Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Montagabend ein Machtwort gesprochen. Die drei verbleibenden deutschen Atomkraftwerke sollen bis Mitte April 2023 weiterlaufen können. Damit sollte eigentlich der Streit zwischen den Koalitionspartnern Grüne und FDP beigelegt werden.
Doch der Wunsch des Kanzlers dürfte nicht aufgehen. Die Grünen sind gar nicht zufrieden. Aber warum ist das ein Konfliktpunkt?
Der Bundeskanzler hat eine Richtlinienkompetenz. Das bedeutet, dass er innerhalb der Regierung die grobe Richtung vorgeben kann. Beispielsweise, wenn Koalitionspartner unterschiedliche Meinungen haben. Aktuell heißt das: Die FDP will die Atomkraftwerke bis mindestens 2024 weiterlaufen lassen – dafür müsste die Regierung neue Brennstäbe besorgen.
Die Grünen wollen eben dies nicht. Ein Dilemma. Und Grünen-Chefin Ricarda Lang macht dieses Dilemma noch einmal deutlich. Sie zweifelt damit an der Entscheidung des Kanzlers.
Die Grünen wollen keine neuen Brennstäbe besorgen und nur zwei der drei Kraftwerke bis maximal 15. April 2023 weiterbetreiben. Und auch das nur zähneknirschend. Auf dem Parteitag der Grünen in Bonn war das eines der Hauptthemen.
Der Bundeskanzler hat seine Minister:innen angewiesen, Gesetzesvorschläge zum Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke bis maximal Mitte April 2023 vorzulegen. Gemeint sind die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und das Kraftwerk im Emsland.
Grünen-Chefin Ricarda Lang will das aber nicht. Auf Twitter schreibt sie: "Das AKW Emsland ist für die Netzstabilität nicht erforderlich. Entsprechend halten wir den Weiterbetrieb für nicht notwendig."
Trotz Richtlinienkompetenz des Kanzlers ist die Entscheidung nämlich noch nicht gefallen. Lang kündigt in ihrem Tweet erneute Gespräche an: "Der Kanzler hat nun von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. Wir werden dazu Gespräche führen."
Noch ist das Thema nicht durch. Denn: Wenn ein Gesetz, wie es sich der Kanzler vorstellt, vom Kabinett verabschiedet wurde, muss es immer noch eine Mehrheit im Bundestag finden. Für die Grünen ist der Weiterbetrieb des Kraftwerks Emsland offenbar ein Knackpunkt. Die Frage ist, ob die Grünen-Abgeordneten ihrem Regierungsantrag folgen würden.
Aus der Fraktion ist bereits Unmut über das Machtwort des Kanzlers zu hören.
Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, hat die Entscheidung des Bundeskanzlers bereits kritisiert. "In der Vergangenheit war nicht klar, wie sich der Kanzler in der Atomfrage eigentlich positioniert", sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Jetzt spreche er plötzlich ein Machtwort.
"Das zeugt nicht von großer Führungsstärke. Das muss künftig anders werden." In der Frage, alle drei Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen, habe die Grünen-Fraktion weiter Beratungsbedarf, sagte die Fraktionsgeschäftsführerin. Einen Punkt sieht sie allerdings als Erfolg an: Mit der Entscheidung des Kanzlers sei "der Atomausstieg zum 15. April 2023 besiegelt".
Trotz der inhaltlichen Vorbehalte will die Fraktionsspitze der Partei sich dem Kanzler-Machtwort nun aber beugen: "Wir werden in der Fraktion dafür werben, dem Vorschlag zu folgen", sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann. Die Grünen-Abgeordneten sollten "diesem Vorschlag des Bundeskanzlers folgen, auch wenn wir wissen, dass in der Sache das Akw Emsland fachlich nicht notwendig ist".
(Mit Material von AFP)