Die Taurus-Affäre erhitzt weiter die Gemüter. Nicht nur wegen des ursprünglichen Leaks eines abgehörten Gesprächs hochrangiger Bundeswehroffiziere über den Taurus-Marschflugkörper. Auch die Nachbeben haben es in sich. Nach zahlreichen Interviews, Diskussionsrunden, Machtworten, nach Anträgen und Abstimmungen gibt es nun auch noch einen wilden Briefwechsel im Bundestag. Einer, in dem die Vorwürfe groß sind und das Wesentliche zum Randaspekt wird.
Mittendrin ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und sieht sich massiver Kritik ausgesetzt, die jetzt Fahrt aufnimmt. Denn wieder sind Informationen nach außen gedrungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Das Geschehen gleicht einem Pingpong der Schuldzuweisungen. Jetzt zieht Strack-Zimmermann Konsequenzen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) plant, die Anzahl der Teilnehmenden bei bestimmten Ausschusssitzungen zu verringern. Sie schlägt vor, dass die von den Ministerien entsandten Mitarbeitenden sich zurückziehen sollten, wenn vertrauliche Themen besprochen werden. Dieser Schritt soll das Risiko der Weitergabe vertraulicher Informationen aus dem Ausschuss verringern. "Wir werden diesen Vorschlag unterbreiten. Es wird sicherlich keine Begeisterung hervorrufen", kommentiert Strack-Zimmermann.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe bereits seine Bereitschaft dazu bekundet, wie sie mitteilt. Auch der Ausschuss selbst könne Vorschläge einbringen, einen Teil der Mitarbeitenden darum zu bitten, den Raum bei vertraulichen Themen zu verlassen. Man plane, mit den Obleuten im Ausschuss über dieses Vorgehen zu diskutieren.
Doch warum das ganze? Die Ausschüsse haben offenbar ein Problem mit Geheimhaltung.
Doch der Reihe nach: Kurz nachdem Russland ein geheim mitgeschnittenes Gespräch zwischen hochrangigen Bundeswehroffizieren über den Taurus-Marschflugkörper geleakt hatte, brach Aufregung in der Bundesregierung auf. Als eine der Maßnahmen rief der zuständige Verteidigungsausschuss zur Sondersitzung auf.
Diese ist jetzt der Grund für weiteren Aufruhr.
Denn aus einem geheimen Teil der Sitzung mit 105 teilnehmenden Personen drangen Informationen nach außen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren: Darin ging es etwa darum, wie gefährlich die Lieferung des komplizierten Taurus-Marschflugkörpers an die Ukraine für Deutschland sein könnten und warum. "T-Online" berichtete zuerst über diese Geheim-Informationen. Der Start der Schuldzuweisungen.
Die Vorsitzende des Ausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wollte Strafanzeige wegen des möglichen Geheimnisverrats stellen und wandte sich an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Die sieht das jedoch völlig anders, reagierte ihrerseits mit Vorwürfen, wie die "Zeit" berichtete.
Zwar werde sie dem üblichen Verfahren nachkommen, wie Bas in dem Brief als Antwort schrieb. Doch sie brachte auch ihr Erstaunen zum Ausdruck, dass "105 Personen an der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses teilgenommen haben". Was sie damit meinte, konkretisierte sie so: Mit einer so großen Anzahl von Teilnehmenden könne "der Eindruck von Vertraulichkeit nur schwer entstehen". Indirekt machte sie also Strack-Zimmermann für den neuerlichen Leak verantwortlich.
Dieser Meinung ist offenbar nicht nur Bas. Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, legte am Dienstag gegen die Ausschussvorsitzende nach: Strack-Zimmermann sei es nicht gelungen, eine "geheime Sitzung so geheim zu halten, wie es erforderlich gewesen wäre".
Dass Sitzungen mit 105 teilnehmenden Personen nicht die beste Voraussetzung für die Geheimhaltung von Informationen ist, dürfte klar sein. Wenn Strack-Zimmermann die alle eingeladen hätte, wäre die Ausschussvorsitzende wohl mitverantwortlich für den neuerlichen Leak.
Hätte. Wäre.
Die FDP wies die Schuldzuweisungen deutlich zurück. Strack-Zimmermann persönlich antwortete noch am selben Tag, dass sie das Schreiben der Bundestagspräsidentin "mit Irritation zur Kenntnis genommen" habe. Sie machte in dem Brief auch klar, dass der "teilnehmende Personenkreis nicht in meinem Belieben steht".
Sie erklärte, wie sich die Zahl 105 zusammensetzt: Der Verteidigungsausschuss hat 38 ordentliche Mitglieder sowie 38 Stellvertreter:innen. Wenn diese dem Ausschuss beitreten möchten, könne die Vorsitzende sie nicht daran hindern. Hinzu kommen Mitarbeitende der Fraktion, zwischen einem und vier je nach Größe, sowie Vertreter:innen der Bundesregierung und der Bundesländer. Heißt: Strack-Zimmermann selbst sei nicht verantwortlich.
Da kommt auch der Verdacht auf, dass Bas als Präsidentin des Deutschen Bundestages nicht weiß, wie sich Ausschüsse in ihrem eigenen Haus zusammensetzen, wie auch die "Zeit" schreibt. Oder aber, sie wollte Strack-Zimmermann eine Retourkutsche mitgeben, weil diese seit Monaten die SPD in der Taurus-Frage kritisiert. Einmal mehr zeigt sich mit dem öffentlichen Brief-Beef, dass die Koalition ihre Differenzen nicht nur hat, sondern geradezu zelebriert.
Mit dem Vorschlag Strack-Zimmermanns zur Reduzierung der Teilnehmerzahl bei Ausschuss-Sitzungen will sie zumindest für die Zukunft unangenehmen Leaks – und Diskussionen – vorbeugen.