Aus der deutschen Pop-Kultur ist Cannabis nicht wegzudenken. SXTN singen über das "Bongzimmer", Ufo361 rappt übers "Fliegen" der Seele im Drogenrausch. Der Konsum von Gras ist bisher aber verboten. Die Ampel möchte daran etwas verändern: Cannabis zu Genusszwecken soll legalisiert werden.
Wann genau das passiert, ist bisher unklar. Denn der deutsche Gesetzgebungsprozess hängt gerade auf EU-Ebene fest. Ohne das Go der EU-Kommission würde die Umsetzung des Koalitionsversprechens sehr viel schwieriger.
Legalisiert Deutschland Cannabis ohne die Zustimmung der EU, und entgegen des geltenden EU-Rechts, könnte es zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommen. Und das will natürlich niemand.
Die Legalisierung könnte sich also noch ein bisschen ziehen – aber sind deutsche Produzenten überhaupt bereit, den Cannabisbedarf hier im Land zu stillen? Darüber hat watson mit Lars Möhring von der Firma "Enua" gesprochen. Enua ist ein Großhändler für medizinisches Cannabis und importiert die Blüten aus Kanada und den Niederlanden.
"Im vergangenen Jahr haben wir branchenweit 20,6 Tonnen importiert", sagt Möhring. Dabei handelt es sich um Cannabis für rein medizinische Zwecke. Import und Verkauf dieses Produktes sind seit 2017 legal. Das klingt erstmal viel, wird die künftige Nachfrage aber nicht decken können.
Der deutsche Markt, meint Möhring, ist im Vergleich zu anderen Märkten noch sehr klein. Er geht davon aus, dass längerfristig knapp ein Prozent der deutschen Bevölkerung auf eine Therapie mit medizinischem Cannabis zurückgreifen werden. Das wären bei einer Bevölkerung von 80 Millionen knapp 800.000 Menschen.
Eine Studie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf rechnet mit einem Gesamtbedarf in Deutschland, der zwischen 380 und 420 Tonnen im Jahr liegt. Es wird davon ausgegangen, dass sich bereits heute vier bis fünf Millionen Nutzer:innen auf dem Schwarzmarkt versorgen. Konkret heißt das: Kommt die Legalisierung, steigt der Bedarf an kommerziellem Cannabis extrem an. Bisher wird dieser vom Schwarzmarkt gedeckt.
Ein Problem gibt es außerdem mit den aktuellen Plänen: Das Eckpunkte-Papier, das die Grundlage des Gesetzentwurfs bilden dürfte, sieht vor, dass das in Deutschland verkaufte Cannabis auch hier produziert werden muss. Bisher wird das meiste legal verkaufte Cannabis importiert. Nur drei Unternehmen haben die Berechtigung, selbst in Deutschland anzupflanzen: Demecan, Tilray, Aurora.
Die Unternehmen, meint Möhring, produzierten aktuell jeweils knapp 2,6 Tonnen im Jahr in Deutschland. "Das steuert beim medizinischen Markt einen wichtigen Bruchteil zu, reicht aber bei weitem nicht, um den legalisierten Freizeitmarkt abdecken zu können", ordnet Möhring ein. Die Unternehmen hätten zwar die Möglichkeit, ihre Produktion hochzufahren. Aber auch dann, meint der Experte, sprächen wir von rund zehn Tonnen. Mindestens 370 Tonnen würden also auch dann noch fehlen.
"Es besteht also eine gewisse Diskrepanz, die es zu lösen gilt", stellt Möhring fest. Wenn die restliche Menge, die im Fall einer Legalisierung benötigt würde, nicht importiert werden darf, braucht die Industrie zumindest Vorlauf, sagt Möhring. Er führt aus:
Was es also brauche: Konkrete Angaben des Gesetzgebers, wie die Produktionsstätten aussehen müssen und wie genau das Vergabeverfahren der Lizenzen ablaufen wird. Laut Eckpunkte-Papier sollen nämlich lizenzierte Händler:innen für den Cannabisvertrieb zuständig sein. Das Gras soll dann in lizenzierten Shops erhältlich sein. Hintergrund der Legalisierung sind vor allem Gesundheits- und Jugendschutz. Aus diesem Grund soll zum Beispiel auch auf eine adäquate Beratung geachtet werden.
Am Beispiel von anderen Ländern, etwa Kanada, könne man bereits sehen, dass es möglich ist, den Bedarf mit inländischer Produktion zu decken. "Dort wird sogar so viel produziert, dass sie gleichzeitig eine starke Exportnation sind. 2021 musste Kanada sogar 400 Tonnen Cannabis zerstören, weil es nicht verkauft wurde", sagt Möhring. Mit klaren Regelungen und Investitionen sei es also möglich, zu produzieren. "Aber stand heute fehlen uns hier diese Vorgaben", bemängelt er.
Natürlich: Diese Masse an Cannabis braucht Fläche. Möhring kann deshalb nicht einschätzen, ob es überhaupt möglich ist, die benötigten 380 bis 420 Tonnen in Deutschland wachsen zu lassen. Prinzipiell aber könnten leerstehende Industriehallen, Gewächshäuser oder auch Indoor-Bunker genutzt werden. Er stellt aber auch klar, welches Szenario er sich für die Legalisierung gewünscht hätte.
"Für uns wäre es leichter gewesen, die Importe hochzufahren", sagt Möhring. Am Beispiel Kanada sei außerdem zu erkennen, dass es sehr wohl Länder mit Überproduktion gibt. Diese Menge könnte aus Sicht von Möhring genutzt werden. Aber nur dann, wenn die EU-rechtlichen Bedenken ausgeräumt werden können.
Denn: Das Schengenabkommen verpflichtet die Mitgliedstaaten, die unerlaubte Ausfuhr und Abgabe von Suchtstoffen (Cannabis inklusive) unter Strafe zu stellen. Ein weiterer EU-Rahmenbeschluss schreibt vor, dass Herstellung, Anbau, Verkauf, Transport oder Ein- und Ausfuhr von Drogen strafrechtlich verfolgt werden müssen.