfer damals in Odessa – also auf dem Staatsgebiet der heutigen Ukraine – ausgebildet wurde, wird dabei gänzlich ignoriert."
Mit der ANC kämpfte der südafrikanische Aktivist Nelson Mandela gegen die Apartheid im Land an.Bild: imago images/ZUMA Wire / ZUMA Wire
Weiter erklärt Jaecke: Politische Beobachtende sollen zudem darüber spekulieren, inwieweit hohe Parteispenden eines kremlnahen russischen Oligarchen an den ANC die Positionierung der Regierungspartei bezüglich des Krieges in der Ukraine beeinflussen.
Laut Jaecke gibt es viele Punkte, die aufzeigen: Die ANC-Regierung verfolgt eine anti-westliche und russlandfreundliche Politik. Dazu nennt er vier Beispiele:
- Bei der kürzlich erfolgten Resolution zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen UN und Europarat, in der auch die Aggression Russlands verurteilt wurde, hat sich Südafrika enthalten. Und das entgegen der BRICS-Partner China, Indien und Brasilien, die der Resolution zustimmten.
- Die offene Kritik an der "aggressiven" Nato seitens der südafrikanischen Regierung als "Auslöser" des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
- Die Teilnahme der südafrikanischen Verteidigungsministerin an einer Militärkonferenz in Moskau im August 2022.
- Während des Besuchs des russischen Außenministers Sergei Lawrow Ende Januar in Pretoria erklärte die südafrikanische Außenministerin, dass Kritik an Russland "infantil" sei – aufgrund der bisher erfolgten Waffenlieferungen des Westens.
Laut Jaecke bringt Südafrika demnach mehr Verständnis für die russische Seite als für die ukrainische auf. Wer der Angreifer in diesem Krieg sei, werde dabei ausgeblendet. Er sagt:
"Auch das mit Russland und China gemeinsam durchgeführte zehntägige Marinemanöver vor der Küste Südafrikas – welches den Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine einschloss – muss zu diesem Zeitpunkt nicht nur als pietätlos, sondern auch als klar anti-westliche Positionierung gewertet werden."
Südafrika zeigt kaum Unterstützung für die Ukraine
Die offizielle Positionierung der südafrikanischen Regierung sei eine Politik der Neutralität, erklärt der Experte. Bedeutet: Man unterstützt Russland offiziell nicht, sondern befürwortet eine friedliche Beilegung des Krieges durch Vermittlung und Verhandlung.
Bei dem Krieg in der Ukraine will Südafrika angeblich seine Neutralität bewahren.Bild: AP / LIBKOS
Dabei müsse man berücksichtigen, dass die südafrikanische Regierung in diesem Zusammenhang nicht auf die territoriale Integrität der Ukraine oder gar die Beachtung des Völkerrechts verweist. Zudem ist laut Jaecke bisher kein nennenswerter Vermittlungsversuch seitens Pretorias erfolgt. Obwohl stets betont werde, dass man eine Vermittlerrolle übernehmen wolle.
Doch diesen Worten folgen wohl nun widersprüchliche Taten: Laut "Spiegel" hatte der US-Botschafter Reuben Brigety Südafrika vorgeworfen, Russland Waffen und Munition für den Krieg in der Ukraine geliefert zu haben.
Südafrika: Statt Vermittler nun angeblich Waffenlieferant für Russland
Die USA seien sich demnach "sicher", dass Anfang Dezember an einem Marinestützpunkt in der Nähe von Kapstadt Waffen und Munition auf einen russischen Frachter geladen worden seien. "Diesen schwerwiegenden Verdacht hat die südafrikanische Regierung zurückgewiesen und eine unabhängige Untersuchung angekündigt", erklärt Jaecke.
Angeblich soll ein russischer Frachter in Kapstadt mit Waffen und Munition beladen worden sein.Bild: imago / Dmitry Makeev
Den Angreifer mit Waffen zu beliefern, würde die bereits bestehende Kluft zwischen dem Westen und Südafrika weiter vertiefen. Laut des Experten besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass die angebliche Waffenlieferung an Russland ohne offizielles Wissen der südafrikanischen Regierung stattgefunden hat. Und das, wohl bemerkt, an einem Militärhafen.
"Sollte sich dieses Szenario bewahrheiten, wäre das ein besorgniserregender Beleg für den fortschreitenden Kontrollverlust der südafrikanischen Regierung über sensible Bereiche ihres Machtmonopols", meint Jaecke.
Einer von vielen: Der südafrikanische Militärhafen bei Simonstown.Bild: imago / Christine Roth
Mittlerweile hat sich US-Botschafter Brigety bei der Regierung Südafrikas für seinen Vorwurf entschuldigt. Dennoch: Der Westen will offenbar Druck auf das Land ausüben. "Damit soll das Ziel verfolgt werden, die Regierung dazu zu bewegen, wieder einen Kurs der 'wirklichen Neutralität' einzuschlagen und von Moskau abzurücken", meint Jaecke.
Und wie kommt Südafrika nun aus dem Dilemma heraus, wenn Putin das Land zum BRICS-Gipfel im August besuchen will?
Südafrika bleiben einige Optionen
Laut Jaecke könnte Südafrika vorher aus dem Statut des Strafgerichtshofs austreten. Dies wurde laut ihm sogar seitens des ANC öffentlich mitgeteilt, kurze Zeit später aber als "Kommunikationsfehler" deklariert und zurückgezogen.
Rechtlich würde der Austritt erst mit einer Frist von zwölf Monaten greifen, erklärt Jaecke. Bis zum Gipfel im August müsste also eine andere Lösung her. Und die könnte "digital" heißen. Demnach habe Südafrika die Option, die gesamte Veranstaltung einfach online stattfinden zu lassen.
2022 fand der BRICS-Gipfel in China online aufgrund strenger Corona-Maßnahmen statt. Bild: dpa / Yin Gang
"Denkbar wäre natürlich auch, dass nur Putin online dazu geschaltet wird", meint Jaecke. Aber ob ihm das gefallen würde, ist eine andere Frage.
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.