Horst Seehofer und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz verstehen sich auf politischer Ebene eigentlich ziemlich gut. Für die CSU ist Kurz der Kanzler, den sie gern hätte – so scheint es zumindest, wenn die Bayern Kurz zum Beispiel auf ihren Parteitag einladen, Angela Merkel aber fern bleibt (ORF). Oder wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, wie die "Welt am Sonntag" berichtet, sich zu seiner Abschlusskundgebung im Bayern-Wahlkampf im Oktober keine Bundeskanzlerin wünscht, sondern einen Bundeskanzler. Gemeint soll Kurz gewesen sein.
Aber was CDU und CSU in ihrem heftigen, fast parteizerstörenden Asylstreit nun ausgehandelt haben, stellt die Harmonie zwischen Seehofer und Kurz auf die Probe. Letzterer fragt sich, angesichts von Ideen für Transitzentren, härterer Grenzpolitik auf deutscher Seite und Rückweisungen von Flüchtlingen in Nachbarländer, welche Rolle Österreich in all den Plänen spielen soll – und falls eine große: Warum wird dann über seinen Kopf hinweg verhandelt und entschieden?
Da wird es dringend Zeit für einen Aussprache. Also reist Seehofer am Donnerstag nach Wien, um abzuchecken: Wie hoch ist die Bereitschaft Österreichs, bestimmte Flüchtlinge aus deutschen Transitzentren aufzunehmen? Die Union will nämlich alle Schutzsuchenden in Österreich stehen lassen, wenn das eigentlich für das Asylverfahren zuständige Land die Geflüchteten nicht zurücknimmt.
Spielt Sebastian Kurz da mit? Werden sich die beiden Politiker einigen können? 5 Fragen und Antworten, die zeigen, wohin das Treffen heute führen könnte.
Grundsätzlich findet er die neuen migrationskritischen Töne und Pläne aus Deutschland erst einmal gut. Genauso wie die "Trendwende in den Köpfen" in der EU. Er will möglichen Flüchtlingen früh signalisieren: Es hat ohne echten Asylgrund keinen Zweck nach Europa zu kommen.
Österreich setzt auch deshalb auf einen Dominoeffekt. Sobald Deutschland seinen Kurs in der Flüchtlingsfrage verschärft, würden andere Staaten ihre Grenzen auch besser schützen – aus Sorge zum Hafen für Flüchtlinge zu werden, die auf dem Weg nach Deutschland bei ihnen stranden. So solle die Einsicht wachsen, dass nach einer Phase nationaler Maßnahmen nur mit massivem gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenze die Lage in den Griff zu bekommen ist.
Die deutsche Regierung hat seit 2015 Grenzkontrollen an drei großen Übergängen zu Österreich etabliert. Seitdem wurden schon Tausende von Migranten wegen mangelhafter Reisedokumente und wegen ihres Verzichts auf ein Asylverfahren in Deutschland nach Österreich zurückgeschickt.
Dass Berlin gern von der Notwendigkeit offener Grenzen und einer europäischen Lösung gesprochen hat, verwunderte und einer verbitterte Wien in den vergangenen Jahren registriert. Die deutsche Willkommenskultur war Kurz schon als Außenminister von Anfang an ein Dorn im Auge.
Sehr wichtig. Ohne Vereinbarung mit Österreich zur Rücknahme von bestimmten Migranten verstieße Deutschland gegen europäisches Recht, sagt der Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck.
Auch der juristische Kniff, dass Asylbewerber in den geplanten Transitzentren noch nicht nach Deutschland eingereist seien, stärke die deutsche Rechtsposition gegenüber Österreich nicht, so Obwexer. Ein altes Abkommen von 1998 zur unbürokratischen Rückführung von Drittstaatsangehörigen über die Grenze schließe genau die Kategorie aus, um die es jetzt gehe – Asylbewerber.
Sehr gering, sogar eher bei null. Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat nachdrücklich betont, dass sie niemals einer Vereinbarung "zulasten Österreichs" zustimmen werde. Aus Wiener Sicht gibt es keinen Grund, der Union in dem Punkt der Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge aus der Patsche zu helfen.
Da wirkt noch nach, dass Kanzlerin Angela Merkel speziell für die FPÖ ein rotes Tuch ist. Österreich wolle nicht noch mehr als bisher, "die Erbschaft einer verfehlten Willkommenskultur, die in Europa mit bestimmten Namen verbunden ist, tragen", so FPÖ-Vize und Innenminister Herbert Kickl.
Union und SPD wollen am Donnerstagabend bei einem weiteren Spitzentreffen in Berlin nach einer Lösung suchen. Aus Koalitionskreisen heißt es, dass eine Einigung gut möglich sei.