Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in der Corona-Krise Grund zur Hoffnung, hat aber mit Blick auf mögliche Lockerungen zugleich vor "falschen Hoffnungen" gewarnt. "Ich sehe ein leichtes Licht am Ende des Tunnels, aber es ist eine unglaublich schwere Zeit", sagte Merkel am Donnerstag in einem Interview der Sender ntv und RTL. Der Scheitelpunkt der zweiten Welle sei überschritten. Die Infektionszahlen gingen deutlich herunter, es kämen zunehmend Impfungen. Allerdings seien Zielwerte noch nicht erreicht.
Merkel verwies auf die Gefahr durch Mutationen des Virus. Sie warb erneut um Verständnis für ihre Politik. Sie müsse immer wieder "harte Entscheidungen" treffen. "Und wie gerne würde ich auch was Gutes verkünden. Aber es hat ja keinen Sinn, wir dürfen ja auch keine falschen Hoffnungen wecken, und deshalb versuche ich, immer realistisch zu sein."
Bund und Länder wollen am 10. Februar über ihr weiteres Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Bei ihren Beratungen am 19. Januar hatten sie beschlossen, den Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie bis Mitte Februar zu verlängern. Restaurants und Bars, Freizeiteinrichtungen sowie viele Geschäfte bleiben zumindest bis zu diesem Zeitpunkt geschlossen. Bund und Länder hatten aber zugleich vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe ein Konzept für eine "sichere und gerechte" Öffnungsstrategie erarbeiten soll.
Auf die Frage, was bei der Konferenz mit den Länder-Regierungschefs herauskommen werde, sagte Merkel: "Ich kann's Ihnen noch nicht sagen, was wir Mittwoch machen werden, weil ich noch fünf Tage die Entwicklung abwarten muss. Weil ich mir angucken muss, wie weit ist das britische Virus schon vorgedrungen."
Deutschland könne es sich nicht leisten, in eine Situation zu geraten, wie es etwa Portugal passiert sei: "Große Öffnungen um die Weihnachtszeit, die britische Version des Virus, und dann ein überlastetes Gesundheitssystem".
Merkel sagte, es solle am Mittwoch eine Entscheidung geben, die insgesamt für die Wirtschaft gut sei. "Wenig Infektionszahlen bedeuten auch eine bessere Situation für die Wirtschaft, das haben alle Untersuchungen gezeigt." Sie bekräftigte Aussagen, die Alternativen seien nicht Gesundheit oder Wirtschaft beziehungsweise Gesundheit oder Bildung, sondern beides gemeinsam.
Die Kanzlerin zeigte sich in dem Interview betroffen über Schicksale von alten Menschen, die bei ausbleibenden Impfungen in Angst vor einer tödlich verlaufenden Corona-Infektion leben müssen. "Da gibt es dramatische Schicksale." Umso mehr müsse man die anderen Schutzregeln einhalten, gerade in den Pflegeheimen. "Wir müssen jetzt ganz, ganz vorsichtig noch sein, damit auf den letzten Metern nicht so viele Menschen noch sterben." Merkel verteidigte zudem ihre Entscheidung, die Impfstoffe über die EU-Kommission zu erwerben. Verzögerungen bei der Lieferung von Impfstoffen stehen heftig in der Kritik.
(mse/dpa)