Es dürfte jetzt brenzlig werden für den Innenminister und seinen obersten Verfassungsschützer. Noch während Horst Seehofer am Donnerstag im Bundestag spricht und Hans-Georg Maaßen gegenüber Kritikern verteidigt, veröffentlicht das Recherche-Magazin "Kontraste" das nächste belastende Material:
Maaßen soll Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 noch vor dessen Veröffentlichung an die AfD weitergegeben haben.
Gegenüber "Kontraste"
sagte der AfD-Politiker Stephan Brandner, Maaßen habe ihm bei einem
persönlichen Treffen am 13. Juni dieses Jahres "Zahlen aus dem
Verfassungsschutzbericht" genannt, der "noch nicht veröffentlicht"
gewesen sei. Bundesverfassungsschutz und BMI schweigen zu der Sache.
Auf Wunsch des Innenministeriums spreche er regelmäßig mit Abgeordneten aller Parteien. Darin ginge es auch um die aktuelle Sicherheitslage etwa in Bezug auf islamistischen Terrorismus.
Dennoch reißen die Rücktrittsforderungen nicht ab. Am Donnerstag sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: "Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln."
Auch die Bundestagsdebatte vom Donnerstag spiegelt wider, wie ernst die Lage für Maaßen und Seehofer geworden ist.
Eigentlich sollte sie sich heute um den knapp 16 Milliarden schweren Etat des Innenministeriums drehen. Aber stattdessen gab es Gejohle und scharfe Kritik für Seehofer.
Die Krux ist Folgende: Lässt sich Maaßen wegen der neuen Enthüllung nicht halten, muss der Innenminister zurückrudern. Seehofer aber ist selbst bereits in schwerer Bedrängnis, seitdem er in einem Interview die Migration als "Mutter aller Probleme" bezeichnete und damit den Asylstreit in der Union wieder entfachte.
Vom Parlament erklingt einiges Gejohle, als Horst Seehofer am Donnerstagmorgen ans Mikrofon tritt. "Als die Regierung vor sechs Monaten antrat, wollten wir die Spaltung der Gesellschaft überwinden", sagt der Innenminister im Bundestag. Und mit Blick auf das erste halbe Jahr, so Seehofer weiter, habe die Große Koalition da eine "vorzügliche Arbeit" geleistet.
Vor allem der letzte Punkt erhitzt die Gemüter. Die schärfste Kritik kommt vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Konstantin von Notz. Er wirft Maaßen vor, das Kontrollgremium zu einem "bizarren Schauspiel" gemacht zu haben.
Zuerst hat Maaßen in einem "Bild"-Interview die Echtheit eines Videos angezweifelt, in dem Rechtsradikale einen Mann über die Straße jagen. Im Kontrollgremium hatte er von dieser These zwar Abstand genommen, stattdessen aber Medien beschuldigt, falsch über die Vorkommnisse von Chemnitz berichtet zu haben.
Andere Abgeordnete gingen den Innenminister direkt an, darunter Stefan Ruppert (FDP) und Victor Perli (Linksfraktion) – sie übten schwere Kritik an der Aussage von Seehofer, die Migration sei die Mutter aller Probleme.
Auch die SPD entzog Maaßen erneut das Vertrauen und stellte sich nach den Aussagen von Jusos-Chef Kevin Kühnert damit jetzt auch offen im Bundestag gegen Seehofer.
Im Parlament sagte Eva Högl, die Bevölkerung brauche Vertrauen in den Verfassungsschutz. Die SPD sei aber nicht überzeugt, dass Maaßen das Vertrauen wieder herstellen konnte, noch dass er den Schaden seiner Aussagen aufgefangen habe. "Wir halten ihn nicht für die Richtige Spitze am Verfassungsschutz."
Von der AfD kam keine dezidiert vorgetragene Kritik zur Debatte um Maaßen. Ihr Redner Gottfried Curio verteidigte stattdessen erneut die Demonstranten von Chemnitz und bezeichnete die nachweislich Tausenden Rechtsradikalen als "einige wenige". Weiter handele es sich bei der Einwanderung um "ein todbringendes Versagen der Regierung".
Proteste
würden kriminalisiert. Für einen Vergleich Curios zwischen dem ersten Weltkrieg und der Flüchtlingskrise erntete der AfD-Mann über die Debatte hinweg heftige Kritik vom Rest des Parlaments.