Der Verfassungsschutz in Thüringen stuft Björn Höcke (AfD) als Rechtsextremisten ein.Bild: dpa / Bodo Schackow
Deutschland
Leon M. Walter interessierte sich schon als Schüler für Politik und engagierte sich in jungen Jahren politisch. Seit sieben Jahren ist er Mitglied der Linken beziehungsweise der Jugendorganisation der Partei. Der 22-Jährige will in den Landtag. Der Kreisvorstand Greiz nominierte Walter für die Landtagswahl.
Doch das Vorhaben nimmt Ausmaße an, mit denen der Jungpolitiker zunächst nicht gerechnet hatte.
Denn Thüringens AfD-Chef Björn Höcke tritt überraschend zur Landtagswahl nicht in seinem Heimatkreis Eichsfeld an, sondern in Walters Wahlkreis Greiz. Es sei "krass" gewesen, das zu lesen, sagt der Jungpolitiker laut eines Berichts der "Frankfurter Rundschau" (FR).
"Da ist mir das Herz erst mal in die Hose gerutscht", beschreibt er den Moment, in dem er dies erfahren hat. Und weiter: "Mir war direkt klar: Das wird jetzt eine Nummer heftiger." Deshalb hat der 22-Jährige seine Strategie im Wahlkampf geändert. Nicht zuletzt auch für seine eigene Sicherheit, wie er verrät.
Thüringen: AfD-Politiker Höcke gilt als rechtsextrem
Wo auch immer Höcke auftaucht, kann es zu Unruhe kommen. Bei Wahlkampfveranstaltungen in der Vergangenheit hat sich das bereits mehr als einmal gezeigt. Der Mann, der durchaus als Faschist bezeichnet werden darf, erhält tatkräftige Unterstützung. Etwa von Menschen, die mit Reichskriegsflaggen hausieren. Oder jene, die Ausdrücke wie "Lügenpresse" oder Jargon aus der sehr rechten Sparte in den Mund nehmen.
Oder, wie die FR den Jungpolitiker Walter zitiert: "Höcke wird einen Wahlkampf abliefern mit AfD-Leuten, die überregional aktiv sind". Der 22-Jährige ist sich sicher, Höcke werde Unterstützung von Rechtsradikalen aus dem Nazi-Milieu bekommen, das in Thüringen sehr stark sei. Das kommt nicht von ungefähr: Der Verfassungsschutz in Thüringen stuft Höcke laut "Spiegel" als Rechtsextremisten ein. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gilt die AfD als gesichert rechtsextrem.
Thüringen: Politiker passt aus Angst vor Höcke-Anhängern Wahlkampf an
In Ostthüringen ist rechtsextremes Gedankengut weiter verbreitet als in anderen Teilen Deutschlands. Jüngste Bilder aus Gera unterstreichen diese Annahme. Dort kampierten etwa 80 Menschen vor einer neu eingerichteten Unterkunft für Geflüchtete. Organisiert wurde das sogenannte Protestcamp vom Rechtsextremisten Christian Klar, wie der MDR berichtete. Dort brannten Tonnen vor dem Gelände, auch Reichskriegsflaggen wurden gehisst. Zwar war das Protestcamp offiziell angemeldet, doch so eine Klientel macht dem Jungpolitiker mit Blick auf den Wahlkampf dennoch Sorgen vor Einschüchterungsversuchen.
Thüringen, Nordhausen: Landtagsabgeordneter Björn Höcke (AfD) spricht auf einer Veranstaltung in Sundhausen.Bild: dpa / Matthias Bein
Für ihn ist klar: Er kann seinen Wahlkampf unter diesen Umständen nicht so durchführen wie zuvor geplant. "Ich habe meine Wahlkampfpläne und werde die jetzt etwas umstellen müssen", sagt Walter. Er werde nicht auf direkte Konfrontation gegen rechts gehen, sondern seine eigenen Themen voranbringen. Dies mache er alles "zu meiner eigenen Sicherheit". Denn er habe durchaus auch Angst vor körperlichen Angriffen.
Wie genau er seinen Wahlkampf umstellen wird? Er gibt gegenüber dem "FR" ein Beispiel:
"Die AfD macht ein Marktfest. Man muss schlichtweg sagen: Bei den meisten AfD-Veranstaltungen sind auch gewaltbereite Neonazis nicht weit. Und dann werde ich mich nicht mit einem Infostand daneben stellen, sondern lieber versuchen, mit Leuten an der Haustür über ihre Sorgen ins Gespräch zu kommen."
Thüringen: Linken-Politiker Walter erhielt in der Schule rechte Drohungen
Bereits als Schüler habe er auf dem Schulhof mitunter Drohungen einstecken müssen. "Da kommen Rechtsextreme zu mir und sagen: Wenn wir Buchenwald wieder aufmachen, bist du der Erste", erzählt er.
Einen Rechtsruck in seiner Heimat will er mit seiner Politik bekämpfen. Auch aus diesem Grund setze er im Wahlkampf auf soziale Themen und die Lebensrealitäten der Menschen vor Ort. Viele Menschen sähen in Ostthüringen keine Perspektive, zudem seien Überalterung und schlechte Infrastruktur im ÖPNV ein Problem. "Ich will eine positive Vision senden und zeigen, wie man Ostthüringen lebenswert machen kann", sagt er dazu.
Damit räumt Walter sich selbst durchaus Chancen ein. Und das, obwohl er nicht nur gegen Höcke, sondern unter anderem auch gegen den Politiker Christian Tischner antreten wird. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion konnte 2019 das Direktmandat für den Wahlkreis Greiz II holen, bereits zum zweiten Mal. Doch weil sich seine Kontrahenten um die gleichen Themenkomplexe – Migration und rechte Identitätspolitik – "prügeln" werden, steche er mit seinen eigenen Themen hervor.
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Soweit jedenfalls Walters Strategie.
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