Die Sommerpause des Bundestages ist seit dieser Woche vorbei. So richtig los ging die Sitzungswoche am Mittwoch – mit einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Vor Merkel hatte zunächst die AfD das Wort, als größte Oppositionspartei im Bundestag steht ihr das zu. Für die Fraktion sprach Alice Weidel und zeichnete ein geradezu dystopisches Bild von Deutschland.
Die Wirtschaft gehe den Bach runter (der vermeintlich ökosozialistischen Politik der Großen Koalition sei Dank) und das Land versinke in Kriminalität durch Flüchtlinge – ein Sammelsurium der "Erfolgsthemen" der AfD. Positive Reaktionen aus den anderen Fraktionen im Parlament gab es darauf wie gewohnt keine. Die gibt es dann später von den eigenen Fans auf Facebook.
Nach Weidels Rede voller Antipathien und rechter Buzzwords dann das Kontrastprogramm: Merkel sprach über die großen Themen dieser Zeit, Europa, den Brexit, den Klimawandel. Auf die Rede Weidels ging die Kanzlerin mit keinem Wort ein. Nur an einer Stelle wirkte ihre Rede wie eine Reaktion.
Fast gegen Ende der Ansprache rief Merkel die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, gegen jede Form von Intoleranz und Ausgrenzung einzutreten.
"Das, was wir täglich erleben an Angriffen auf Juden, Angriffen auf Ausländer, Gewalt und auch verhasste Sprache – das müssen wir bekämpfen", sagte die Kanzlerin weiter.
Ihre Regierung wolle dazu beitragen, indem sie das Ehrenamt stärke. Nötig sei aber auch das Bekenntnis der Bürger zum Grundgesetz. Die Regierung könne "noch so viel an Steuermitteln in verschiedene und wichtige Projekte verteilen", sagte Merkel. "Der Staat lebt vom Willen und der Haltung seiner Bürgerinnen und Bürger."
Kurz vor den entscheidenden Beratungen der Bundesregierung hat Merkel um Akzeptanz für zusätzliche Maßnahmen zum Klimaschutz geworben. "Wenn wir den Klimaschutz vorantreiben, wird es Geld kosten – dieses Geld ist gut eingesetzt", sagte sie. Ein Ignorieren würde aber mehr Geld kosten. "Nichtstun ist nicht die Alternative."
Die Kanzlerin betonte auch mit Blick auf die geplanten Entscheidungen im Klimakabinett am 20. September, es gehe um einen "gewaltigen Kraftakt". Der Klimaschutz solle sich an Innovation und Mechanismen der sozialen Marktwirtschaft orientieren.
Merkel nannte es den "richtigen Angang", über eine Bepreisung und Mengensteuerung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) Lösungen zu finden und gleichzeitig Unterstützung anzubieten. Sie warb für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dazu gehöre Akzeptanz für neue Leitungen und Windanlagen, die meist auf dem Land entstehen. Um einer "Arroganz" von Stadtbewohnern entgegenzuwirken, brauche es ein "Bündnis von Stadt und Land". Kommunen müssten an Gewinnen von Windanlagen beteiligt werden. Merkel warnte zudem davor, nationalen gegen internationalen Klimaschutz auszuspielen. Dieser erspare die eigene "häusliche Anstrengung" nicht.
Eine Passage hier hörte sich wie ein Seitenhieb gegen die AfD an, die den menschengemachten Klimawandel leugnet: "Wir müssen auch die Grundentscheidung treffen, ob wir das Risiko eingehen wollen zu sagen: Das ist gar nicht menschengemacht und vielleicht vergeht das alles."
Die Kanzlerin rief auch angesichts weltweiter Kräfteverschiebungen zu einer engeren Zusammenarbeit in der Europäischen Union auf. Die EU stehe einerseits durch den Austritt Großbritanniens geschwächt da. "Auf der anderen Seite ist es die Stunde, neue Stärke zu entwickeln." Beim Brexit sieht Merkel noch Chancen für einen geordneten Austritt. Deutschland sei aber auf einen ungeordneten Brexit vorbereitet. Geplant ist der EU-Austritt Großbritanniens am 31. Oktober.
Merkel ging auch auf die Abkühlung der Konjunktur in Deutschland ein. Man müsse gegenüber dem Finanzplan mit sinkenden Steuereinnahmen für den Staat rechnen. Es gebe aber bei Investitionen etwa in Infrastruktur derzeit keinen Mangel an Geld, sondern es gebe nicht ausreichende Planungskapazitäten. Nötig sei eine Beschleunigung der Planungsverfahren und der weitere Abbau von Bürokratie.
Mit Blick auf die Digitalisierung sagte Merkel, Europa müsse seinen Rückstand bei wichtigen Technologien aufholen. "Wir müssen technologisch wieder auf Weltmaßstab kommen." Merkel verwies etwa auf die Herstellung von Chips, die Plattformwirtschaft und die Batteriezellenproduktion. Bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz müsse Europa besser werden und Anschluss halten. Bei der Digitalisierung müsse auch der deutsche Mittelstand mehr Anstrengungen zeigen. Merkel bot ein "Bündnis von Mittelstand und Bundesregierung" an.
Merkel betonte außerdem das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Die Entwicklungen zwischen Stadt und Land seien völlig unterschiedlich. "Darauf müssen wir Antworten finden." Dazu gehöre etwa der Breitbandausbau oder die ärztliche Versorgung.
(fh/dpa)