Mehr Männer, weniger Frauen – auch in der Politik ist das noch häufig so.Bild: www.imago-images.de / Christian Spicker
Deutschland
In vielen deutschen Firmen sitzt in den Vorstandsetagen keine einzige Frau. Das soll sich nach dem Willen der Koalition bei großen Unternehmen ändern. Oppositionspolitiker sind von den Plänen wenig begeistert – aus sehr unterschiedlichen Gründen.
21.11.2020, 16:4022.11.2020, 13:28
Die grundsätzliche Einigung der schwarz-roten
Koalition auf eine verpflichtende Frauenquote für
Unternehmensvorstände stößt bei Oppositionsvertretern auf Kritik. Die
Sprecherin für Frauenpolitik der Grünen im Bundestag, Ulle Schauws,
findet das Vorhaben zu zaghaft. "Es wird höchste Zeit, dass eine
verbindliche Frauenquote in Vorständen eingeführt wird", sagte die
Bundestagsabgeordnete laut einer Mitteilung vom Samstag. "Leider kann
das, was SPD und Union jetzt vollmundig als Quote für Vorstände
ankündigen, höchstens als Mindestbeteiligung bezeichnet werden. Mehr
ist es nicht."
Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik der Grünen im Bundestag, kritisiert den Beschluss der Koalition. Bild: www.imago-images.de / Christian Spicker
Die schwarz-rote Koalition hatte sich am Freitagabend grundsätzlich
auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen geeinigt. In
Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen
mit mehr als drei Mitgliedern muss demnach künftig ein Mitglied eine
Frau sein. Der Kompromiss soll in der kommenden Woche den
Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach von einem "großen
Erfolg für die Frauen in Deutschland" und Staatsministerin Annette
Widmann-Mauz (CDU) sagte, der Bund gehe auf dem Weg zu mehr Frauen an
der Spitze mit gutem Beispiel voran.
"Bestenfalls eine 'Eine-Frau-Quote'"
Grünen-Politikerin Schauws ist da weit weniger euphorisch. Anders als
bei einer richtigen Quote erhöhe sich die Zahl der Frauen in größeren
Vorständen nicht automatisch, kritisierte sie. "Das ist zu wenig."
Zudem werde die Regel den Plänen zufolge nur für rund 70 Unternehmen
gelten. "Wir hätten uns von der Koalition gewünscht, mutiger voran zu
gehen. (...) Der Vorschlag der Koalition ist ein kleiner Schritt. Ein
Meilenstein wäre aber nötig."
Linken-Politikerin Doris Achelwilm sprach von einer "Mikro-Version"
der Frauenquote, die viel zu kurz greife. "Es steht zu befürchten,
dass es in der Praxis bestenfalls bei dieser Eine-Frau-Quote bleibt,
egal, wie groß der Vorstand ist", sagte die Fraktionssprecherin für
Gleichstellungs-, Queer- und Medienpolitik. Da die Vorgabe nur für
einen begrenzten Kreis von Unternehmen gelten solle, "bleibt die
Wirkung deutlich geringer, als sie 2020 und angesichts der
Nachholbedarfe Deutschlands im internationalen Vergleich sein
müsste."
AfD und FDP lehnen Vorhaben ab – und kritisieren SPD
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Bettina
Stark-Watzinger, kritisierte dagegen die Verbindlichkeit der
Vorgaben. "Ich finde, bevor die Bundesregierung Unternehmen zu etwas
zwingt, sollte sie erst selbst mit gutem Beispiel voran gehen", sagte
die Politikerin. "Solange es im roten Finanzministerium keine einzige
beamtete Staatssekretärin gibt, sollte die SPD nicht etwas
durchsetzen, woran sie selbst sich nicht hält."
Bettina Stark-Watzinger: SPD ist kein Vorbild.Bild: imago stock&people / photothek
Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, hält die
Einigung für einen "Schlag ins Gesicht für alle Frauen, die aufgrund
eigener Leistung und Qualifikation Karriere machen." Die Quote stelle
erfolgreiche Frauen unter Generalverdacht, ihre beruflichen Ziele
anders nicht erreichen zu können, sagte Weidel. "Für Unternehmen, die
oft schlicht nicht genügend geeignete Bewerberinnen finden können,
ist diese bevormundende staatliche Einmischung eine Zumutung."
Wissenschaft begrüßt den Vorstoß
Aus der Wissenschaft gibt es dazu andere Töne. Der Präsident des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel
Fratzscher, geht davon aus, dass auch die Unternehmen letztlich von
der Vorgabe profitieren werden – "denn viele Studien zeigen, dass
diverse Vorstände erfolgreicher sein können, vor allem um die
wichtige Transformation der deutschen Wirtschaft voranzubringen",
sagte er dem "Handelsblatt".
Der Ökonom begrüßt die Einigung vom Freitagabend. "Eine Frauenquote
für Vorstände bei größeren Unternehmen ist ein wichtiger Schritt auf
dem Weg zur Gleichstellung und Chancengleichheit in Deutschland."
Zwar sei dies nur ein kleiner Schritt, "dieser ist jedoch von hoher
Signalwirkung, da er große Unternehmen zwingt, deutlich mehr als
bisher für die Gleichstellung und Chancengleichheit zu tun."
(lau/dpa)
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