Deutschland
Kevin Kühnert hat ein unglaubliches Jahr hinter sich. Wohl kein Juso-Chef vor ihm hat so viele Schlagzeilen gemacht im
ersten Amtsjahr - und die Regierung dabei so geärgert. Als dann auch noch
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen "linksradikale Kräfte" in der SPD für seine Ablösung verantwortlich machte, twitterte Kühnert:
"Ich wäre da ja bescheidener gewesen, aber offenkundig kommt Herr Maaßen zu der Einschätzung, dass er vornehmlich von den Jusos aus dem Amt gedrängt wird. Okay. Schreiben wir uns so in den Briefkopf. Grüße vom linksradikalen Flügel der SPD."
Ja, witzig ist er auch.
Ein Jahr im Amt
Am 24.
November 2017 wurde der Berliner beim Juso-Bundeskongress in
Saarbrücken zum Nachfolger von Johanna Uekermann gewählt, mit einer
Zustimmung von 75 Prozent. Da war die SPD noch von großer
Oppositionssehnsucht beseelt, dann scheiterten die
Jamaika-Verhandlungen und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
nahm die SPD-Führung in die Pflicht. Beim Bundesparteitag im Dezember
2017 wurde Kühnert zum Gegenspieler der Alteingesessenen:
"Eine Maxime, die lautet, regieren mit uns ist immer besser als ohne uns, die verzwergt die SPD und reduziert uns (...) auf einen großen Korrekturbetrieb."
Und dann rief er in den Saal: "Wir haben ein Interesse daran, dass
hier noch was übrig bleibt von diesem Laden, verdammt noch mal." Ein
knappes Jahr später ist die SPD im freien Fall. Im Gespräch zum
einjährigen Amtsjubiläum spricht der 29-Jährige von einem Jahr mit
Licht und Schatten. "Licht, weil wir mit rund 80 000 Mitgliedern so
viele Jusos wie seit langer Zeit nicht mehr haben und weil wir eine
gewisse politische Relevanz erreicht haben." Andererseits brauche man
sich auch nichts vormachen. "Es kann uns nicht unberührt lassen, wie
die Partei gerade dasteht. Daher ist die Freude doch sehr getrübt."
Viel los im ersten Amtsjahr
Die No-GroKo-Bewegung, ein Sonderparteitag in Bonn, wo er und seine
Gesinnungsgenossen fast die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit
der Union verhindert hätten. Dann stimmten aber 66 Prozent der
Mitglieder der Neuauflage zu, Kühnert wurde intern zum Teil scharf
kritisiert. Er hat bisher mit seinen 29 Jahren nur Politik gemacht,
er arbeitet für eine Berliner Abgeordnete und engagiert sich zudem
kommunalpolitisch im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg.
Oft musste er die Geschichte erzählen, dass sein Vorname eine Hommage
an den britischen Fußballer Kevin Keegan ist - sein Herz schlägt für
Tennis Borussia Berlin. Er hat jetzt allerdings weniger Zeit für das "Groundhopping", das Abklappern von Spielen in ganz Europa.
Wir waren mit Kühnert im Stadion:
Sein Twitter-Profil ziert das Stadion des unterklassigen Clubs Almada
AC aus Portugal. "Fußballgucken ist das letzte Hobby, das mir die
Arbeit gelassen hat", sagte er dem Magazin "11 Freunde". "Fußball
bietet sowieso die beste Abwechslung, wenn man tagsüber auf Tagungen
hockt. Dann schaue ich sonntags um 13 Uhr in die App, was noch auf
dem Heimweg liegt und irgendwas findet sich eigentlich immer." Hunderte Interviews hat er gegeben, auch gesagt, dass er schwul ist.
Er ist jetzt quasi eine öffentliche Person. "Das große Privileg ist,
unglaublich viel unterwegs zu sein und zu erfahren." Er hat mehr als
200 öffentliche Veranstaltungen gemacht. "Ich kann mir viel anlesen,
aber ich arbeite viel lieber in der politischen Praxis", sagt er.
Dass auch Parteichefin Andrea Nahles jetzt offen über eine
Alternative zu Hartz IV diskutiert, nennt er einen "Befreiungsschlag". Die sozialen Medien nutzt er stark, sie sind aber
auch ein enthemmter Raum, auch er wird im Netz oft bepöbelt. Im
persönlichen Umgang, von Gesicht zu Gesicht, sei er im ganzen Jahr
nur zwei Mal angepöbelt worden.
Neben einem Überwinden von Hartz IV strebt er besonders eine
Offensive Ost an. "Da müssen Leute aus Berlin auch mal ihren Hintern
hinbewegen und Präsenz zeigen. Ich versuche, das in meinem Alltag zu
machen. Mein Büro hat die klare Ansage, Ost-Termine haben immer
Vorrang, völlig egal, ob 20 oder 200 Leute da sind." Um dort neue
Jobs zu schaffen, kann er sich eine gezielte Ansiedlung der neuen
Elektromobilitäts-Industrie und Batteriefabriken dort vorstellen.
Wie lang die große Koalition noch hält, darüber mag er nicht weiter
spekulieren. Aber wenn alles zerbricht und auch Nahles fällt, dann
könnte Kühnert ein Kandidat für ganz vorne werden. Doch intern halten
das erfahrene Genossen für eine Nummer zu groß - und Kühnert selbst
bügelt das ohnehin ab.
Die gestiegene Macht der Jusos zeigte sich gerade der Aufstellung der
Kandidatenliste für die Europawahl im Mai. Als zum Beispiel die
Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt (64), auf
einem aussichtslosen Platz landete. Und der SPD-Vorstand, dem Kühnert
angehört, Vize-Jusochefin Delara Burkhardt (26) aus
Schleswig-Holstein auf Platz 5 der Liste setzte. Dabei wurde zum
Ärger des SPD-Landesverbands sogar der zuvor nominierte Enrico Kreft
ausgebootet und ebenfalls auf einen aussichtslosen Platz gesetzt.
Verjüngung und Erneuerung - da sind die Jusos zum Treiber geworden.
Und Nahles weiß: Ihre Position ist bedrohlich schwach. Senkt die
Parteilinke kollektiv den Daumen, könnten 2019 alle Dämme brechen. "Wir haben ein Jahr mit einer Europawahl, vier Landtagswahlen und
neun Kommunalwahlen, das birgt immer politischen Sprengstoff", sagt
Kühnert. "Insofern müssen wir auf alles vorbereitet sein."
(dpa/gw)
Vielleicht war Kühnert auch schon da: Die Stadien mit dem besten Zuschauerschnitt
1 / 22
Die Stadien mit dem besten Zuschauerschnitt
Borussia Dortmund – Stadion: Signal Iduna Park, Kapazität: 81.365, Zuschauerschnitt: 79.886.
quelle: imago sportfotodienst / roger petzsche
Fußball ist unser Leben, der König Fußball regiert die Welt!
Zerstörung und Angst, Abschied und Tod: Es ist eine schmerzhafte Realität, die seit dem Beginn des Krieges für viele Menschen in der Ukraine an der Tagesordnung ist. Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Truppen ist das Leben in dem Land nicht mehr so, wie es vorher war.