Es war die erste Sommerpressekonferenz von Friedrich Merz als Bundeskanzler. Über 90 Minuten lang stellte sich der CDU-Politiker den Fragen der Hauptstadtpresse, sprach über Gaza, Russland, die EU – aber auch über die gescheiterte Richterwahl, Grenzkontrollen und die deutsche Exportabhängigkeit.
Außenpolitisch dominierte die Lage im Nahen Osten. Mit dabei auch die Frage nach einem Völkerrechtsbruch durch Israel und die deutsche Staatsräson. Dabei wählte Merz nicht nur klare Worte zu Israels Vorgehen, sondern auch gegenüber einigen Journalist:innen. Besonders dann, wenn aus seiner Sicht unzulässige Vergleiche mit Russland gezogen wurden.
"Die Vorgänge im Gazastreifen sind für uns nicht mehr akzeptabel", stellte Merz klar, als es um die Menschenrechtsverletzungen Israels in Gaza ging. Auf kritische Nachfragen zum zurückhaltenden Umgang der Bundesregierung wiegelte Merz dies ab.
Die Regierung dringe darauf, "dass es dort erstens eine Feuerpause gibt und dass es zweitens dort eine umfassende humanitäre Hilfe für die Menschen in der Region gibt". Auch die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland "findet nicht die Zustimmung der Bundesregierung", betonte er.
Das drücke man "auch klar und deutlich aus", auch in persönlichen Gesprächen mit Mitgliedern der israelischen Regierung, sagte der Kanzler.
Auf eine Frage, warum Deutschland auf EU-Ebene eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel ablehne – obwohl gegen Russland Sanktionen verhängt wurden –, antwortete Merz: "Israel ist im Gegensatz zu Russland immer noch eine Demokratie. Israel ist im Gegensatz zu Russland ein Land, das angegriffen wurde."
Hätte sich Israel nicht zur Wehr gesetzt, "gäbe es den Staat Israel heute nicht mehr", sagte Merz. Diese Unterschiede seien "fundamental".
Er widersprach energisch dem Eindruck, Russland und Israel könnten in der Reaktion der Bundesregierung ähnlich behandelt werden: "Sie wollen nicht ernsthaft behaupten, dass Israel sich in einer vergleichbaren Situation befindet."
Russland führe "einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen ein Land, von dem keinerlei Bedrohung ausging", sagte Merz. Israel dagegen sei seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, bedroht – und "spätestens seit dem 7. Oktober 2023 wissen wir, dass diese Bedrohung bitterernst werden kann".
Wirklich konfrontativ wurde es am Ende des Nahost-Komplexes. Weil Merz der Formulierung eines Journalisten über einen "Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser" nicht widersprach, sah er sich mit der Nachfrage konfrontiert, ob er diese Ansicht also teile.
Daraufhin folgte ein bemerkenswert scharfer Satz von Merz: "Ich widerspreche grundsätzlich jeder Annahme, die Sie hier in irgendeiner Frage zugrunde legen." Und weiter: "Wenn das der Arbeitsmodus ist, in dem wir uns hier sehen, dann will ich hier grundsätzlich und vor der Klammer aller weiteren Fragen sagen: Ich widerspreche dieser Annahme. Grundsätzlich und fundamental."
Damit verpasste er eine Generalabsage an jegliche implizite Deutung der Fragen.
Merz betonte mehrfach, Deutschland stehe fest an der Seite Israels, sehe aber auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung. Es gehe darum, beiden Seiten gerecht zu werden. Doch seine Wortwahl ließ keinen Zweifel daran, wo die Prioritäten liegen – und wie wenig Lust er auf moralische Gleichsetzungen hatte.