Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) steht nach dem Flug ihres Sohnes in einem Regierungshubschrauber weiter in der Kritik. Die Unionsfraktion bezeichnete die Nutzung der Bundeswehr für private Zwecke am Dienstag etwa als "stillos" und forderte weitere Aufklärung. Doch die SPD im Bundestag widersprach: Sie verwies darauf, dass Lambrecht sich an die Vorgaben für solche Reisen gehalten habe. Unterdessen bezogen zahlreiche Politiker Stellung.
Der Grund für den Rummel: Lambrecht war am Mittwoch vor Ostern in Begleitung ihres Sohnes in einem Regierungshubschrauber von Berlin nach Schleswig-Holstein gereist. Dort besuchte sie das Bataillon Elektronische Kampfführung 911. Im Anschluss daran machte sie mit ihrem Sohn Urlaub auf Sylt. Erschwerend kommt hinzu, so die Vorwürfe, dass Lambrechts Sohn ein Foto von sich im Regierungshubschrauber auf Social Media postete. Dazu die Worte: "Happy Easter!"
Dass sich ihr Sohn zu jenem Zeitpunkt offenbar keiner Schuld bewusst war, unterstreicht auch die Ortsmarkierung über dem Foto: "Bundesministerium der Verteidigung". Nun wird darüber diskutiert, inwiefern das Verhalten Lambrechts und das ihres Sohnes rechtmäßig war.
Darüber hinaus berichtete die "Bild"-Zeitung am Dienstag, dass Lambrecht schon in ihrer Zeit als Justizministerin ihren Sohn auf "insgesamt sieben Auslandsreisen" mitgenommen habe. Demnach bestätigte das Justizministerium Reisen nach Slowenien, Helsinki, Liechtenstein, Lissabon, Luxemburg, Paris und Prag. Die Kosten seien stets privat bezahlt worden. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Anfrage mitteilte, war der Flug nach Schleswig-Holstein im April jedoch "der einzige Mitflug eines Familienangehörigen" in Lambrechts Zeit als dortige Ressortchefin.
Das Bundesverteidigungsministerium hatte am Montag jedenfalls einen Medienbericht über einen womöglich unzulässigen Mitflug des Ministerinnen-Sohnes zurückgewiesen. Demnach ist die Mitreise rechtlich zulässig und Lambrecht übernahm wie vorgeschrieben die Kosten "zu 100 Prozent".
Aus der CDU häufen sich die kritischen Stimmen zu Lambrechts Verhalten. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), warf Lambrecht etwa einen politischen Fehler vor. "Die Verteidigungsministerin sollte als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt mehr Fingerspitzengefühl zeigen", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. Die Ministerin dürfe "nicht die Luftwaffe mit der Lufthansa verwechseln".
Auch Unionsfraktionschef in Berlin, Friedrich Merz (CDU), findet: "Wenn sie bei allem so eifrig in ihren Dienstgeschäften wäre wie bei der Mitnahme ihres Sohnes, dann stünde es bei der Verteidigung und um die Bundeswehr besser in diesem Land". Die Fraktionsexperten prüften derzeit noch, "ob da alles auch den Richtlinien entsprechend durchgeführt worden ist". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt empfahl Lambrecht, noch diese Woche das Parlament persönlich zu informieren.
Es erheben sich auch verteidigende Stimmen für Lambrecht: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nahm seine Parteikollegin etwa in Schutz. Nach dem, was er gelesen und gehört habe, scheine "doch alles richtig gemacht worden zu sein vor dem Hintergrund der Richtlinien", sagte er. "Christine Lambrecht ist da mit Sicherheit erfahren genug, dass sie hier alles dafür getan hat für die Transparenz und auch für die Rechtmäßigkeit."
Auch der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hält das Vorgehen letztlich für akzeptabel. Nach den bisherigen Meldungen habe sich Lambrecht "im Rahmen der Gesetze" bewegt, sagte der FDP-Politiker den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Dienstag. "Man mag diesen Vorgang für unsensibel oder tölpelhaft halten." Es könne aber niemandem rechtstreues Verhalten vorgeworfen werden.
Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, nahm Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gegen die Kritik in Schutz. Die Verteidigungsministerin mache ihren Job "sehr engagiert, ernsthaft und durchsetzungsstark". Es gebe größere Themen, über die man sich aufregen könne.
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht keinen Regelverstoß, aber ein anderes Problem: "Juristisch ist es korrekt", sagte sie im Deutschlandfunk. Politisch sei es aber nicht klug gewesen. "Wir stehen unter Beobachtung. Insofern muss man ein Gespür dafür haben, was vernünftig ist."
Der SPD-Politiker Ralf Stegner wies die Kritik der Union an Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) als Wahlkampfmanöver zurück. Lambrecht habe sich bei der Mitnahme ihres Sohnes in einem Bundeswehrhubschrauber an die Vorschriften gehalten, sagte Stegner am Mittwoch im Deutschlandfunk.
Er findet: „Der Versuch, das zu skandalisieren, ist echt daneben". Das sei "billig" und "sehr durchsichtig".
Die Opposition habe nichts anderes zu tun, "als über ihre Fingernägel oder Stöckelschuhe zu reden", statt darüber, was die Union Lambrecht in dem Amt hinterlassen habe, sagte Stegner. Das Ergebnis davon seien Flugzeuge, die nicht flugtauglich seien und Schiffe, die nicht in See stechen könnten. Das müsse Lambrecht nun in Ordnung bringen.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, sieht bei der Geschichte jedenfalls noch Klärungsbedarf. "Es gibt jetzt noch ein paar offene Fragen, und die werden geklärt werden müssen", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im RTL/ntv-"Frühstart". Dazu würden sicherlich auch das Ministerium und die Ministerin selbst ihren Beitrag leisten. Rücktrittsforderungen wies Roth zurück. "Wenn sich jemand regelkonform verhält, dann ist das kein Grund für einen Rücktritt."
(ast/dpa/afpx)