"Ein Parteiausschlussverfahren ist heute kein Thema gewesen im Bundesvorstand." Mit diesem Satz beendete CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am vergangenen Montag die Debatte um ein mögliches Verfahren gegen den Bundestagskandidaten der CDU und ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen.
Dieser hatte in einem viel kritisierten Interview einen Gesinnungstest für Journalisten gefordert und von einem Untersuchungsausschuss gegen den Norddeutschen Rundfunk gesprochen, der seiner Ansicht nach Verbindungen zur linksextremen Szene unterhält. Im Nachhinein war Maaßen zurückgerudert und erklärte in einem längeren Tweet, dass er die Freiheit der Presse selbstverständlich achte. Aber es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass der ehemalige Verfassungsschützer gezielt provoziert und damit auch seiner Partei einigen Schaden zugefügt hat.
Als Reaktion auf Maaßens Äußerungen hatte unter anderem Ruprecht Polenz, ehemaliger Generalsekretär der CDU und Bundestagsabgeordneter, Maaßens Parteiausschluss gefordert. Aber nicht nur in der CDU weiß man, dass ein Parteiausschluss eine schwierige Angelegenheit ist. Die Beispiele von Thilo Sarrazin bei der SPD, aber auch Boris Palmer bei den Grünen, zeigen nicht zuletzt, dass ein Ausschlussverfahren lange dauern und im Zweifel auch mehrfach scheitern kann. Kein Wunder, dass bei der CDU-Spitze wenig Enthusiasmus für einen Parteiausschluss von Maaßen herrscht.
Allerdings bietet sich noch eine weitere Möglichkeit für die CDU, sich vom "schwarzen Schaf" der Partei, wie Maaßen von einem CSU-Bundestagsabgeordneten gegenüber watson zuletzt genannt wurde, zu distanzieren – und das deutlich leichter als bei einem langwierigen und unsicheren Parteiausschlussverfahren. Sollte Maaßen diesen Herbst tatsächlich in den Bundestag gewählt werden, könnte die Unionsfraktion beschließen, ihn nicht in der Fraktion aufzunehmen. Hierfür müsste sie lediglich mit einer Mehrheit von zwei Dritteln für seinen Rauswurf aus der Fraktion stimmen. So heißt es in der Geschäftsordnung der Unionsfraktion wörtlich:
Eine Mehrheit von zwei Dritteln scheint angesichts der vielen kritischen Reaktionen, die Hans-Georg Maaßen auf seine jüngsten Äußerungen erhalten hat, nicht unrealistisch. Zumindest zeigt das Stimmungsbild, das watson nach einer Umfrage von Unionsabgeordneten erhalten hat, dass die absolute Mehrzahl der Abgeordneten, die sich gegenüber watson äußern wollten, Maaßens jüngste Äußerungen ablehnt.
Eine harmonische Zusammenarbeit der anderen Fraktionsmitglieder ist mit Maaßen schwer vorstellbar. Gut möglich, dass die Unionsfraktion daher hinter den Kulissen bereits Möglichkeiten durchgeht, Maaßen im Notfall loszuwerden.
Den Äußerungen einiger Unionsabgeordneter zufolge wisse man dort nicht, wie man sonst mit dem Störenfried zukünftig zusammenarbeiten soll.
Gegen einen Fraktionsausschluss Maaßens spricht, dass sich die Unionsfraktion damit selbst einer Stimme berauben würde und das könnte zum Problem werden: Den aktuellen Umfrageergebnissen zufolge scheint eine schwierige Regierungsbildung im Herbst bevorzustehen. Bei möglichen Dreierkonstellationen oder auch einer schwarz-grünen Regierung könnte es sein, dass die Union auf jede Stimme und jeden Sitz angewiesen ist, um eine stabile Regierungsmehrheit hinzubekommen.
Letztlich wäre Maaßen aber für eine Regierungsbildung mit Grünen oder SPD eher ein Störfaktor als eine Hilfe. Seinen jüngsten Äußerungen zufolge ist es eher unwahrscheinlich, dass er sich dem Fraktionszwang unterwerfen und im Zweifel auch für Gesetzesvorhaben eines möglichen grünen Koalitionspartners oder der SPD stimmen wird.
Bleibt noch die Frage, ob die Abgeordneten der Union so kurz nach einer Wahl einem Ausschluss eines ihrer Mitglieder zustimmen würden. Da auch einige Abgeordnete der Union neu in den Bundestag kommen werden, wird deren Abstimmungsverhalten unsicher sein. Ein gescheiterter Fraktionsausschluss wäre wiederum eine herbe Niederlage für die gemäßigten Kräfte innerhalb der CDU und der Parteiführung und eine Niederlage könnte sich die Fraktionsführung im Kräftemessen gegen Hans-Georg Maaßen nicht erlauben.
Und dann kann es natürlich noch sein, dass Maaßen gar nicht Teil des neuen Bundestages wird. Letztlich bleibt für einen Großteil der Unionsfraktion zu hoffen, dass Maaßen von seinem Gegenkandidaten der SPD, dem ehemaligen Biathleten Frank Ullrich, bei den Erststimmen überholt wird. Dann würde sicher auch die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten der anderen Parteien ruhiger schlafen.