Einmal hautnah Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) oder Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) treffen. Am Wochenende war das möglich. Der Tag der offenen Tür der Bundesregierung hat am Wochenende Scharen von Besuchern ins Kanzleramt und in die Ministerien in Berlin gelockt.
Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) kam mit Besuchenden in Diskussionsrunden ins Gespräch. Dabei ging es unter anderem auch um die Kindergrundsicherung.
Ein Streitpunkt innerhalb der Ampel – unter vielen. Seit Tagen liegen sich die Grünen und FDP förmlich in den Haaren. Nun sorgte Lindner mit einem Vergleich für weiteren Zündstoff.
Die Kindergrundsicherung soll bisherige familienpolitische Leistungen zusammenfassen und das Verfahren für deren Bezug erleichtern. Die entsprechenden Pläne von Familienministerin Paus werden seit Wochen kontrovers diskutiert. Bundesfinanzminister Lindner sieht sie kritisch. Im Gegenzug stoppt Paus Lindners Gesetzentwurf für das Wachstumschancengesetz, das Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht.
Die Stimmung ist aufgeladen. "Ich wünsche mir eine Diskussion, die man sehr nüchtern miteinander führen muss", sagte Lindner im Gespräch mit interessierten Bürger:innen. In Deutschland sei die Kinderarmut deutlich zurückgegangen, meinte er. Er hielt bedacht Pausen zwischen seinen Worten. Mit seiner linken Hand schwenkte er auf und ab – als gäbe sie den Takt an.
Er ergänzte:
Als Grund sieht Lindner: Familien, die seit 2015 neu nach Deutschland eingewandert sind – als Geflüchtete oder aus anderen Gründen. Laut ihm gibt es einen "ganz klaren" statistischen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut.
Eine Aussage, die einigen sauer aufstößt.
"Aus Sicht der Bundesregierung – in Gestalt des Bundesfinanzministers – sind Ausländer also schuld an der Kinderarmut", wettert etwa Linken-Politiker Niema Movassat gegen Lindner. Auf X (ehemals Twitter) beschreibt der ehemalige Bundesabgeordnete die Aussage als "abgrundtief bösartig, abgrundtief ekelhaft".
Ihm falle zu dieser perfiden Strategie, nun arme Menschen verantwortlich für Armut zu machen, nichts mehr ein. Auch Parteikollegin Clara Anne Bünger springt auf den Zug auf. "Wie schon bei vergangenen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition suchen Christian Lindner und die FDP die Unterstützung von ganz rechts außen", schreibt sie auf X.
Die Debatte um die Kindergrundsicherung mit rassistischen Narrativen aufzuladen, sei gefährlich und verantwortungslos, warnt sie. Auch Grünen-Politiker Valentin Uhlemann reagiert offensichtlich empört. Er schreibt auf X:
Für SPD-Fraktionärin in Marzahn-Hellersdorf (Berlin) Luise Lehmann sei die Aussage von Linder zum "Kotzen". Sie macht ihrem Ärger ebenfalls auf X Luft: "Und die Kinder haben es weniger oder gar nicht verdient, ein Leben überm Existenzminimum zu führen, oder was? Was soll dieses Argument, außer Ressentiments (weiter) schüren? Was für ein A***h muss man sein, ey."
Aber nicht nur aus der Politik hagelt es Kritik, sondern auch aus der Wissenschaft. So sieht Politik-Professor Wolfgang Schröder von der Universität Würzburg etwa einen Vergleich zur AfD. "Kinderarmut in Deutschland heute als ein Problem hauptsächlich der Migrantenfamilien post 2015 hinzustellen, halte ich für unsachlich, unverantwortlich und als Politikstil für eine 'nationaliberal' wirkende Förderung der AfD."
Doch was sagen die Fakten?
Bei dieser emotional aufgeladenen Debatte sprechen die Fakten allerdings für Lindner. Das zeigen die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, zusammengefasst von "Zeit Online".
Der Bericht bestätigt: "Vor allem die Zahl der Empfänger mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist gestiegen." Laut der Zahlen sei offensichtlich, dass sich das Verhältnis deutscher und ausländischer Kinder im Bürgergeldbezug geändert habe.
Es heißt weiter:
Laut "Zeit Online" haben damit derzeit fast die Hälfte der Kinder, deren Eltern Bürgergeld bekommen, eine ausländische Staatsangehörigkeit.
(Mit Material der dpa/AFP)