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Klima, Mindestlohn, Steuern, Rente: Das sind die zentralen Pläne der möglichen Ampel-Koalition

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Die Vertreter der Ampel-Parteien traten am Freitag in Berlin vor die Presse .Bild: www.imago-images.de / Mike Schmidt
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Bürgergeld, BAföG, Mindestlohn, Klima: Ampel-Parteien verständigen sich auf umfassende Reformprojekte

15.10.2021, 15:1715.10.2021, 18:21
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Die Ampel-Parteien wollen im Falle einer Regierungsbildung den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen. Dies geht aus dem am Freitag von SPD, Grünen und FDP vereinbarten Sondierungspapier hervor, das als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen dienen soll. Darin wird auch festgeschrieben, dass der Kohleausstieg "idealerweise" auf 2030 vorgezogen wird. Eine Ampel-Koalition wird demnach "keine neuen Substanzsteuern einführen" und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen. An die Stelle von Hartz IV soll ein "Bürgergeld" treten.

Ihre Pläne wollen die drei Parteien unter Berücksichtigung der Schuldenbremse umsetzen. "Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur", heißt es in dem Papier.

Das sind die wichtigsten Punkte:

  • BAföG soll elternunabhängig werden
  • Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen soll auf 16 Jahre gesenkt werden
  • Kohleausstieg möglichst bis 2030
  • Bezahlbaren Wohnraum schaffen: Dafür sollen jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen, ein Viertel davon will man staatlich fördern
  • Stromkosten senken, EEG-Umlage soll gestrichen werden
  • Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen
  • Bürgergeld statt Hartz-IV-System
  • Rente soll gestärkt werden, keine Rentenkürzungen mehr
  • Kein Tempolimit
  • Keine Steuererhöhungen
  • Aufteilung in gesetzliche und private Krankenversicherung bleibt erhalten
  • Pflege-Offensive
  • Gesetzliche Schuldenbremse soll erhalten bleiben

Gleichberechtigung und Vielfalt

Die Ampel-Parteien stehen alle grundsätzlich für mehr Vielfalt ein. Das schreiben sie auch in ihrem Sondierungspapier. "Deutschland ist ein modernes Land, mit großer Vielfalt der Gesellschaft, in der unterschiedliche Lebensentwürfe, Lebensumstände und Herkunftsgeschichten zusammenkommen", heißt es. Sollte es eine Ampel-Regierung in Deutschland geben, will diese dann etwa das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht, das Abstammungsrecht und das Transsexuellengesetz erneuern.

Beim Thema Einwanderung hat sich etwa die FDP mit ihrem Punktesystem durchgesetzt, das sie nach kanadischem Vorbild einführen möchte. Damit möchte man Fachkräfte ins Land holen.

Außerdem heißt es in dem Papier: "Wir werden in allen Bereichen entschlossen gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Queer-Feindlichkeit und jede andere Form der Menschenfeindlichkeit vorgehen, damit Vielfalt auch in gleicher Sicherheit für jede und jeden möglich ist." Um als "öffentliche Hand" ein Vorbild zu sein, soll das Demokratiefördergesetz kommen; ein Vorschlag, den die Grünen in ihrem Wahlprogramm hatten.

Außerdem wollen die Parteien das Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken und die eigenständige Existenzsicherung fördern. "Wir wollen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt an gesellschaftlichen Entscheidungen sowie am Erwerbsleben teilhaben können und in gleicher Weise in der Lage sind, eigenständig ihren Lebensunterhalt zu sichern und für ausreichende Alterssicherung zu sorgen."

Der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt soll mit einer Verbesserung der Work-Life-Balance und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegengewirkt werden. Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern soll zudem "wirksam verringert" werden.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Eine zentrale Rolle kommt dem Klimaschutz zu: "Wir sehen es als unsere zentrale gemeinsame Aufgabe, Deutschland auf den 1.5 Grad Pfad zu bringen, so wie es der Pariser Klimavertrag und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgeben."

Zu den anvisierten Maßnahmen zählt neben dem früheren Kohleausstieg auch das Aus für den Verbrennermotor: "Gemäß den Vorschlägen der EU-Kommission hieße das im Verkehrsbereich, dass in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden - entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus."

Das Klimaschutzgesetz soll noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickelt und ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg gebracht werden.

Dabei wollen die drei Parteien alle Sektoren einbeziehen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Die Einhaltung des Klimagesetzes soll in all diesen Sektoren streng überprüft werden.

Erneuerbare Energien sollen gestärkt werden. Dazu sollen bürokratische Hürden abgebaut werden. Konkret geht es um Planungs- und Genehmigungsverfahren, die den drei Ampel-Parteien zu lange dauern.

Alle geeigneten Dachflächen sollen zudem künftig für die Solarenergie genutzt werden. "Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden."

Zwei Prozent der Landesfläche soll für die Windkraft genutzt werden.

SPD, Grünen und FDP wollen allerdings letztenendes kein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. In dem Papier der drei Parteien zu den Ergebnissen der Sondierungen heißt es: "Wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen und dafür den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur massiv beschleunigen. Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben."

Grünen-Chef Robert Habeck sagte, es sei in dem gemeinsamen Papier darum gegangen, Klarheit zu schaffen. "Das Tempolimit konnten wir nicht durchsetzen. An anderen Stellen sind wir sehr zufrieden." Die FDP ist gegen ein generelles Tempolimit.

Chancengleichheit
und Bildung

Das BAföG wollen die drei Ampel-Parteien reformieren und dabei elternunabhängiger gestalten. Wie genau, das steht nicht in dem Sondierungspapier. Allerdings sollte es bei diesem Thema keine großen Hürden mehr geben.

Kinder und Jugendliche sollen bessere Chancen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern bekommen. Dabei konzentrieren die SPD, Grüne und FDP vor allem auf das Thema Kinderarmut. "In einem Neustart der Familienförderung sollen bisherige Leistungen in einem eigenen Kindergrundsicherungsmodell gebündelt und automatisiert ausgezahlt werden, so dass sie ohne bürokratische Hürden bei den Kindern ankommen", steht in dem Sondierungspapier.

Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren sollen künftig gezielt und dauerhaft gefördert werden. Auch die Digitalisierung des Bildungswesens soll vorangetrieben werden.

Kinderrechte sollen im Grundgesetz verankert werden.

Zur Unterstützung der lebenslangen Aus- und Weiterbildung sollen neue Instrumente kommen. Dabei denken die Parteien etwa an ein sogenanntes Lebenschancen-BAföG.

Das sind weitere Punkte:

Mindestlohn erhöhen

Der Mindestlohn soll dem Papier zufolge "im ersten Jahr in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde" erhöht werden. "Im Anschluss daran wird die Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden."

Bürgergeld statt Hartz IV

Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) soll der Vereinbarung zufolge ein "Bürgergeld" eingeführt werden. Dieses solle "die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein; es soll Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen."

Rentenniveau sichern

Das Mindestrentenniveau von 48 Prozent soll gesichert werden: "Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben."

Wahlrecht ab 16 Jahren

Das Wahlalter für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und Europäischen Parlament wollen die drei Parteien auf 16 Jahre senken, wie es in dem Sondierungspapier heißt. Zudem heißt es: "Wir wollen das Wahlrecht überarbeiten, um nachhaltig das Anwachsen des Deutschen Bundestages zu verhindern."

Ampel will Fortschrittskoalition sein

So könnte eine Ampel-Koalition "einen neuen gesellschaftlichen Aufbruch auf Höhe der Zeit" schaffen. "Als Fortschrittskoalition können wir die Weichen für ein Jahrzehnt der sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen, digitalen und gesellschaftlichen Erneuerung stellen."

(mit Material der afp)

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