Bundeskanzler Olaf Scholz stellte am Montagabend Rede und Antwort bei "RTL Direkt". Bild: dpa / Andreas Friese
Deutschland
Am Montagabend stand Olaf Scholz in dem TV-Format "RTL Direkt" Rede und Antwort. Vier Bürgerinnen und Bürger durchlöcherten den Bundeskanzler mit Fragen zu diversen Themen und vertraten dabei jeweils unterschiedliche, teils völlig gegensätzliche Standpunkte.
Eine von ihnen ist die Ukrainerin Viktoria Prytuliak, die seit 16 Jahren in Deutschland lebt. Mit ihr sprach Olaf Scholz über den Krieg und die anstehende Lieferung von schweren Waffen.
Olaf Scholz sieht kein baldiges Kriegsende – Sorge vor Eskalation
Scholz sagte, dass er keine Anzeichen für ein baldiges Ende des Ukraine-Kriegs sehe. "Bisher ist es leider nicht so zu erkennen, dass die Einsicht gewachsen ist, dass man das jetzt hier so schnell wie möglich beendet", sagte er in der TV-Talkshow. Man müsse sich auch "Sorgen machen, dass es eine Eskalation des Krieges gibt".
Der Kanzler betonte aber, dass man sich dadurch nicht lähmen lassen dürfe: "Wir müssen in der Lage sein, vernünftige, sehr bewusste und auch sehr mutige Entscheidungen zu treffen. Die haben wir getroffen." Scholz betonte, dass Deutschland weiter Waffen in die Ukraine liefern werde. Er rechne mit einer "relativ zügigen" Bereitstellung der versprochenen Flugabwehrpanzer der Bundeswehr vom Typ Gepard. Er verwies aber darauf, dass dafür weiterhin Munition im Ausland gesucht werde.
"Was ist denn, wenn Putin mal richtig ausflippt?"
TV-Gast Chris Rücker, ein Stahlarbeiter aus Neuzelle, hielt nicht allzu viel von den Waffenlieferungen an die Ukraine, die zu einer weiteres Eskalation führen könnten. Er fragte besorgt: "Was ist denn, wenn der Putin mal richtig ausflippt? Was soll denn dann passieren?" Die Ukrainerin Viktoria Prytuliak entgegnete daraufhin, dass Waffen zwar keinen Frieden schaffen würden, aber sie immerhin Friedensverhandlungen in Gang setzen könnten.
Das bekräftige auch Scholz: "In der Tat geht es darum, bei den Dingen, die wir machen, die Ukraine in die Lage zu versetzen, dass sie sich verteidigen kann." Scholz betonte aber auch, dass er keine Entscheidung treffen werde, die zu einem direkten Konflikt zwischen der Nato und Russland führen würde. Eine Flugverbotszone, die den Einsatz von Kampfjets erfordern würde, lehnte er erneut ab. Das würde einen Kriegseintritt der Nato bedeuten, sagte er zur Begründung.
Olaf Scholz, vier Bürgerinnen und Bürger und Moderatorin Pinar Atalay bei "RTL Direkt". Bild: dpa / Andreas Friese
Es bleibe das Ziel, dass Russland den Krieg nicht gewinne, sagte der Kanzler. Aber die Ziele würden nicht darüber hinausgehen – "das wäre angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Nuklearmacht handelt, eine ganz falsche Zielsetzung". Scholz forderte Russland erneut zu einem Waffenstillstand und dem Rückzug seiner Truppen sowie Verhandlungen mit der Ukraine auf.
Scholz über anstehende Kiew-Reise
In der Talkshow erläuterte der SPD-Politiker außerdem seinen Standpunkt zu einer möglichen Kiew-Reise. Es müsse bei einem Besuch vor Ort "darauf ankommen, dass konkret was vorangebracht wird, und es darf nicht nur ein Fototermin sein", sagte Scholz am Montagabend. "Ich werde mich nicht einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge."
Scholz betonte zudem, er habe bereits viele Stunden mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Dieser hatte Anfang Mai die gesamte Bundesregierung sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew eingeladen. Vorausgegangen war der Einladung eine Kontroverse darum, dass Steinmeier wegen seiner Russland-Politik in seinem früheren Amt als Bundesaußenminister zunächst nicht in Kiew willkommen war.
Kritik an fehlender Symbolpolitik
Medienexperte Johannes Hillje kritisierte auf Twitter Scholz' ablehnende Haltung gegenüber der Kiew-Reise als möglichem Fototermin – damit würde er "die Wirkung der Bilder und die Bedeutung der Symbolik für die ukrainische Bevölkerung" unterschätzen. "Mitbringen sollte er trotzdem etwas", räumte er ein. "Aber dass Politikherstellung nicht auch über Politikdarstellung laufen könne, zeugt von einem überholten Politikverständnis."
(fw/dpa/afp)
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