Klima-Revoluzzerin Hannah Elshorst trägt zwei Telefone bei sich. Auf ihrem zersplitterten iPhone blinken regelmäßig Nachrichten von Aktivisten aus ganz Deutschland auf. Auf ihrem Klapphandy dagegen klingeln alle paar Minuten die Journalisten durch. "Um wieviel Uhr startet die Rebellion?", wollen sie wissen. Und: "Wo werden die Blockaden genau stattfinden?" Wenn Hannah nach einem solchen Anruf auflegt, zuckt sie kurz mit den Schultern, dann sagt sie Sätze wie: "Diese Aufmerksamkeit ist unser Ziel. Nur, wenn die Gefahr in den Wohnzimmern der Leute landet, kann sich etwas verändern."
Die 22-Jährige spricht für die deutsche "Extinction Rebellion" (XR) – eine schwer zu fassende Bewegung, die gerade weltweit und dezentral in über 40 Ländern aus dem Boden schießt. Nach eigenen Angaben hat das XR-Netzwerk in Deutschland bereits über tausend aktive Mitglieder. Überprüfen lässt sich das nicht.
Sie alle folgen dem Vorbild Großbritanniens. Dort hatten Klima-Aktivisten im November die Westminster Bridge in London blockiert und den Politikbetrieb des Landes kurzzeitig lahmgelegt. Es folgten zwei offene Briefe der ersten XR-Aktivisten im "Guardian". Ihr Titel: "Jetzt handeln und die Umweltkatastrophe verhindern". Anschließend riefen die Städte Bristol und London sogar den symbolischen "ökologischen Notstand" aus.
Erst vor einigen Wochen, mitten in der Brexit-Debatte, schleusten sich XR-Rebellen dann ins britische Unterhaus ein. Nackt kletterten sie vor den Augen der Welt auf die Empore des Parlaments. Die Aktivisten wollten auf das für sie wahre Problem aufmerksam machen: die drohende Klimakatastrophe.
Und deshalb demonstrierte die Extinction Rebellion eben nackt:
In rund 30 Städten sind jetzt solche Aktionen geplant. Startschuss ist die Blockade von zwei Brücken im Regierungsviertel von Berlin am Montag. Der Erfolg der deutschen Rebellion wird auch davon abhängen, wie viel Aufsehen die englischen Vorbilder an diesem Tag erzeugen: Fast zeitgleich soll dort das Regierungsviertel in London erneut auf unbestimmte Zeit blockiert werden. Die Polizei erwartet tausende.
Ein immer wieder auftauchendes Motto der XR lautet dabei: "Wir wollen stören. Wir wollen verhaftet werden."
Der neue Kampf nach "FridaysforFuture"?
Dafür ist Hannah aus Frankfurt gekommen. Während am Brandenburger-Tor wie jede Woche die "FridaysforFuture"-Schüler den Widerstand proben, sitzt sie in einem Café in Berlin Mitte und spricht über Aktivismus. "Was die SchülerInnen da losgetreten haben, ist super", sagt sie. "Aber diese Welle droht bereits jetzt wieder abzuebben". Das dürfe auf keinen Fall passieren.
Hannah ist überzeugt:
"SchülerInnen und ihre Forderungen kann man ignorieren, aber wir werden die drohende Klimakatastrophe schon jetzt spürbar machen."
Sie bezieht sich damit auf die Grundausrichtung der XR, deren Gründer den Protesten einen festen taktischen Apparat mit konkreten Forderungen zu Grunde gelegt haben.
Das fordert die Extinction Rebellion
Während die #FridaysforFuture-Demos vor allem dank ihrer Kreativität und der Debatte über eine neue politisierte Jugend auffallen, arbeitet die XR mit öffentlichem Druck.
Die Bewegung lässt sich deshalb eher mit einer Mischung aus Occupy-Movement und dem Zentrum für politische Schönheit vergleichen, als mit den freitäglichen Schülern.
XR-Mitglieder gehen davon aus, dass bisherige Umweltorganisationen und Politiker bei ihrem Job versagt haben. Auch Hannah denkt das. Sie sagt: "Wir wollen keinen friedlichen Übergang in einen grünen Kapitalismus, wir wollen Umbruch". Drei Forderungen müssten die nationalen Parlamente deshalb erfüllen:
Politische Transparenz bezüglich der "tödlichen Bedrohung durch die ökologische Krise"
Bis 2025 sollen die jeweiligen Länder ihren Austoß von Treibhausgasen auf Null gesenkt haben.
Ein unabhängiger Klimarat aus Bürgerinnen und Bürgern solle das staatliche Handeln im Bezug auf das Klima kontrollieren.
Vor allem der zweite Punkt brachte auch Hannah zur Bewegung. Sie hatte zuvor frustriert bei anderen Organisationen hingeschmissen. "Greenpeace und andere NGO's haben es nicht geschafft", sagt sie. Dann hörte sie von XR und dem Bericht des Weltklimarats IPCC. Der sagt: Würde nicht sofort gehandelt, werde die Welt um 1,5 Grad wärmer. Ein Massensterben zahlreicher Tiere wäre die Folge: Extinction.
Die Aktionen sollen gewaltfrei bleiben, befolgen aber die Taktik des zivilen Ungehorsams. Dazu gehört Besetzen, Blockieren – und sich verhaften zu lassen.
Die öffentliche Ordnung soll gezielt gestört werden. "Gegenüber unseren Mitmenschen, die lediglich ihrem Alltag nachgehen, werden wir uns achtsam und respektvoll verhalten", schreibt die XR.
Die Sicherheit der Demonstranten und Unbeteiligten stehe an erster Stelle.
So sah das etwa in UK aus:
Bild: www.imago-images.de
Kann XR gewaltfrei rebellieren?
Wenn Hannah über ihre Motivation spricht, dann erzählt sie nicht von Malcom X, sondern von Martin Luther King. "Damals war einfach klar, wer gut und wer böse ist. Die schwarze Bewegung musste sich nur auf die Straße setzen, um ihren Widerstand auszudrücken. Jetzt ist das nicht anders", sagt sie. Auch auf der XR-Website nennen die Aktivisten Vorbilder wie Mahatma Gandhi. Hannah beschreibt eine "regenerative Kultur gegenüber Umwelt und Menschen" als zentrales Anliegen der Gruppe.
Wer mit anderen Mitgliedern spricht, hört aber auch Sorgen. Immer mehr Anhänger aus der autonomen Szene würden sich in den Großstädten der Bewegung anschließen, sagt ein Aktivist zu watson. "Schwarze Block"-Taktiken, die auch Gewalt beinhalten können, sollen aber ausdrücklich nicht zum Repertoire der Klimaschützer zählen. Auch Hannah sagt: "Wir wollen die Menschen in unsere Bewegung hineinholen und nicht abschrecken".
Die 22-Jährige bleibt bis Montagabend in Berlin. Um 12:05 Uhr am Montag wird es eine erste Demo vor dem Reichstag geben, dann will Hannah mit den anderen die Brücken besetzen. Kein Auto soll durchgehen, die Straßen sollen nicht passierbar sein. Danach fährt sie zurück nach Frankfurt, wo die Rebellion sofort weitergehen soll. "Wir zeigen den Menschen die Katastrophe, damit sie näher an deren Leben rückt!". Dadurch soll die XR größer werden und am liebsten zu einer neuen Occupy-Bewegung heranwachsen, so der Plan. Nur diesmal nicht gegen die Banken, sondern für das Klima.
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Als wäre der russische Angriffskrieg in der Ukraine nicht schon genug, eskaliert der Konflikt weiter. Nach russischen Angaben hat das Land am Donnerstagmorgen mit einer neu entwickelten Mittelstreckenrakete die ukrainische Großstadt Dnipro beschossen, eine "Hyperschall-Rakete". Sechs Sprengköpfe schlugen dort ein. Der russische Präsident Putin sagte, es seien keine Atomsprengköpfe gewesen.