Bei "Anne Will" sprach man am Sonntagabend in der ARD über die Führungskrise innerhalb von CDU und SPD.ard-screenshot
Deutschland
04.11.2019, 03:3204.11.2019, 07:12
Von Regierungen erwartet ein Land Führung. Blöd nur für Deutschland, wenn gleich zwei von drei Regierungsparteien in diesen Tagen nach der richtigen Führung suchen. Während man in der SPD bereits offen um den Parteivorsitz kämpft, werden in der CDU immer wieder die Messer für erste Sticheleien gezückt.
- In der vergangenen Woche sorgte Friedrich Merz, selbst Rivale von CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, für Aufsehen, als er der das Erscheinungsbild der Bundesregierung als "grottenschlecht" bezeichnet hatte.
- Am Sonntagabend trafen in der ARD-Sendung "Anne Will" CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und der einflussreiche Juso-Chef Kevin Kühnert aufeinander.
Ziemiak wehrte sich gegen die vehemente Merz-Kritik an der Großen Koalition: "Das Erscheinungsbild ist nicht gut, es ist aber nicht so, dass es nur schlechte Dinge gab." Die CDU müsse klären, wofür die Partei eigentlich stehe und warum die Christdemokraten in den letzten Landtagswahlen so stark verloren haben.
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Juso-Chef Kühnert vermisste derweil die Kanzlerin auf der politischen Bühne: "Wer hat denn ein letztes Zitat der Kanzlerin in Erinnerung? Jetzt nicht, dass sie sich freut, in Indien zu sein, sondern zu einer politischen Frage." Die CDU müsse Merkel bei ihrer "Führungslosigkeit und Orientierungslosigkeit" die "Beine machen".
Merkels frühe Ankündigung im vergangenen Jahr, nicht erneut als Kanzlerkandidatin anzutreten, habe die Unruhen in der CDU erst ausgelöst, analysierte derweil Kristina Dunz von der "Rheinischen Post".
Nicht besonders koalitionär ging Ziemiak in der ARD-Sendung dann SPD-Außenminister Heiko Maas an: "Dass ein deutscher Außenminister gemeinsam mit seinem türkischen Außenminister-Kollegen diesen Vorschlag der Verteidigungsministerin in der Türkei kritisiert, das ist wirklich eine Schande."
Worum geht's?
Am Samstag hatten Maas und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu den Syrien-Plan von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer als unrealistisch abgetan. Die CDU-Politikerin hatte eine Sicherheitszone in Nordsyrien gefordert, bei der auch deutsche Soldaten helfen sollten.
Kühnert ging darauf nicht groß ein, sondern arbeitete sich stattdessen an AKK ab: "Wir haben einen Sparringspartner, bei dem überhaupt kein einziger Ball zurückfliegt." Der Juso-Chef warf der CDU Regierungstätigkeit vor: "Wir kommen nicht zum Arbeiten."
Heftiger Streit bei Anne Will um den Zustand in der Großen Koalition
Ziemiak warf der SPD "Ideen aus der Mottenkiste" vor, und erinnerte an die eigenen Papiere. Kühnert: "Keinen Mensch interessieren Ihre Papiere!"
Juso-Chef Kevin Kühnert am Sonntagabend in der ARD neben der Grünen-Politikerin Marina Weisband.ard-screenshot
Wenig später erklärte der Juso-Chef, dass "Koalitionsverträge auf vier Jahre nicht mehr der Geschwindigkeit entsprechen, in denen wir politische Debatten führen." Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente müsse entfallen, forderte der SPD-Politiker.
Worum geht's?
Seit Mai ringen Union und SPD um das Grundrenten-Konzept, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegt hat. Mit der Grundrente sollen Menschen, die trotz langer Beitragszeit nur sehr wenig Rente bekommen, einen Zuschlag erhalten. Die Gesamtkosten sollten zunächst bei unter zwei Milliarden Euro pro Jahr liegen. Mittlerweile geht man in der Regierung von einer deutlich höheren Zahl aus: Die Union schätzt die Kosten auf 4,8 Milliarden.
Einigkeit besteht darüber, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen. Kernstreitpunkt bei der Grundrente ist die Frage der Bedürftigkeitsprüfung. Bei einer solchen Prüfung wird das Vermögen des Antragsstellers berücksichtigt – dazu zählen auch Bargeld, Wertpapiere, Immobilien, Autos und Schmuck und verschiedene Einkommenswege wie die Einkünfte aus Minijobs, selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung. Die SPD sperrt sich gegen eine Bedürftigkeitsprüfung: Die Sozialdemokraten fürchten, dass im Falle einer solchen Prüfung viele Bedürftige sich einem Antrag verweigern würden.
Anne Will: Kühnert geht Ziemiak hart an
Kühnert und Ziemiak waren zwar beim Du, freundschaftlich gingen die beiden Nachwuchspolitiker dennoch nicht miteinander um. Kühnert nutzte die letzten Minuten der Sendung, um den CDU-Beschluss, der eine Koalition mit Linkspartei und AfD kategorisch ausschließt, zu verspotten: "Ich verstehe Eure Rolle. Ihr müsst die Linke bescheuert finden – aus ideologischen Gründen. Wenn Ihr die Bürotür zumacht, dann muss da eine Dartscheibe hängen mit dem Bild von Bodo Ramelow drauf, und dann könnt Ihr den ganzen Tag Pfeile drauf werfen, das ist kein Problem."
Worum geht's?
Nach der Landtagswahl in Thüringen hatte der dortige CDU-Chef Mike Mohring kurzzeitig eine Koalition mit der Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow ins Spiel gebracht. Einen Tag später machte er einen Rückzieher – und bezog sich auf einen Parteitagsbeschluss der CDU, der ein Bündnis mit der Linken und der rechtspopulistischen AfD gleichermaßen ausschließt.
Während Kühnert sich unter großem Applaus vom Studio-Publikum feiern ließ, schüttelte Ziemiak den Kopf. Die Gleichsetzung von AfD und Linken erklärte Kühnert zur "Verharmlosung von jemandem, der nicht ohne Grund Faschist genannt werden darf." Ziemiak wehrte sich: "Ich würde Herrn Ramelow auch nicht mit Herrn Höcke vergleichen, ist doch logisch und selbsterklärend."
Der CDU-Politiker sieht in einer theoretischen Koalition seiner Partei mit den Linken den "Gipfel der Beliebigkeit". Wenn man das täte, dann verlöre man "zurecht" an Glaubwürdigkeit.
Ob man auch an Glaubwürdigkeit verliert, wenn man sich ständig mit seinem Koalitionspartner in der Öffentlichkeit zankt, sagte Ziemiak nicht.
(pb/mit dpa)
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