Die Letzte Generation macht seit 2021 öffentlichkeitswirksam mit Protesten und Sitzblockaden auf die Klimakrise aufmerksam. Mit zivilem Ungehorsam versucht die Gruppe deutschlandweit, ihren Anliegen Gehör zu verschaffen und Entscheidungsträger:innen zum Klimaschutz zu bewegen.
Straßenblockaden, Klebeaktionen und Sachbeschädigung in Museen stießen dabei nicht immer auf Verständnis in der Gesellschaft, sondern polarisierten stark. Mittlerweile ist Schluss mit Kleben. Die Letzte Generation will jetzt politisch mitmischen.
Dafür will die Klima-Protestgruppe im Juni erstmals bei der Europawahl antreten. Unter dem Namen "Parlament aufmischen – Stimme der Letzten Generation" möchte sie ins EU-Parlament einziehen und politische Entscheidungen mitbestimmen.
Beim Wahlkampf schlägt die Gruppe jetzt einen ungewöhnlichen Weg ein.
Statt vorproduzierte Videos auf sozialen Kanälen zu teilen und damit für Wählerstimmen zu sorgen, will die Letzte Generation den Wahlkampf ganz in die Hände junger Tiktok-Nutzer:innen geben.
Statt auf Menschen zu setzen, die die Gruppe bereits unterstützen, sollen "gewöhnliche Tiktok-Nutzer:innen, die sonst keine Verbindung zur Bewegung haben" die Inhalte des Wahlkampfs bestimmen, schreibt die Gruppe in einem aktuellen Pressestatement.
Kurz: Jede Person mit Tiktok-Account soll sich aufgerufen fühlen, ein Video und Inhalte zur Klimakrise zu teilen. Wie das genau aussehen soll, lässt die Gruppe größtenteils offen. Lediglich ein kurzes Video auf dem offiziellen Account der Gruppe dient als Anleitung.
Auf watson-Nachfrage erklärt eine Sprecherin: "Die Menschen, die in unseren TikTok-Challenges Videos drehen, entwickeln Inhalte, Meinungen und Emotionen über die Klimakatastrophe. Diese machen sie bewusst zugänglich für die Öffentlichkeit und genau das ist es, was wir in Zeiten von Unehrlichkeit brauchen."
Jeder Mensch sei jetzt gefragt, Stellung zu beziehen. "Das geht nun von überall und jederzeit. Somit machen wir es für viele sehr viel einfacher, ihre Stimme zu benutzen. Da sehen wir viel Potenzial", teilt die Sprecherin mit.
Das Endergebnis sei komplett der kreativen Freiheit überlassen. "Es kann witzig, informativ, inspirierend, politisch oder einfach nur random sein", heißt es. Jede Woche bis zur EU--Wahl soll eine Challenge stattfinden, deren Gewinner:in Preise wie Bahntickets winken.
Mit der Aktion will die Gruppe vor allem potenzielle junge Wähler:innen für sich gewinnen, die auf Tiktok die größte Nutzergruppe darstellen. Hintergrund ist, dass in diesem Jahr erstmals Wähler:innen ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben dürfen.
Die Letzte Generation ist nicht die einzige politische Vereinigung oder Partei, die Tiktok als Medium für sich nutzen will. Erst kürzlich starteten Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eigene Kanäle. Andere Politiker:innen sind bereits seit Jahren auf der Plattform aktiv.
In jüngster Vergangenheit rückten aber vor allem die steigenden Aktivitäten und Reichweiten rechter Politiker:innen und Influencer:innen in den Fokus. Das "ZDF Magazin Royale" etwa widmete dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, eine ganze Folge.
Krah postet regelmäßig Videos, in denen er Stimmung gegen öffentlich-rechtliche Medien, Klimabewegungen und Menschen mit Migrationsgeschichte macht.
Mit ihrer Tiktok-Aktion will die Letzte Generation auch explizit gegen diesen rechtspolitische Dominanz auf der Plattform angehen, heißt es in dem Statement. Sorge vor Trolls scheint die Letzte Generation nicht zu haben: Nach eigenen Angaben vertraut die Gruppe bei den Video-Inhalten "auf die Intelligenz und Kreativität der Masse".