Die Bilder aus Hamburg dürften viele Menschen in Deutschland zumindest irritiert haben. Mehr als 1000 Demonstrierende, meist junge Männer, sind am Samstag dem Aufruf zu einer Kundgebung von Islamisten gefolgt. Im Stadtteil St. Georg protestierten sie gegen eine angeblich islamfeindliche Politik und Medienkampagne in Deutschland.
Auf Plakaten waren Slogans wie "Deutschland = Wertediktatur" oder "Kalifat ist die Lösung" zu lesen. Die Kundgebung wurde von einem Großaufgebot der Polizei gesichert. Zu Zwischenfällen kam es nicht.
Die Polizei gab die Zahl der Teilnehmer mit 1100 an. Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung Muslim Interaktiv nahe, die als gesichert extremistisch eingestuft ist.
Immer wieder wurden die Demonstranten von den Organisatoren zu "Allahu Akbar"-Rufen ("Gott ist groß") aufgefordert. Redner warfen Politik und Medien "billige Lügen" und "feige Berichterstattung" vor, mit denen vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs alle Muslime in Deutschland als Islamisten gebrandmarkt werden sollten.
Die Demo sorgte bundesweit für einen Aufschrei. Innenminiserin Nancy Faeser (SPD) nannte die Veranstaltung "schwer erträglich". Wie geht es nun weiter?
Die Innenministerin hat gegenüber des "Tagesspiegel" ein hartes Einschreiten des Staates bei Straftaten auf solchen Veranstaltungen gefordert. "Eine solche Islamisten-Demonstration auf unseren Straßen zu sehen, ist schwer erträglich. Es ist gut, dass die Hamburger Polizei mit einem Großaufgebot Straftaten entgegengewirkt hat", sagte Faeser der Zeitung.
Zwar sei es auf der Demo zu keinerlei Zwischenfällen gekommen, aber: Die roten Linien, bei denen der weitreichende Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit ende, müssten klar sein, machte die Ministerin deutlich. Diese Linien seien:
Auf Twitter stellt Faeser klar: "In Deutschland gelten gleiche Rechte für Frauen, Religionsfreiheit, Demokratie." Gegen islamistische Terrorpropaganda und Judenhass würde hart vorgegangen. "Wer ein Kalifat will, ist in Deutschland an der falschen Adresse", macht die Ministerin deutlich.
Auch aus Berlin werden harte Maßnahmen für die Demonstrierenden gefordert. Der Ruf nach einem Vereinsverbot steht ebenfalls im Raum. "Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland gefährdet, kann ausgewiesen werden", zitiert die "Welt" den FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle.
Wer bei einer Demonstration die Abschaffung von Grundrechten wie der Pressefreiheit fordere, erfülle diese Voraussetzung, sagte Kuhle weiter. Wenn möglich, müssten die zuständigen Behörden eine solche Ausweisung auf den Weg bringen.
"Die Gruppierung 'Muslim Interaktiv' steht der verbotenen islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir nahe und wirbt schon seit langem für die Einführung eines Kalifats", erklärte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lamya Kaddor, gegenüber der Zeitung. Seit langem fordere man bereits das Verbot von solchen Organisationen und Vereinen, die der Hizb ut-Tahrir nahestünden. Hier sei Faeser aufgerufen, "ein Vereinsverbot so schnell wie möglich umzusetzen", fordert die Grünen-Politikerin.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), nannte die Demonstration eine "Schande". Wer gegen Deutschland als angebliche "Wertediktatur" hetze und nach einem Kalifat rufe, "der hat bei uns nichts zu suchen und muss das Land so schnell wie möglich verlassen". CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisierte Bundesinnenministerin Faeser bei "Bild am Sonntag":
Der Rechtsstaat müsse sich "endlich zur Wehr setzen und Stärke zeigen".
Wurden auf der Demo verfassungsfeindliche oder justiziable Parolen gerufen? Dieser Frage gehen nun Staatsanwaltschaft und Polizei nach. Die einzelnen Parolen und Transparente würden von ihr auf strafrechtliche Relevanz überprüft, kündigte Polizeipräsident Falk Schnabel am Montag im ZDF-"Morgenmagazin" an. Merkt aber auch an:
Das Versammlungsrecht sei so gestrickt, dass es nicht zuerst darum gehe, bestimmte Meinungen zuzulassen oder zu verbieten. "Da sind wir von der Polizei, da ist unser Gesetz neutral", sagte Schnabel. Es gehe im Versammlungsrecht im Wesentlichen darum, ob eine Versammlung friedlich sei.
(dpa)