Familienunternehmer: Wirtschaftsverband öffnet Tür zur AfD – und löst scharfe Kritik aus
Die Frage, wie in Deutschland mit der AfD umgegangen werden soll, spaltet seit Jahren Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Während in vielen Parteien und Verbänden eine klare Linie gezogen wird, beginnt sich an einzelnen Stellen etwas zu verschieben: Gesprächskanäle, die lange tabu waren, werden vorsichtig geöffnet.
Besonders viel Aufsehen erregt aktuell der Verband Die Familienunternehmer, einer der einflussreichsten Wirtschaftsverbände in Deutschland. Sein Schritt, den Dialog mit der AfD zu suchen, stößt parteiübergreifend auf Protest. Warnungen vor wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen kommen von vielen Seiten.
Die Debatte zeigt, wie fragil die sogenannte Brandmauer zwischen demokratischen Kräften und rechten Populist:innen geworden ist.
Verband will Gespräche mit AfD-Abgeordneten führen
Die Präsidentin des Verbands, Marie-Christine Ostermann, erklärte gegenüber dem "Handelsblatt": Das bisher geltende "Kontaktverbot" zur AfD sei nicht länger gültig. Bei einem parlamentarischen Abend Anfang Oktober sei diese Linie aufgegeben worden.
Bereits im Frühjahr habe der Verband entschieden, "dass wir mit einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch kommen", sagte Ostermann. Die AfD müsse "inhaltlich gestellt werden". Darum sei Dialog notwendig, so ihre Begründung.
Nach Angaben des Verbands vertreten die Familienunternehmer rund 6500 mittelständische Unternehmen in Deutschland. Die Öffnung gegenüber der AfD wird dort als strategische Entscheidung begründet: Man wolle Sachthemen diskutieren, auch wenn es politische Differenzen gebe.
Ökonom Fratzscher warnt vor Normalisierung
Aus der wissenschaftlichen Community kommen prompt mahnende Stimmen. Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält Dialogversuche für hochriskant. "Die AfD wie eine normale Partei zu behandeln, könnte erheblichen Schaden für die deutsche Wirtschaft im Ausland wie im Inland anrichten", sagte Fratzscher dem Medium.
Verbände und Unternehmen müssten "politisch wie gesellschaftlich klare Positionen beziehen und diese öffentlich und sichtbar kommunizieren", betonte er.
Grüne kritisieren AfD-Umgang scharf: "eine gefährliche Relativierung"
Auch aus der Politik kommt deutliche Kritik. Die stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz und Andreas Audretsch, verurteilten die Entscheidung in deutlichen Worten. "Eine gesichert rechtsextreme Partei, vor der unsere Sicherheitsbehörden vehement warnen, kann kein Gesprächspartner für Demokratinnen und Demokraten sein", sagten sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die beiden Grünen-Politiker warfen Ostermann vor, mit ihren Aussagen "ihre persönliche politische Agenda" zu verfolgen und nicht den Willen der Mehrheit der mittelständischen Unternehmen zu vertreten. Von Notz und Audretsch teilten weiter mit:
Annäherung an die AfD? Kritik auch aus der Union
Auch aus der CDU kommt scharfer Widerspruch. Die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, warnte vor wirtschaftlichen Konsequenzen einer Annäherung an die AfD. Das AfD-Programm schade dem Wirtschaftsstandort massiv, sagte sie dem "Handelsblatt".
Mit Blick auf die außenwirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands warnte Connemann: "Eine nationalistische Wirtschaftspolitik à la AfD würde diese Exporte torpedieren, Lieferketten und Arbeitsplätze zerstören." Ihre Kritik zielt auch auf die Strategie mancher Wirtschaftsverbände, die AfD als vermeintliche Stimme wirtschaftlicher Unzufriedenheit einzubinden.
Die politische Debatte über den Umgang mit der AfD gehört zu den zentralen Konflikten des aktuellen politischen Klimas. In mehreren Bundesländern ist die Partei laut Umfragen stärkste Kraft, in Thüringen und Sachsen stellt sie bereits die Ministerpräsidentenfrage.
Mit der Öffnung eines großen Wirtschaftsverbands könnte sich nun auch in wirtschaftspolitischen Machtzentren etwas verschieben. Die Frage, ob die Brandmauer hält oder bröckelt, stellt sich damit drängender denn je.
(Mit Material der dpa)
