Das Bundeskabinett brachte Ende April wegen der stark gestiegenen Energiepreise ein milliardenschweres Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger auf den Weg – jetzt soll der Bundestag darüber abstimmen. Es profitieren Bahn- wie Autofahrer und fast alle Erwerbstätigen. Doch umstritten ist, ob die Hilfen die explodierten Preise auch nur annähernd abfedern können. Das wird letztlich auch vom Verlauf des russischen Krieges in der Ukraine abhängen.
Die Spitzen der Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatten sich
Ende März auf das Paket geeinigt, als klar wurde, welche Auswirkungen
der Krieg auf die Preise an der Tankstelle,
beim Heizen und auch im Supermarkt in Deutschland haben würde.
Bereits im Februar war unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage
über die Stromrechnung ab Juli beschlossen worden – darüber soll der
Bundestag an diesem Donnerstag endgültig entscheiden.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schnellten hierzulande die Spritpreise nach oben – teilweise um zweistellige Centbeträge pro Tag und Liter. Super E10 erreichte seinen Höhepunkt laut ADAC am 14. März mit 2.203 Euro im bundesweiten Tagesdurchschnitt – das sind gut 45 Cent mehr als am Tag vor Kriegsausbruch. Diesel war am 10. März mit 2.321 Euro pro Liter am teuersten – ein Plus von fast 66 Cent im Vergleich zum Vorkriegsstand.
Die Ampel-Koalition beschloss daher, die Energiesteuern auf Kraftstoffe für drei Monate – von Anfang Juni bis Ende August – so weit zu senken, wie es EU-Richtlinien erlauben. Man setzt darauf, dass die Unternehmen das auch an die Kunden weitergeben. Bei Benzin reduziert sich der Steuersatz laut Finanzministerium um 29,55 Cent pro Liter, bei Diesel um 14,04 Cent.
Die Absenkung ist umstritten, nicht zuletzt, weil die Spritpreise inzwischen wieder gesunken sind.
Als Ausgleich für die Subventionierung fossiler Energien – etwa durch den günstigeren Sprit – will die Bundesregierung auch den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) billiger machen. Nicht nur Auto-, sondern auch Bahnfahrer sollen also profitieren. Von Juni bis Ende August sollen Fahrgäste bundesweit für 9 Euro pro Monat im Nah- und Regionalverkehr fahren können – und damit viel günstiger als mit üblichen Monatstickets.
Das Kabinett beschloss Änderungen am Regionalisierungsgesetz – das ist Grundlage für die Gelder, die der Bund den Ländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt.
Der Bund will den Ländern für das 9-Euro-Monatsticket nun 2,5 Milliarden Euro extra geben. Allerdings reicht das den Ländern nicht aus, sie wollen deutlich mehr Geld, um stark gestiegene Energie-, Bau- und Personalkosten im ÖPNV ausgleichen zu können. Sie könnten das Projekt daher im Bundesrat vorerst scheitern lassen.
Einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige sollen zum Ausgleich der hohen Energiekosten eine Pauschale von einmalig 300 Euro brutto bekommen. Das Geld wird vom Arbeitgeber als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt, bei Selbstständigen wird die Steuer-Vorauszahlung gesenkt. Anschließend unterliegen die 300 Euro der Einkommensteuer. Dadurch bekommen Bürger mit hohem Steuersatz am Ende weniger raus, wer unter dem Grundfreibetrag bleibt, profitiert von der vollen Summe.
Umstritten ist, dass Rentner bei dem Auszahlungsweg leer ausgehen sollen. Sozialverbände kritisieren, dass gerade Seniorinnen und Senioren mit kleinen Renten aber auf das Geld angewiesen wären. Die Ampel-Parteien führen dagegen die anstehende Rentenerhöhung an. Ebenfalls umstritten ist, ob die 300 Euro ausreichen werden, um die Mehrkosten durch die gestiegenen Preise etwa beim Heizen auszugleichen.
Familien sollen besonders entlastet werden – deshalb wird das Kindergeld einmalig um 100 Euro pro Kind angehoben. Der Bonus soll im Sommer aufs Konto kommen und automatisch von der Familienkasse ausgezahlt werden, er muss also in der Regel nicht beantragt werden.
Wer Sozialleistungen bezieht, soll zudem zusätzlich zum bereits zuvor beschlossenen 100-Euro-Zuschuss eine weitere Einmalzahlung von 100 Euro bekommen.
Für das Entlastungspaket muss Finanzminister Christian Lindner (FDP) seinen bereits beim Bundestag eingereichten Haushaltsplänen nachträglich ein Update verpassen. In einem Ergänzungshaushalt plant er mit fast 40 Milliarden Euro zusätzlichen Schulden – darunter summieren sich aber auch etwa Wirtschaftshilfen, die Verlängerung der kostenlosen Coronatests und andere Maßnahmen.
Die Energiepreispauschale allein wird den Staat laut Entwurf etwa 10,4 Milliarden Euro kosten. Zwar summieren sich die Auszahlungen auf 13,8 Milliarden Euro, der Staat nimmt aber auch 3,4 Milliarden mehr Lohn- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Für den Kinderbonus sind in diesem Jahr Kosten von fast 9 Milliarden Euro eingeplant. Auch diese werden in den Folgejahren zu etwas mehr Steuereinnahmen führen. Durch die vorübergehende Steuersenkung beim Sprit entgehen dem Bund nach Rechnung des Finanzministeriums Steuereinnahmen von rund 3,15 Milliarden Euro
(crl/dpa/afxp)