Die "Jüdische Allgemeine" will nicht mit Politikern der AfD sprechen. Das hat der Journalist Philipp Peyman Engel erklärt. Und die Begründung hat es in sich.
Engel schreibt, dass nicht wenige AfD-Vertreter sich von der "Jüdischen Allgemeinen" unfair behandelt fühlten. Schließlich seien sie es doch, die den muslimischen Antisemitismus benennen würden. Doch für Engel und seine Kollegen sind diese Anbiederungsversuche von Seiten der AfD zu durchsichtig.
Engel nennt ein Beispiel: Ein AfD-Spitzenpolitiker habe in der Redaktion angerufen, mit der Bitte, ihm Fragen zu seinem guten Verhältnis zu Juden stellen, er sei nämlich gerade am Toten Meer.
Die "Jüdische Allgemeine" lehnte ab.
Engel schreibt weiter: Es gäbe nichts zu besprechen mit Politikern, die den Holocaust als "Vogelschiss der Geschichte" bezeichnen oder das Holocaustmahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande".
Ersteres hatte der AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Alexander Gauland getan. Das Zitat vom "Denkmal der Schande" stammt vom thüringischen Spitzenkandidaten und Sprecher des völkischen "Flügels" Björn Höcke.
Den Versuch, jüdische Bürger für die Ziele der AfD zu gewinnen, hatte Elio Adler vom Berliner Verein "WerteInitiative" einmal als "Feigenblatt für plumpen AfD-Rassismus" bezeichnet.
Dahinter steckt eine Doppelstrategie neurechter Parteien. Auf der einen Seite bemühen sich AfD-Politiker beispielsweise um eine proisraelische Positionierung. Vorbild sind Rechtspopulisten in ganz Europa, wie der französische "Front National", die FPÖ, der belgische "Vlaams Belang", die nach außen ein positives Israelbild pflegen und sich innerhalb eines vermeintlich historisch gewachsenen christlich-jüdischen Abendlandes verorten. Dahinter steht die Strategie, ein Bündnis gegen einen gemeinsamen Feind zu konstruieren: den Islam. Nach innen wiederum zeigen sich Rechtspopulisten flexibler im Umgang mit israelfeindlichen Tönen.
Auf Funktionärsebene sind mehrere Fälle versteckten oder offenen Antisemitismus’ in der AfD bereits vielfach dokumentiert. Medial die größte Aufmerksamkeit erhielt der Fall Wolfgang Gedeon. Der Abgeordnete der baden-württembergischen AfD, Ex-Maoist und selbsternannter Antizionist, hat in seiner Schrift "Grundlagen einer neuen Politik über Nationalismus, Geopolitik, Identität und die Gefahr einer Notstandsdiktatur" Nazideutschland zum Opfer eines US-amerikanischen Expansionsstrebens erklärt und die antisemitischen "Protokolle der Weisen von Zion" für echt erklärt. In dem revisionistischen Werk gelten "die talmudischen Ghetto-Juden" als "der innere Feind des christlichen Abendlandes".
Bestimmte Denkfiguren in der Argumentation gegen Globalisierung, EU, USA oder Islam ähneln sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Eben klassischen antisemitischen Argumentationsfiguren. Die Anschlussfähigkeit ist entsprechend hoch. Gerade bei den hitzigen Debatten in entsprechenden AfD- oder AfD-nahen Foren wird gegen alles Kosmopolitische gewettert, oftmals verkörpert durch USA und Israel, eine Kapitalismus- und Globalisierungskritik geübt, die sich nicht selten personifizierend an der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild, George Soros oder der Unternehmerfamilie Rockefeller abarbeitet.
Sehr leidenschaftlich werden auch Beschneidungsverbote diskutiert. Besonders auffällig ist dabei die permanente Opferhaltung. Immer wieder kursieren Postings, in denen sich AfD-Sympathisanten mit verfolgten Juden vergleichen. Oder es werden Parallelen zwischen den Boykottaufrufen in der Nazizeit gegen jüdische Geschäfte und einem aktuell "staatlich verordneten Antifaschismus" in Deutschland konstruiert.
(ts)