Donald Trump und sein Haus- und Hofsender Fox News haben turbulente Jahre hinter sich.Bild: AP / Alex Brandon
Analyse
Der Ex-Präsident will nicht bei der ersten Vorwahldebatte beim ehemaligen Haussender mitmachen. Ein Tiefpunkt eines jahrelangen Beziehungsdramas.
Philipp Löpfe / watson.ch
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Scheidungen noch nicht salonfähig. Filme, welche die verlogene Fassade der bürgerlichen Ehe einrissen, lagen daher voll im Trend. Die bekanntesten Beispiele sind "Szenen einer Ehe" des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman oder das Theaterstück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" von Eward Albee.
Donald Trump und Fox News führen seit Jahren eine politische Ehe. Sie ist nicht weniger stürmisch als die Ehedramen auf der Bühne und den Leinwänden in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Einen neuen Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt hat die Beziehung des Ex-Präsidenten zu seinem zeitweiligen Hofsender in diesen Tagen erreicht: Trump weigert sich anscheinend, an der ersten Vorwahldebatte der republikanischen Präsidentschaftsanwärter teilzunehmen. Diese wird am kommenden Mittwoch auf Fox News ausgestrahlt.
Donald Trump bei einer TV-Debatte 2016 mit unter anderem dem Republikaner Marc Rubio. Bild: AP / Wilfredo Lee
Im Wahlkampf 2016 war das Verhältnis zwischen Trump und dem Sender noch zwiespältig. Wie die meisten Polit-Beobachter:innen betrachteten die Verantwortlichen des Murdoch-Senders Trumps Kandidatur zunächst als eine Art Witz und schätzten seine Aussichten auf Erfolg als minimal ein. Daher wurde er bei den Vorwahldebatten auch hart angefasst. Die damalige Star-Moderatorin Megyn Kelly machte ihn auf sein – milde ausgedrückt – nicht gerade höfliches Verhalten gegenüber Frauen aufmerksam. Trump geriet darob derart in Rage, dass er nicht nur Kelly übel beschimpfte, sondern sich weigerte, an der zweiten Debatte mitzutun.
Fox News schwenkt nach ersten Erfolgen auf Trump um
Als sich Trumps unaufhaltsamer Aufstieg deutlich abzuzeichnen begann, änderte man bei Fox News den Kurs und einigte sich mit ihm. Ja, man tat weit mehr. Moderatoren wie Sean Hannity wurden nun zu Speichelleckern. (Es gäbe noch drastischere Ausdrücke, aber lassen wir das.) Die unterwürfige Haltung gegenüber Trump steigerte sich noch, als dieser ins Weiße Haus einzog. Fox News wurde definitiv zu einem Trump-Propaganda-Sender. Der Präsident konnte sich etwa jederzeit in die beliebte Morgensendung Fox & Friends einschalten und eine halbe Stunde lang Banalitäten absondern. Er soll auch fast täglich mit Sean Hannity telefoniert haben.
Sean Hannity bot Donald Trump bei Fox News immer bereitwillig eine Bühne.Bild: Invision / Evan Agostini
Das änderte sich mit den Wahlen 2020. Die Nachrichtenabteilung von Fox News – sie weist im Gegensatz zu den Meinungs-Moderatoren noch Spuren von journalistischem Bewusstsein auf – meldete als erste TV-Station den Sieg von Joe Biden im Bundesstaat Arizona. Weil dies de facto einem Gesamtsieg von Biden gleichkam, rastete Trump aus. Sein Schwiegersohn Jared Kushner soll gar Rupert Murdoch persönlich angerufen und von ihm verlangt haben, die Meldung rückgängig zu machen. Vergeblich. Trump beschimpfte derweil Fox News und rief seine Anhänger auf, zur Konkurrenz von Newsmax und One America zu wechseln.
Mit den Monaten pendelte sich das Verhältnis zwischen den beiden wieder ein. Doch nach den Zwischenwahlen 2022 krachte es erneut. Trump hatte mehrere, teils idiotische Bewerber der Grand Old Party (GOP) unterstützt – erinnert ihr euch noch an Herschel Walker oder Dr. Oz? – und damit eine "rote Welle", einen Erdrutsch-Sieg der Republikaner verhindert.
Selbst bei Fox News konnte man diese Tatsache nicht einfach unter den Teppich kehren. Die Beziehung zu Trump kühlte sich merklich ab. Mit dem Segen von Rupert Murdoch wurde nun Ron DeSantis als Gegenkandidat aufgebaut. Dieser hatte die Gouverneurswahlen in Florida überzeugend gewonnen und war so zum neuen Hoffnungsträger der GOP geworden.
Die Tatsache, dass die kritiklose Unterstützung für Trumps Big Lie Fox News in einem Prozess mit dem Wahlmaschinenhersteller Dominion die Summe von 787 Millionen Dollar gekostet hatte, verbesserte das Verhältnis der beiden nicht wirklich. Als auch noch bekannt wurde, dass verschiedene Star-Moderatoren Trump in privaten E-Mails aufs Übelste beschimpft hatten – Tucker Carlson schrieb gar, er hasse ihn zutiefst und innig –, hing der Haussegen erneut sehr schief.
Donald Trump und Fox-News-Moderator Tucker Carlson.Bild: AP / Seth Wenig
Fox News verzockt sich mit DeSantis
Die DeSantis-Rechnung scheint jedoch für Fox News nicht aufzugehen. Der Gouverneur aus Florida hat es bereits vermasselt. In den Umfragen liegt er mittlerweile meilenweit hinter Trump zurück. Er hat nicht nur ein "Beliebtheits-Problem", er beginnt auch, Anfängerfehler zu machen. So hat er kürzlich die Anhänger von Trump als "listless vessels" (blinde Schafe) bezeichnet. Das Trump-Team hat prompt reagiert und sofort Vergleiche zu Hillary Clintons missratener Formulierung vom "basket of deplorables" (Haufen von Bedauerlichen) gezogen.
Trump seinerseits will nun seine Rechnung mit Fox News begleichen. Er zeigt dem Murdoch-Sender den Mittelfinger und weigert sich, an der Vorwahldebatte mitzutun. Das ist ungefähr so, wie wenn die Rolling Stones ohne Mick Jagger auftreten würden. Der Prestige- und der finanzielle Schaden für Fox News dürfte beträchtlich sein.
Schlimmer noch: Trump hat angedeutet, während der Debatte ein bereits aufgezeichnetes Interview mit Tucker Carlson auf Twitter – sorry: X – auszustrahlen. Ausgerechnet mit Carlson. Dieser wurde von Fox News überraschend gefeuert, weil das finanzielle Risiko nicht mehr tragbar war. Auch der ehemalige Fox-News-Star brennt darauf, es seinem Sender heimzuzahlen.
Der Republikaner Ron DeSantis ist in den Umfragen abgestürzt.Bild: AP / Jeff Roberson
Trump will Fox News die Show stehlen
Trump wird möglicherweise gar noch eine Schippe nachlegen. Gerüchteweise will er sich am kommenden Donnerstag beim Gefängnis in Fulton County im Bundesstaat Georgia stellen. Dort hat die zuständige Staatsanwältin die vierte Anklage gegen den Ex-Präsidenten eingereicht. Sollte sich dieses Gerücht bewahrheiten, dann wird die Debatte auf Fox News endgültig zu einer Nebensache degradiert werden. Alle Augen, respektive alle Kameras, werden dann auf das Trump-Spektakel in Georgia gerichtet sein.
Trump will seine Rachegefühle ausleben, doch er könnte damit auch ein Eigentor erzielen. Nicht nur Fox News, sondern auch der Ex-Präsident hat von der symbiotischen Beziehung profitiert. Auch beim Murdoch-Sender dürfte es daher jede Menge verletzter Egos geben und Trump hat mit seinem Verhalten ebenfalls eine große Rechnung aufgemacht, die darauf wartet, beglichen zu werden.
Dazu kommt, dass die Debattenverweigerung alles andere als staatsmännisch wirkt. So stuft es Michelle Cottle in der "New York Times" als "kindisch und bedürftig" ein und spekuliert, dass Trump schlicht nicht mehr in der Lage sei, sich einer ordentlichen Debatte zu stellen.
Nicht bei allen kommt Trumps Rachefeldzug gegen Fox News gut an.Bild: AP / Charlie Neibergall
Trump-Weigerung könnte sich rächen
Gleichzeitig macht der Ex-Präsident das Fenster für seine Rivalen weit auf. Das könnte sich rächen. Sein Vorsprung in den nationalen Meinungsumfragen ist zwar beträchtlich, doch diese Umfragen sind weitgehend bedeutungslos. Entscheidend werden die ersten Resultate der Vorwahlen in den Bundesstaaten sein, und da sieht es für Trump nicht so gut aus. In Iowa und New Hampshire sind seine Werte schlecht.
Ron DeSantis dürfte davon kaum profitieren. Doch mit Vivek Ramaswany zeichnet sich ein Überraschungskandidat ab. Sollte zudem Glenn Youngkin, der Gouverneur von Virginia, doch noch einsteigen, dann könnte es für Trump plötzlich eng werden. Vielleicht kriecht er dann bei Fox News wieder zu Kreuze und läutet so eine neue Episode der krisengeschüttelten Polit-Ehe ein.
Sie sind prägende Gesichter der US-Politik: Senator:innen und Gouverneur:innen. Sie haben Macht, sie haben Öffentlichkeit und sie haben ein Amt inne, das als Sprungbrett ins Weiße Haus dienen kann.