Robert Hanssen ist tot. Er verstarb am Montag, nachdem er über 20 Jahre in einem Gefängnis in Florence, Colorado, eingesessen hatte, im Alter von 79 Jahren. Wieso Hanssen im Gefängnis saß und das interessant ist? Nun, Hanssen war der für die USA vielleicht schädlichste russische Spion, den es jemals gegeben hat.
16 Jahre lang gab der FBI-Agent geheimste US-Informationen an den großen Erzfeind weiter, sowohl während des Kalten Krieges als auch danach. Er kassierte dafür Millionen von den Russen, war für die Hinrichtung von mindestens zwei US-Quellen in Russland verantwortlich und lebte lange Zeit unbescholten – ehe ihm rund 300 ermittelnde US-Geheimdienstler gemeinsam auf die Schliche kamen und ihm den Hochverrat nachweisen konnten.
1944 in Chicago geboren, lernte Hanssen am College Russisch und schloss dieses 1966 mit einem Bachelor in Chemie ab. Wenig begeistert von den Möglichkeiten, die ihm dieser Abschluss bot, begann Hanssen nach weiteren universitären Ausbildungen, unter anderem in Buchhaltung, für eine Treuhandfirma zu arbeiten. Auch dort hielt er es nicht lange aus, bereits ein Jahr später kündigte er und trat in den Dienst der Chicagoer Polizei ein, wo er für interne Ermittlungen und forensische Buchhaltung eingesetzt wurde.
Im Jahr 1976 wechselte er dann zum FBI, wie die BBC schreibt. Einige Jahre lang tat er dies gewissenhaft. Doch dann entschied er sich, sein eigenes Land zu hintergehen. Bereits 1979 bot er dem russischen Geheimdienst seine Dienste an. Ab 1985 verriet Hanssen dann regelmäßig geheime Informationen an den russischen Geheimdienst KGB und an den Militärgeheimdienst GRU.
Hanssen nutzte Spionagetechniken der alten Schule – mit ein Grund, weshalb er so lange Zeit unbescholten schalten und walten konnte. Mit sogenannten "Dead Drops", auch bekannt als "tote Briefkästen", hinterließ er russischen Informanten in den USA Unmengen an sensiblen Informationen. Dabei setzte er stets auf physische Dokumente und verzichtete auf Digitales. Hanssen operierte vor allem in den Vorstädten von Virginia und Washington, D.C.
Die FBI-Vorgesetzten Hanssens hatten während langer Zeit keine Ahnung, was für ein perfides Doppelleben ihr Agent führte. Unter dem Pseudonym "Ramon Garcia" kommunizierte er während insgesamt 16 Jahren, sowohl vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion als auch danach, mit den Russen.
Unter anderem verriet er dem US-Erzfeind, wie die Russen mit einem geheimen Tunnel in Washington abgehört werden, oder er verriet US-Quellen in Russland, die verhaftet und in mindestens zwei Fällen hingerichtet wurden. Auch über den Informationsstand des US-Geheimdienstes über sowjetische Aktivitäten unterrichtete er seine russischen Arbeitgeber.
Den Verdacht, dass es einen Maulwurf in den eigenen Reihen geben könnte, hegten verschiedene US-Geheimdienstmitarbeiter seit den frühen 90ern. Doch es dauerte Jahre, bis Hanssen letztlich identifiziert wurde. Dass es so lange ging, hing einerseits mit dem Versagen verschiedener Kontrollmechanismen in den US-Behörden zusammen, andererseits mit der hohen Sorgfalt, mit der Hanssen seine Informationen überbrachte.
Zum Verhängnis wurde dem Spion dann ironischerweise ein Amtskollege. Ein russischer Agent erhielt ein Dossier über "Ramon Garcia". Äußerst ungünstig für Hanssen, dass dieser Agent seine Vorliebe für Landesverrat teilte – und gleichzeitig für die USA arbeitete. In dem Dossier war ein aufgezeichnetes Telefongespräch, das Hanssen mit seinen russischen Ansprechpartnern geführt hatte, zudem konnten seine Fingerabdrücke identifiziert werden.
Bereits im November 2000 wussten die Ermittler, was Hanssen tat. Doch es galt zuerst handfeste Beweise zu finden. Das FBI tat dies, indem es den Verräter vermeintlich beförderte – ein Scheinjob, der es den Ermittlern ermöglichte, ihn pausenlos zu überwachen. Als seine direkten Vorgesetzten und Assistenten wurden extra in die Vorgänge eingeweihte Ermittler eingesetzt. Unter anderem der damals erst 26-jährige Undercover-Agent Eric O'Neill, der sein persönlicher Assistent wurde.
Innerhalb des FBI wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings nur ein Bruchteil der Angestellten, dass der "schädlichste Spion in der Geschichte der Behörde" inmitten ihrer Reihen saß. "Das war eines der bedeutendsten Ereignisse in meinem Leben, als ich in relativ jungem Alter verdeckt ermittelte und gegen den schädlichsten Spion in der Geschichte der USA antrat", sagte O'Neill, der sich während der Ermittlungen mit Hanssen gar anfreundete, insgeheim aber gegen ihn arbeitete.
O'Neill und die anderen Ermittler warteten geduldig darauf, dass Hanssen einen weiteren "Dead Drop" versuchte. Im Februar 2001 war es so weit: Hanssen wurde in flagranti erwischt, verhaftet und wegen Spionage und Hochverrat angeklagt. Er gestand vor Gericht ohne zu zögern seine Schuld ein und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Darüber gibt es verschiedene Theorien. Hanssen selbst gab im Gerichtsprozess an, dass es ihm einzig um die finanziellen Anreize ging – er soll von den Russen insgesamt 1,4 Millionen Dollar, teils in Bargeld, teils in Diamanten, erhalten haben. Die Ermittelnden, die gegen ihn arbeiteten, vermuteten aber noch andere Motive hinter Hanssens Verhalten. Unter anderem sein riesiges Ego und seine persönliche Befriedigung. Einer der Ermittler sagte gegenüber der BBC: "Er fühlte sich als Gott und gefiel sich bei der Vorstellung, dass er die Vereinigten Staaten und Russland kontrolliert."
Wie sich später herausstellte, fand Hanssen nicht nur beruflich Gefallen daran, ein doppeltes Spiel zu spielen. So soll er privat trotz Ehe zahlreiche Affären gehabt haben.
Am Montag ist Hanssen nun 79-jährig im Hochsicherheitsgefängnis in Florence, Colorado, offiziellen Angaben zufolge eines natürlichen Todes gestorben.