Der Israel-Gaza-Krieg ist auch in Deutschland ein extrem emotional aufgeladenes Thema. Die Debatte, so macht es den Eindruck, dreht sich an vielen Stellen im Kreis. Während Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang auf der einen Seite vor einer Gefährdungslage für Juden und Jüdinnen spricht, sehen sich auch Muslime und muslimisch gelesene Menschen mit einem neuen Ausmaß der Diskriminierung konfrontiert.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht sich dazu berufen, angesichts pro-palästinensischer Demonstrationen einen Appell an die hier lebenden Menschen mit "palästinensischen und arabischen Wurzeln" zu richten. Bei vielen kommt das mäßig an. Der arabisch-deutsche Journalist Yassin Musharbash macht seinen Gefühlen dazu auf X, früher Twitter, Luft.
"Lassen Sie sich von den Helfershelfern der Hamas nicht instrumentalisieren", sagte er bei einem Runden Tisch im Schloss Bellevue. "Sprechen Sie für sich selbst. Erteilen Sie dem Terror eine klare Absage."
Die palästinensische Gemeinschaft in Deutschland solle Raum haben, um ihren Schmerz und ihre Verzweiflung über die zivilen Opfer in Gaza zu zeigen und mit anderen zu teilen. "Das Recht, das öffentlich und friedlich zu tun, ist von unserer Verfassung garantiert – und dieses Recht steht nicht infrage", betonte Steinmeier. Was folgt, ist ein lautes Aber:
Gerade mit der Aufforderung der klaren Distanzierung fühlen sich wohl einige migrantisierte Menschen vor den Kopf gestoßen. Der Journalist Yassin Musharbash schreibt auf X dazu: "Ich bin ein 'Mensch mit arabischen Wurzeln'. Und deutscher Staatsbürger. Und noch nie ich habe [sich!] mich für einen deutschen Bundespräsidenten geschämt wie heute für FW Steinmeier. Er 'bittet' mich, mich von der Hamas zu distanzieren?? MICH?"
Er fragt, ob Steinmeier auch nur im Geringsten eine Ahnung davon hätte, wie beleidigend es sei, zu fordern, dass Menschen mit Migrationsgeschichte "für sich selbst sprechen" und sich "nicht von der Hamas instrumentalisieren zu lassen". Musharbash schreibt:
Das sei aber nicht einmal das eigentliche Problem. "Der ganze Ton ist herablassend, orientalistisch und uninformiert. Fürs Protokoll: Ich fühle mich ausgegrenzt", stellt Musharbash klar. Er sei solidarisch mit allen Jüdinnen und Juden, die Antisemitismus ausgesetzt sind. Antisemitismus sei aber kein rein islamistisches Problem. Musharbash schreibt: "Glaubt Herr Steinmeier, Islamisten haben außer Juden keine Feinde? Glaubt er, es gibt keine queren, liberalen, demokratischen Araber?"
Er selbst sei ein trinkender Araber, der wählt, die Kunstfreiheit verteidigt und Atheisten in Schutz nimmt. "Ich muss mich nicht von der Hamas "distanzieren". Die Hamas hasst mich", macht er deutlich. Er freue sich, falls "irgendein Araber Steinmeiers Worte als Einladung versteht". Aber er selbst fühle sich dadurch primär unverstanden.
(Mit Material der dpa)