Die Wut kochte am Montagabend bei vielen Gegendemonstranten in den Sozialen Medien hoch. Die Polizei ließe Neonazis in Chemnitz frei auf den Straßen marodieren, hieß es. Hitlergrüße und staatsfeindliche Akte würden nicht geahndet. Die Gegendemonstranten würden von den Beamten feindlicher betrachtet, als die Rechtsextremisten selbst.
Einen Tag später fragen wir: Wo lag eigentlich genau der Fehler?
Fragt man bei Polizei-Experten nach, wird die generelle Strategie bei Großeinsätzen schnell klar:
Die Polizei in Sachsen gab noch am Abend zu, man sei mit zu wenigen Beamten vor Ort gewesen. Ein solch klares Fehler-Eingeständnis hat es nach den Ausschreitungen zum G20-Gipfel so nicht gegeben.
Dennoch hagelt es gerade Kritik auf die Beamten.
"Das ist ein schlechtes Zeichen für den starken Rechtsstaat", sagte etwa der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem Handelsblatt.
"Hier müssen die Konzepte nachgebessert werden, damit sich derartige
Ereignisse nicht wiederholen."
watson hat mit dem Polizeisoziologen Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg über das "Konzept der Polizei Chemnitz" gesprochen.
Er weist darauf hin, dass jeder Einsatzleiter andere Taktiken anwende und man deshalb keine generelle Aussagen über "Fehler" treffen könne. Behr fordert genau aus diesem Grund aber mehr Transparenz der leitenden Beamten.
In Behrs Augen bringt es dabei nichts, den Polizisten sofort die komplette Schuld an den Geschehnissen von Chemnitz zuzuschieben. Vor allem der Vorwurf, viele der Beamten sympathisierten mit Rechtsextremisten, könne man so nicht stehen lassen.
Um diese Fehler auszumachen und zu beheben, müsse man die richtigen Fragen stellen. "Wie verlief die Aufklärung und Beratung der Einsatzleiter durch den Staatsschutz? Wurde alles Wissen über den Aufmarsch korrekt weitergegeben, oder blieb es irgendwo hängen?"
Nur aus einer Fülle an Detail-Informationen ließe sich der Polizeieinsatz von Chemnitz ordentlich zusammensetzen. Schnelle Urteile würden niemand helfen, sagt Behr.