Bild: imago stock&people/getty images/montage: watson
Deutschland
05.07.2018, 07:0005.07.2018, 08:19
Horst Seehofer und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz verstehen sich auf politischer Ebene eigentlich ziemlich gut. Für die CSU ist Kurz der Kanzler, den sie gern hätte – so scheint es zumindest, wenn die Bayern Kurz zum Beispiel auf ihren Parteitag einladen, Angela Merkel aber fern bleibt (ORF). Oder wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, wie die "Welt am Sonntag" berichtet, sich zu seiner Abschlusskundgebung im Bayern-Wahlkampf im Oktober keine Bundeskanzlerin wünscht, sondern einen Bundeskanzler. Gemeint soll Kurz gewesen sein.
Der ganze Streit der vergangenen Tage im Überblick:
Aber was CDU und CSU in ihrem heftigen, fast parteizerstörenden Asylstreit nun ausgehandelt haben, stellt die Harmonie zwischen Seehofer und Kurz auf die Probe. Letzterer fragt sich, angesichts von Ideen für Transitzentren, härterer Grenzpolitik auf deutscher Seite und Rückweisungen von Flüchtlingen in Nachbarländer, welche Rolle Österreich in all den Plänen spielen soll – und falls eine große: Warum wird dann über seinen Kopf hinweg verhandelt und entschieden?
Da wird es dringend Zeit für einen Aussprache. Also reist Seehofer am Donnerstag nach Wien, um abzuchecken: Wie hoch ist
die Bereitschaft Österreichs, bestimmte Flüchtlinge aus deutschen
Transitzentren aufzunehmen? Die Union will nämlich alle Schutzsuchenden in Österreich stehen lassen, wenn das eigentlich für das Asylverfahren zuständige Land die Geflüchteten nicht
zurücknimmt.
Spielt Sebastian Kurz da mit? Werden sich die beiden Politiker einigen können? 5 Fragen und Antworten, die zeigen, wohin das Treffen heute führen könnte.
Welche Haltung hat Kurz?
Grundsätzlich findet er die neuen migrationskritischen
Töne und Pläne aus Deutschland erst einmal gut. Genauso wie die "Trendwende in den Köpfen" in der
EU. Er will möglichen Flüchtlingen früh signalisieren: Es hat ohne
echten Asylgrund keinen Zweck nach Europa zu kommen.
Österreich setzt
auch deshalb auf einen Dominoeffekt. Sobald Deutschland seinen Kurs
in der Flüchtlingsfrage verschärft, würden andere Staaten ihre
Grenzen auch besser schützen – aus Sorge zum Hafen für Flüchtlinge zu
werden, die auf dem Weg nach Deutschland bei ihnen stranden. So solle
die Einsicht wachsen, dass nach einer Phase nationaler Maßnahmen nur
mit massivem gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenze die Lage in den
Griff zu bekommen ist.
Wie läuft es bisher an der deutsch-österreichischen Grenze?
Die deutsche Regierung hat seit 2015
Grenzkontrollen an drei großen Übergängen zu Österreich etabliert. Seitdem wurden schon Tausende von Migranten wegen mangelhafter
Reisedokumente und wegen ihres Verzichts auf ein Asylverfahren in
Deutschland nach Österreich zurückgeschickt.
Dass
Berlin gern von der Notwendigkeit offener Grenzen und einer
europäischen Lösung gesprochen hat, verwunderte und einer verbitterte Wien in den vergangenen Jahren registriert. Die deutsche Willkommenskultur war Kurz schon als Außenminister von Anfang an ein Dorn im Auge.
Wie wichtig ist eine Vereinbarung zwischen Österreich und Deutschland?
Sehr wichtig. Ohne Vereinbarung mit Österreich zur Rücknahme von
bestimmten Migranten verstieße Deutschland gegen europäisches Recht, sagt der Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck.
Auch der juristische Kniff, dass Asylbewerber in den geplanten
Transitzentren noch nicht nach Deutschland eingereist seien, stärke
die deutsche Rechtsposition gegenüber Österreich nicht, so Obwexer.
Ein altes Abkommen von 1998 zur unbürokratischen Rückführung von
Drittstaatsangehörigen über die Grenze schließe genau die Kategorie
aus, um die es jetzt gehe – Asylbewerber.
Wie stehen die Chancen auf Einigung?
Sehr gering, sogar eher bei null. Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat nachdrücklich betont, dass sie niemals einer Vereinbarung "zulasten Österreichs" zustimmen werde. Aus Wiener Sicht gibt es
keinen Grund, der Union in dem Punkt der Zurückweisung bestimmter
Flüchtlinge aus der Patsche zu helfen.
Da wirkt noch nach, dass
Kanzlerin Angela Merkel speziell für die FPÖ ein rotes Tuch ist.
Österreich wolle nicht noch mehr als bisher, "die Erbschaft einer
verfehlten Willkommenskultur, die in Europa mit bestimmten Namen
verbunden ist, tragen", so FPÖ-Vize und Innenminister Herbert Kickl.
Wie geht es inzwischen in Deutschland weiter?
Union und SPD wollen am Donnerstagabend bei einem weiteren Spitzentreffen in Berlin nach einer Lösung suchen. Aus Koalitionskreisen heißt es, dass eine Einigung gut möglich sei.
Wenngleich die SPD nicht allzu begeistert ist:
Worauf sich die Union geeinigt hat – in drei Sätzen:
Die Union hatte sich nach einem erbitterten Streit zwischen CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel auf einen Kompromiss für die Rückführung bestimmter Asylbewerber geeinigt. Diejenigen, die schon in einem anderem EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben und an bestimmten Grenzübergängen an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden, sollen in sogenannte Transitzentren kommen. Von dort sollen sie binnen maximal 48 Stunden in das andere Land zurückgeführt werden.
Zwischendurch wollte Horst schon hinschmeißen – dies wäre der perfekte Soundtrack gewesen:
Video: watson/Lia Haubner
Wer die deutsche Podcast-Landschaft einigermaßen kennt, hat schon mal von "Hotel Matze" gehört. Seit 2016 gibt es das Interview-Format von Matze Hielscher – und man muss schon konzentriert nachdenken, damit einem ein paar angesagte deutsche Promis einfallen, die noch nicht bei ihm zu Gast waren.