Kevin Kühnert, der scheidende Bundesvorsitzende der Jusos, reibt sich bei seiner Rede beim Online-Bundeskongress der Jungsozialisten (Jusos) im Willy-Brandt-Haus die Tränen aus den Augen.Bild: dpa-Pool / Kay Nietfeld
Deutschland
Mit einer emotionalen Rede hat sich SPD-Vize Kevin
Kühnert aus dem Amt des Juso-Chefs verabschiedet und seinen Verband
aufgefordert, am linken Kurs festzuhalten. "Es hat mir bombastischen
Spaß gemacht", betonte er am Samstag unter Tränen beim digitalen
Bundeskongress der Jungsozialisten. Die Jusos rief er auf, sich nicht
kleinmachen und unterkriegen zu lassen. "Lasst euch nicht erklären,
dass die Debatten nicht wichtig sind", forderte er.
Kühnert tritt nach drei Jahren vorzeitig als Juso-Chef zurück, weil
er im kommenden Jahr in den Bundestag einziehen will. Die Parteichefs
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bedankten sich für seine
Unterstützung bei ihrer Wahl vor einem Jahr und bei der Profilierung
der SPD.
"Du hast als Gesicht der Jusos die Jusos auf eine neue Art
in das öffentliche Bewusstsein zurückgebracht", sagte Walter-Borjans.
Selten zuvor hätten Juso-Positionen so stark auf die Partei
eingewirkt. "Du bist unglaublich präsent und du bist auf eine
unglaublich konstruktive Art auch umstritten."
Die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bedankten sich bei Kühnert.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Kühnert: "Warum soll das eigentlich nur in Krisenzeiten möglich sein?"
Kühnert rief die Jusos auf, an ihrem linken Kurs festzuhalten. Gerade
in der Corona-Krise zeige sich, dass sich viele ihrer jahrealten
Forderungen umsetzen ließen: die Aussetzung der Schuldenbremse, hohe
staatliche Investitionen, Jobgarantien durch ein ausgeweitetes
Kurzarbeitergeld, mehr Schulbusse am Morgen. "Warum soll das
eigentlich nur in Krisenzeiten möglich sein?", fragte Kühnert. Viele
Menschen müssten jetzt zähneknirschend eingestehen, dass die
angeblich utopischen Ideen der Jusos gar nicht so abwegig seien.
Kühnert bekräftigte in diesem Zusammenhang die Forderung nach höheren
Steuern für Vermögende.
Der 31-Jährige beschrieb in seiner Rede die Aufgabe der Jusos: Sie
seien kein Debattierclub, sondern wollten Einfluss nehmen auf
politische Entscheidungen. Dabei sei es ihnen in den vergangenen
Jahren auch darum gegangen, die Parteien aufzurütteln, die sich alle
zu sehr in der Mitte des politischen Spektrums versammelt hätten und
sich alle irgendwie einig seien. "Als Antwort auf unsere Vorschläge
will ich nicht hören "Mann, seid ihr verrückt", sondern ich will
Gegenvorschläge hören", betonte er.
"Mehr auf Jusos zu hören, heißt häufig auch früher zu merken, wo brenzlige politische Debatten anstehen"
Die Jusos seien häufig mehr am Puls der Zeit gewesen, als viele
realisiert hätten. Viele ihrer Vorschläge seien zunächst nicht ernst
genommen worden, würden inzwischen aber in der SPD ernsthaft
diskutiert - etwa ein fahrscheinloser Nahverkehr. "Mehr auf Jusos zu
hören, heißt häufig auch früher zu merken, wo brenzlige politische
Debatten anstehen", sagte er.
Die Parteichefs bekräftigten, dass sie in der großen Koalition keine
Zukunft sehen. Zwar gelinge es ihr gerade, das Land in der Krise über
Wasser zu halten wie ein Schiff in schwerer See. "Aber man muss sich
auf Zeiten einrichten, wo die See wieder etwas ruhiger wird und wo
die Frage gestellt wird, wohin fährt das Ding denn überhaupt", sagte
Walter-Borjans. "Diese Koalition ist nicht die, mit der man den Kurs
in die richtige Zukunft dieses Landes führt."
Esken kritisiert Altmaier
Esken lobte ihren ehemaligen Konkurrenten und jetzigen
Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Der Vizekanzler sei "ein feiner Kerl",
sagte sie. Wenn er in der Corona-Krise neben dem Finanzminister nicht
quasi auch noch Wirtschaftsminister wäre, "würde gar nichts laufen".
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dagegen bleibe sehr blass.
"Für die CDU ist die Abwesenheit von Politik die beste
Wirtschaftspolitik", kritisierte Esken.
Saskia Esken an der Seite von Kevin Kühnert.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Die Jusos wollten am Samstag die Briefwahl zur Nachfolge Kühnerts
anstoßen. Einzige Kandidatin ist die frühere nordrhein-westfälische
Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal. Das Ergebnis der Abstimmung soll
am 8. Januar bekanntgegeben werden.
Rosenthal warnte die SPD vor einem allein auf Scholz zugeschnittenen
Bundestagswahlkampf. "Ich will keine Kampagne sehen, in der es immer
nur um einen einzigen Menschen geht", sagte die 28-Jährige den
Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). "Olaf Scholz ist klar,
dass er Angebote an die Jusos und junge Menschen machen muss. Die
fordere ich ein." Die Jusos wollen mehrere Forderungen auch im
Wahlprogramm der SPD unterbringen. Dazu gehört etwa eine staatliche
Garantie auf einen Ausbildungsplatz und eine Jobgarantie.
(hau/dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz' (SPD) Vertrauensfrage am 16. Dezember soll den Weg für die Neuwahlen im Februar ebnen. Es gilt als reine Formalität, damit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dann den Bundestag auflösen kann.