Was viele nicht wussten: Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, Mitglied der konservativen CDU/CSU-Splittergruppe Werte-Union, ist eigentlich links.
Zumindest sagt er das selbst.
Klar. Rechts sind natürlich immer die anderen. Maaßen hingegen ist Vernunft, ist Mitte, so seine Botschaft. Das klingt dann so: Er sei nicht in die CDU eingetreten, "damit wir eine Migrationspolitik haben, wie sie jetzt aussieht: millionenfache ungesteuerte Einwanderung, eine geringe Zahl an Abschiebungen, Integrationsdefizite, überproportionale Straftaten von Asylsuchenden, islamistische Terroranschläge, Übergriffe in Schwimmbädern."
Er wolle nicht in die rechte Ecke gestellt werden, sagt er in dem Interview. "Nur weil man die Klimapolitik und die Migrationspolitik kritisiert, nur weil man Bedenken hat, was einige Punkte der Sicherheitspolitik angeht, ist man nicht automatisch rechts."
Und da hat er natürlich Recht. Niemand ist rechts, weil er die Flüchtlings- oder Klimapolitik kritisiert. Es kommt immer auf die Art und Weise an. Maaßen aber suggeriert, es gebe einen Automatismus: Wer kritisiert, ist rechts. Doch einen solchen Automatismus gibt es nicht.
Dass Maaßen für seine rechten Positionen selbst innerhalb der CDU kritisiert wird, liegt allein an Maaßen selbst.
Die ersten vier Zitate stammen aus einer Rede Maaßens Mitte Oktober 2018 vor europäischen Geheimdienstchefs in Warschau. Maaßen war da gerade als Verfassungsschutzpräsident in den Ruhestand versetzt worden. Die Rede zeigte, wie weit Maaßen sich bereits rechten Verschwörungstheorien angenähert hatte. Spätestens dort ließ Masked Maaßen seine Maske fallen und spielte mit der Legende von der Abschaffung Deutschlands durch linke Kräfte. Tenor: Er sei von Linksradikalen in der SPD quasi aus dem Amt gemobbt worden.
Der Mann, der in höchster Instanz die Verfassung schützen sollte, warf "den" Medien gezielte Verbreitung von Falschinformation vor und scheut sich auch nicht, die freie Presse in Deutschland in die Nähe von russischen Desinformationskampagnen zu bringen.
Maaßen sah sogar linksradikale Kräfte in der SPD walten. Und offenbarte ein sehr exklusives Verständnis des Radikalismusbegriffes. Zumindest damit aber hätte sich ein oberster Verfassungsschützer auskennen müssen. Mehr noch: Maaßen glaubt, linksradikale Kräfte in der SPD hätten dann auch noch mit "den" Medien gemeinsame Sache gemacht, um so eine Art Kampagne gegen ihn zu fahren.
Das erinnert sehr an eine Legende, die sich Rechte im verschwörungsanfälligen AfD-Milieu gern und oft erzählen. Deutschland sei bedroht. Von Links."Links-grün-versiffte" "Altparteien" und "Systemmedien" würden beispielsweise durch die Flüchtlingspolitik Deutschland unterwandern und die Demokratie untergraben. Das nennen sie "Bevölkerungsaustausch". Deshalb sei Widerstand geboten.
Hans-Georg Maaßen nahm einmal mehr die klassisch Opferhaltung ein, wie sie neurechte Erzählungen durchziehen. Er, der Unbequeme, der Kritiker, der Tabubrecher, der von Politikund Medien zum Schweigen gebracht werde.
Zur Erinnerung: Maaßen hatte die Echtheit eines Videos hinterfragt, das Attacken auf vermeintliche Ausländer in Chemnitz zeigen sollte. Der Verfassungsschutz-Chef erklärt allerdings nicht, wer hinter einer möglichen Fälschung stecken könnte, er liefert auch keine Belege, warum er das Video für nicht authentisch hielt.
Stattdessen befeuerte er Spekulationen und Verschwörungstheorien. Er sagte, es sprächen "gute Gründe" dafür, dass es sich bei dem Video "um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken".
Gesagt hat er das bei einem Auftritt vor dem CDU-Ortsverband Weinheim. Der Saal soll ihm daraufhin lautstark zugejubelt haben. Dort sagte er auch, dass ihn die Kritik gegen seine Person an den Umgang totalitärer Staaten mit Oppositionellen erinnere.
Schiefe Vergleiche mit totalitären Systemen hat Maaßen immer wieder mal im Repertoire.
Maaßen teilte einen Link zu einem Artikel der "Neuen Zürcher Zeitung" mit der Überschrift: "In deutschen Städten sieht die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen". Er twitterte dazu: "Für mich ist die NZZ so etwas wie 'Westfernsehen'."
Und verglich damit indirekt deutsche Medien mit der DDR-Einheitspresse. Der Grünen-Politiker Volker Beck etwa erwiderte: "Wir haben also nach Ihrer Ansicht, geschätzter Herr Maaßen, in Deutschland Zensur & staatlich gelenkte Medien wie in der DDR?"
Und der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz meinte: "Ein früherer Präsident des Verfassungsschutzes vergleicht die deutschen Medien mit der SED-Einheitspresse. Bisher brüllten nur die völkisch-nationalistische AfD und Pegida 'Lügenpresse'. Die sog. 'Werte'-Union verliert völlig die Orientierung."
(ts)