Als damaliger Finanzminister stellte sich Olaf Scholz (SPD) im September 2021 den Fragen zur Durchsuchung seines Ministeriums im Zusammenhang mit Geldwäsche-Ermittlungen.Bild: dpa / Carsten Koall
Deutschland
11.02.2022, 18:5112.02.2022, 08:50
Keine drei Wochen vor der Bundestagswahl hatten die Bundesministerien für Justiz und Finanzen Ermittler im Haus. Staatsanwälte aus Osnabrück wollten Dokumente sichern, weil sie gegen Mitarbeiter der Anti-Geldwäsche-Spezialeinheit FIU ermittelten, die dem Finanzministerium zugeordnet ist. Die Ermittler wollten herausfinden, ob es stimmt, dass die FIU Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei gemeldet hatte.
Die Durchsuchungen in den Diensträumen und Archiven der beiden Ministerien waren schon damals umstritten. Kritiker vermuteten ein Wahlkampfmanöver. Weil sie kurz vor der Bundestagswahl 2021 stattfanden und der zuständige Staatsanwalt, sowie weitere an der Anordnung der Durchsuchung beteiligte Personen alle CDU-Mitglieder sind, stand der Verdacht im Raum, dass die Razzien politisch motiviert waren, um der politischen Konkurrenz, der SPD, die damals beide Ministerien hielt, zu schaden. Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz war damals Finanzminister – und SPD-Kanzlerkandidat.
Staatsanwaltschaft hatte laut Gericht das gesuchte Schreiben schon
Inwiefern das stimmt, ist noch immer nicht geklärt. Dass die Untersuchungen rechtswidrig waren, allerdings schon. Denn genau das hat jetzt das Landgericht Osnabrück entschieden. Nicht zulässig und nicht erforderlich, so lautet das Urteil der Richter. Weder sei damals die Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten gewesen, noch habe eine besondere Dringlichkeit bestanden. Zudem seien das gesuchte Schreiben und weitere Beweismittel schon seit einer früheren Durchsuchung im Juli 2020 Teil der Ermittlungsakten gewesen.
Die Auswirkungen der Razzia hätten außerdem nicht im Verhältnis zur Stärke des Verdachts gestanden, hieß es weiter. Es habe keine Anhaltspunkte für Fehlverhalten im Justizministerium gegeben. Das Ministerium trotzdem dem Verdacht auszusetzen, sich nicht rechtstreu zu verhalten, sei daher geeignet, "dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Institutionen einen nicht unbeachtlichen Schaden zuzufügen".
Bei den Durchsuchungen im September ging es um Vorwürfe gegenüber der Financial Inteligence Unit, die Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei gemeldet haben soll . Bild: dpa / Henning Kaiser
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück wies diesen Vorwurf von sich und widersprach dem Urteil. Die Annahme des Landgerichts stimme nicht, dass alle sichergestellten Unterlagen zum Zeitpunkt der Durchsuchung bereits vorgelegen hätten. Wegen des möglicherweise zu erwartenden Wechsels von Mitarbeitern in den Ministerien aufgrund der Bundestagswahl ging die Staatsanwaltschaft Osnabrück zudem von "einem möglichen Beweismittelverlust" aus.
Eine Annahme, die vom Landgericht Osnabrück aufgrund "bestehender Vorschriften der Aktenordnung als eher unwahrscheinlich" eingestuft wurde. Eine Einschätzung, die auch eine Sprecherin des aktuellen Justizministeriums – das seit Dezember FDP-Politiker Marco Buschmann leitet – gegenüber watson teilt.
Ministerien geben keine Statements zu möglichem Wahlkampfmanöver ab
Zu den im Raum stehenden Vorwürfen, nach denen die Razzien politisch motiviert waren, wollte sich die Ministeriumssprecherin nicht äußern. "Die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen wurde festgestellt, damit ist alles gesagt." Vom Finanzministerium hieß es lediglich, man werte die Entscheidung des Gerichts derzeit aus und entscheide auf dieser Grundlage über die nächsten Schritte. Finanzminister ist seit Dezember der FDP-Vorsitzende Christian Lindner.
Obwohl das Vorgehen der Staatsanwälte als rechtswidrig erklärt wurde, gehen die Ermittlungen gegen die FIU weiter. Da die Unterlagen von den Mitarbeitern des Ministeriums freiwillig herausgegeben worden seien, habe die Aufhebung des Durchsuchungsbeschlusses keine Auswirkungen auf das Ermittlungsverfahren, teilte die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit.
(nik/mit Material von dpa)
Bei so manchen Themen machen die meisten einfach dicht, zu trocken, zu öde, zu technisch. Manche von ihnen schmecken nach Aktenstaub, riechen vielleicht auch etwas nach Tweed-Sakkos und Mottenkugeln. Das gilt etwa für Steuerfragen, die durchaus wichtig, aber eben nur schwer zu verkaufen sind. In eine ähnliche Kerbe schlagen die Sozialabgaben.