
Teile Gazas sind selbst auf älteren Satelliten-Aufnahmen schon zerstört.Bild: Google Earth
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Satellitenbilder auf Google Earth zeigen Gaza so, wie es längst nicht mehr aussieht. Eine Journalistin konnte jetzt aus der Luft dokumentieren, was auf der Plattform nicht zu sehen ist.
04.08.2025, 12:0704.08.2025, 12:07
Wer sich aktuell auf Google Earth durch den Gazastreifen klickt, bekommt ein Bild, das veraltet ist. Die neuesten Aufnahmen stammen aus dem vergangenen Jahr.
Und obwohl bereits darauf Rauchschwaden zu sehen sind, zudem auch erkennbar ist, dass weite Teile Gazas in Trümmern liegen, sind die Satellitenbilder kein aktuelles Zeugnis. Gaza ist weitaus zerstörter, als es die ohnehin schockierenden Bilder auf dem Google-Dienst zeigen.
Das Ausmaß unabhängig zu dokumentieren, ist für Beobachter:innen nicht einfach. Gaza ist für ausländische Reporter:innen seit dem Ausbruch des Krieges am 7. Oktober 2023 gesperrt. Nur Drohnen von lokalen Journalist:innen, ausgewählte Bilder des israelischen Militärs und vereinzelte Satellitenaufnahmen anderer Anbieter zeigten bisher, wie stark das Gebiet zerstört wurde.

Bewohnbare Gebäude gibt es im Gazastreifen kaum noch.Bild: AP / Jehad Alshrafi
Eine Fotografin der "Washington Post" machte vergangene Woche auf einem Hilfsflug der jordanischen Luftwaffe dennoch Fotos – es entstanden aus niedriger Flughöhe seltene Aufnahmen vom Gazastreifen.
Google Earth: Warum die Bilder von Gaza nicht aktuell sind
Wer versucht, sich über Google Earth ein Bild der Lage zu verschaffen, bekommt nur einen begrenzten Eindruck. Während Metropolen wie New York oder Paris auf Google Earth in kurzen Abständen mit neuen, hochauflösenden Satellitenbildern versorgt werden, hinkt die Darstellung des Gazastreifens deutlich hinterher.
Obwohl kommerzielle Anbieter wie Maxar oder Airbus längst über aktuelles Bildmaterial verfügen, bleibt vieles auf der Plattform unzugänglich. Fachportale wie Eamena machen dafür politische und sicherheitsbedingte Gründe aus. Das ergibt auch Sinn: Schließlich wären tagesaktuelle Updates heikel, weil sie so Einfluss auf militärische Entscheidungen hätten, etwa weil Truppenverschiebungen und aktuelle Militärstützpunkte sichtbar wären.
Hinzu kommt: Gaza war jahrelang vom sogenannten Kyl-Bingaman Amendment betroffen – einem US-Gesetz, das die Auflösung kommerzieller Bilder über Israel und Palästina begrenzte. Auch nachdem die Einschränkung 2020 offiziell aufgehoben wurde, blieben hochaufgelöste Daten oft zurückgehalten.
Zudem gibt es technische Gründe: Google Earth zeigt standardmäßig nicht die neuesten verfügbaren Bilder.
User:innen müssen gezielt die Funktion "historische Bilder" aktivieren, um einzelne aktuellere Aufnahmen – etwa aus Dezember 2024 – aufzurufen. In Teilen Gazas, darunter südliches Rafah, sind sogar nur Bilder vom Juni 2024 zugänglich – obwohl die Zerstörung seither massiv zugenommen hat.
Aus diesen Gründen sehen auf Google Earth viele Regionen in Gaza anders aus, als sie es heute tatsächlich sind.
Israel verbietet Luftaufnahmen von Journalisten und droht
Dass die "Washington Post"-Reporterin nun aktuellste Bilder veröffentlicht hat, dürfte der israelischen Regierung ein Dorn im Auge sein. Zumal die israelischen Behörden offenbar gezielt die Luftbildberichterstattung erschwerten. Laut "Sky News" wurde Journalist:innen auf Hilfsflügen aus Jordanien mitgeteilt, dass das Filmen über Gaza untersagt sei – andernfalls drohe der Stopp der Hilfsflüge. Die israelische Armee lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
Die Reporterin sei diesbezüglich jedoch nicht unterrichtet worden. Ihre Aufnahmen durch das Fenster der jordanischen C-130-Maschine offenbaren das ganze Ausmaß der Zerstörung: zerbombte Schulgebäude, überfüllte Notunterkünfte, Trümmer statt Infrastruktur.
Allein sieben Schulen sind demnach in Gaza-Stadt dem Erdboden gleichgemacht worden, darunter die al-Zahawi Preparatory School for Boys, Asdood Secondary School und al-Awda Primary School.

Auf Google Earth zeigen Bilder vom Juni 2024 noch die weitgehend intakten Schulgebäude.Bild: Google Earth
Auch das völlig zerstörte Jabalya-Flüchtlingslager ist zu sehen, einst dicht besiedelt, jetzt größtenteils planiert. Sichtbar sind zudem der eingestürzte Kuppelbau der Maqoussi-Moschee, das zerbombte Sheikh-Radwan-Gesundheitszentrum und die Ruine des einstigen El-Helou-Hotels – früher ein Ort für Hochzeiten, heute von Zelten umgeben.
Auch entlang der Küste im Süden Gazas haben Menschen Zeltlager errichtet – ohne Schutz, ohne Infrastruktur. Maher Halaseh, Navigator der Royal Jordanian Air Force, sagte der Washington Post: "Alles ist anders. Es gibt keine Gebäude mehr, nichts. Viele Zelte an der Küste. […] Sie sterben dort."
Adel, der jordanische Pilot, der die Maschine über Gaza flog, sagte nach der Mission: "Jeder, der dieses Gebiet sieht, wird schockiert sein. Wir hoffen, dass dieser Krieg endet. Wir müssen ihnen mehr und mehr Nahrung geben, denn sie hungern dort drüben."
Hilfslieferungen: Noch nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein
Die Bilder entstanden bei einem Hilfsflug, bei dem mehr als 16 Tonnen Nahrung und Babynahrung über Gaza abgeworfen wurden – koordiniert mit Israel, unterstützt von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nach monatelanger Blockade durch Israel ließ die israelische Regierung wegen des steigenden internationalen Drucks mehr humanitäre Hilfsgüter nach Gaza.
Auch die Bundesregierung warf Hilfsgüter über dem Gazastreifen ab. Doch diese sogenannten Airdrops sind keine nachhaltige Lösung. Die Kisten mit Hilfsgütern erreichen ihre Empfänger:innen oft nicht kontrolliert, wie Hilfsorganisationen und Beobachter:innen scharf kritisierten. Anarchie herrscht, Kämpfe um das viel zu wenige Essen brechen aus. Schließlich geht es ums pure Überleben.
Immer wieder berichten Rettungskräfte, dass Menschen beim Versuch, an das Essen zu gelangen, ertrinken oder von herabfallenden Kisten erschlagen werden. Hilfsorganisationen sprechen von einer Maßnahme, die eine "absolute letzte Instanz" sein sollte.
Sie fordern offene Landwege und einen sofortigen Waffenstillstand, um systematisch Nahrungsmittel und Medikamente zu liefern. Zwar wurden auch LKW mit Hilfsgütern über die Grenze gelassen, allerdings gibt es keine unabhängigen Angaben dazu, wie viele es waren.
COGAT, der für die Überwachung der Hilfslieferungen nach Gaza zuständige israelische Militärzweig, erklärte am Sonntag, in der vergangenen Woche seien insgesamt 1200 Hilfslastwagen in die Enklave eingefahren.
Die gleiche Anzahl sei von den Vereinten Nationen und anderen Hilfsorganisationen abgeholt worden. Hunderte Lastwagen befänden sich noch immer im Gazastreifen und warteten auf ihre Abholung.
Vor Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen erreichten nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen und anderer Organisationen täglich rund 500 Lastwagen mit Hilfsgütern die Enklave. Hilfsorganisationen mahnen, dass dies angesichts der Hungersnot nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein gleiche. Da stellt sich die Frage, ob die aktuelle Hilfe vor allem dazu gedacht ist, den internationalen Druck auf Israel zu besänftigen.
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