Die Chefin der SPD, Andrea Nahles, hatte noch am Montagmittag betont: Ihre Geduld mit der CDU und der CSU sei bald am Ende. Jetzt gibt es eine Einigung, aber die Probleme könnten für die Sozialdemokraten erst richtig losgehen.
Es stimmt, die Union hat die Schlichtung geschafft. Sie ist jetzt, vorerst zumindest, auch wirklich wieder die Union.
Horst Seehofer und Angela Merkel haben sich über einen 3-Punkte Plan verständigt, den Staatsministerin Dorothee Bär offenbar erst einmal hastig in einem Word-Dokument zusammengefasst hat, um ihn möglichst schnell der Öffentlichkeit zu präsentieren.
So sah das aus:
Die Sozialdemokraten mussten dafür mehr als eine Stunde auf ihre Koalitionspartner warten. Und, dass sie jetzt mit dem Ergebnis zufrieden sind, ist alles andere als klar.
Denn Punkt 2 der neuen Einigung sieht sogenannte Transitzentren vor. Der Flüchtlingsrat Bayern definiert diese Zentren als zentrale Aufnahmestellen für Asylsuchende, die per Residenzpflicht nicht mehr weg dürfen. Also eine "Einrichtung auf exterritorialem Gebiet mit Festhalterecht", wie es beim Rat heißt.
Die SPD hat aber gerade diese Woche einen ganz eigenen Asylplan auf den Weg gebracht:
Und in diesem Plan steht gleich zwei Mal, dass die Sozialdemokraten jegliche Form von geschlossenen Zentren ablehnen.
Konkret steht da:
"Solche Aufnahmeeinrichtungen dürfen keine geschlossenen Lager werden"
Die Transitzentren, die von der CSU favorisiert werden, sehen aber
wie oben beschrieben eigentlich eine Residenzpflicht vor.
Es muss sich jetzt also zeigen, ob sich das
für die SPD zu sehr nach "geschlossen" anhört, oder nicht. Damit geht es jetzt plötzlich auch wieder um die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten und nicht um die von Horst Seehofer.
Alternativ könnte die Union das Konzept der Zentren so aufweichen, dass die SPD-Spitze zustimmen kann. Das ist allerdings unwahrscheinlich, weil genau dieses Konzept den Innenminister gerade vom Rücktritt abgehalten hat.
Schließlich hatte Seehofer betont:
"Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in
Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern"
Bei der SPD wurden nur Minuten nach der Vorstellung des Plans und der Worte Seehofers die ersten kritischen Stimmen laut. Etwa von der Generalsekretärin der Sachsen-SPD:
Daniela Kolbe will direkt klarstellen:
Das schrieb die Abgeordnete für Berlin Friedrichshain und Kreuzberg:
Der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt in der SPD erinnert an den Koalitionsvertrag:
Auch der Ex-Bundestagsabgeordnete Christian Flisek von der SPD schrieb:
Was der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Debatte um Transitzentren damals sagte, könnte auch eins zu eins heute Abend in der Diskussion der Koalitionäre fallen.
Gabriel hatte 2015 deutliche Worte für Merkel gefunden: Die Union wolle mit ihrem Ruf nach solchen Zonen nur internen Streit übertünchen, sagte er bei einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion.
Er habe der Kanzlerin gesagt, sinnvolle Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik mittragen zu wollen.
Gabriel 2015 weiter:
"Aber nicht solche, die nur dafür da sind, dass Seehofer wieder lieb ist."
Transitzonen seien nichts anderes als "Haftzonen", fuhr Gabriel fort. Er habe sich nicht vorstellen können, dass "ein deutsches Verfassungsressort" einen solchen Entwurf erarbeiten könne, kritisierte er. Damals ging es um das Innenministerium von Thomas de Maizière.
Eine Änderung des Grundrechts auf Asyl werde es mit der SPD nicht geben, unterstrich Gabriel: "Ich garantiere, dass ich im Bundestag nicht meine Hand heben werde, um Paragraf 16 zu ändern."
Das alles wird jetzt in der Debatte der Koalitionäre eine Rolle spielen müssen. Folgt die SPD ihrer Linie von damals. Folgt die SPD auch nur ihrer Linie von vor einer Woche, es würde sofort noch einmal krachen in der Koalition.
Weil Die Parteispitzen um diese Problematik wissen, haben Andrea Nahles und Olaf Scholz in der Nacht um Bedenkzeit gebeten. Man will am Dienstag in den Fachgremien über die Pläne der CDU/CSU diskutieren.
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