Mit der vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer und dem Kinderbonus will die Bundesregierung am Freitag wichtige Teile des geplanten 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets auf den Weg bringen. Es soll die Wirtschaft angesichts der Corona-Krise beleben und dafür sorgen, dass die Verbraucher wieder in Konsumlaune kommen. Über die davon erhoffte Wirkung sprach Markus Lanz am Donnerstagabend mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Der Politiker zeigte sich im Gespräch mit dem ZDF-Talker zuversichtlich, man hätte so die Chance, "in diesem Land mitzuhelfen, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt." Heils Hoffnung: "Nach der Krise ist dieses Land digitaler, sozialer und auch ökologischer."
Weil ihm in der Krise aber auch Ehrlichkeit besonders wichtig sei, gab Heil zu bedenken:
Bevor er seine Gedanken dazu weiter ausführen konnte, fiel Gastgeber Lanz ihm ins Wort, wollte wissen, wie viele der aktuell 7,3 Millionen Kurzarbeiter im kommenden Jahr zu dieser Zeit wohl in die Arbeitslosigkeit abgerutscht seien.
"Ich denke, dass die Mehrheit davon wieder in Arbeit sein wird", so die direkte Antwort Heils. Eine Aussage, mit der sich sein Gegenüber nicht zufriedengeben wollte, frotzelte: "Die Mehrheit hoffentlich, das sind 3,6 Millionen!"
Heil versuchte, seiner Aussage mehr Gewicht zu verleihen, erklärte: "Es wird Insolvenzen geben, es gibt auch jetzt steigende Arbeitslosigkeit [...]. Aber ich glaube, dass wir die Chance haben, dass wir in einem Jahr besser dastehen – wenn die Wirtschaft anspringt." Man müsste mit dieser optimistischen Herangehensweise aber vorsichtig sein, so der Politiker. Denn es könnte noch eine zweite Pandemie-Welle über uns hereinbrechen.
Lanz aber erwartete vom Minister eine genauere Einschätzung zur erwartbaren ansteigenden Arbeitslosigkeit: "Sie trauen sich jetzt zu keiner Prognose oder Sie wollen keine Prognose?", fragte er. Doch der wollte sich nicht festnageln lassen. "Das wäre unseriös!", wich Heil dem Gastgeber aus. Eine sichere Voraussage könne man zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht abgeben.
Zu späterer Stunde kam Markus Lanz noch auf die Gretchenfrage in der Konjunktur-Debatte zu sprechen: "Wer bezahlt das alles am Ende?" Heil fuhr mit seiner Ehrlichkeit-Prämisse fort: "Es ist verdammt teuer. Diese Pakete sind atemberaubend." Ob Heil nachts gut schlafen könne, wollte Lanz weiter wissen. Und der Arbeitsminister konnte sich an dieser Stelle ein Grinsen nicht verkneifen, zeigte sich amüsiert: "Ich wusste, dass diese Frage kommt!" Und weiter:
Denn er würde wissen: "Wenn wir jetzt nicht investieren, Arbeitsplätze millionenfach wegbrechen und wir dann die sozialen Kosten haben, dann wird's teurer."
Bei einem anderen Thema dagegen wurde Arbeitsminister Heil in seinen Aussagen konkreter – und auch drastischer. Zu der Alltagsrassismus-Debatte erklärte er:
Eine Ansicht, mit der Heil seiner Parteivorsitzenden Saskia Esken widersprach, wie der Gastgeber meinte – was der Politiker aber verneinte. Esken hätte dies "so nicht gesagt". In Berlin hätten zum Beispiel 35 Prozent aller Polizisten einen Migrationshintergrund, so Heil. Und schloss daraus: "Unsere Polizei ist diverser geworden." Zur Erinnerung: Die SPD-Chefin hatte sich zur Polizeigewalt in Deutschland geäußert und den deutschen Sicherheitskräften teilweise "latenten Rassismus" konstatiert, woraufhin sie teils scharfe Kritik erntete.
Und er beschwichtigte: Seine Parteivorsitzende hätte keinen "Pauschalverdacht" gegenüber der Polizei ausgesprochen. "Doch!", fiel ihm Lanz ins Wort. Aber Heil beharrte auf seiner Meinung. Esken hätte lediglich davon gesprochen, dass es "in der gesamten Gesellschaft eine Latenz gibt." Seine vermeintlichen Abschlussworte zu dem Thema: "Ich werde nicht zulassen, dass die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land unter Generalverdacht gestellt werden. Das hat aber auch Frau Esken nicht getan."
Und Lanz? Blieb ebenfalls stur. "Das kann man so und so lesen, erklärte er. Ich würde das anders lesen." Heils Vorschlag: In anderen Sendungen würde es einen Faktencheck geben, den man zu diesem Streitpunkt gerne direkt einmal einblenden konnte. Lanz konnte damit tatsächlich wenige Minuten später auftrumpfen und wiederholte Eskens Aussage nochmal. Heil solle nun "nicht vom Thema ablenken".
Der Polittalker bohrte weiter: "Warum sagt Ihre Vorsitzende so etwas?" An dieser Stelle wirkte Hubertus Heil leicht angenervt: "Das müssen Sie sie selbst fragen", entgegnete er. Das Zitat sei schließlich nicht ganz vollständig vorgetragen worden, er ließ sich von der Meinung seines Gegenübers daher nicht überzeugen. An diesem Abend kamen Lanz und Heil in der Debatte daher auch auf keinen gemeinsamen Nenner mehr. Heil verschaffte dafür seinem größten Wunsch in der Alltagsrassismus-Diskussion noch einmal Gehör: "Miteinander reden und Dinge klären und nicht aneinander vorbeireden."
(ab/mit Material von dpa)