Markus Lanz im Gespräch mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Bild: zdf screenshot
Deutschland
12.02.2020, 10:2312.02.2020, 12:40
dirk krampitz
Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit den Stimmen von CDU und AfD war ein Dammbruch, ein Tabubruch, ein Tiefpunkt der Demokratie in der Nachkriegsgeschichte. Da sind sich auch an diesem Talkabend alle Gäste einig.
Nun, da sich der "Pulverdampf" etwas verzogen hat, wie Moderator Markus Lanz feststellt, geht es am Dienstagabend in seiner Show um die Frage, wie die Parteien künftig damit und miteinander umgehen. Und wer die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer antreten soll.
CDU-Politiker Tobias Hans, der AKKs Erbe im Saarland antrat, erklärt noch einmal die Gründe für den Rückzug der Parteivorsitzenden. Und gibt ein Paradebeispiel für Politikerschönsprech. Der Rücktritt sei "nicht wegen der AfD" erfolgt. Also "nichts, was die AfD gemacht hat." Kramp-Karrenbauer habe keinen Rückhalt mehr in der Partei gehabt und überhaupt sei die Trennung Parteivorsitz und Kanzleramt ungünstig.
Zu Gast bei "Markus Lanz":
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes
Lars Klingbeil (SPD), Generalsekretär
Eva Quadbeck, Stellvertretende Chefredakteurin der "Rheinischen Post"
Anja Maier, Parlamentsredakteurin der "taz"
Lothar Probst, Politikwissenschaftler
"Markus Lanz": Hans gibt Ramelow die Schuld
Hans stellt noch einmal klar, dass es Konsens in seiner Partei sei, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, in keiner Form, wäre ja immer klar gewesen. Nur blöd, dass man an diesem Abend nun aber wieder einmal zusammensitzt, weil gerade das passiert war.
Die Wahl in Thüringen sei ein Fehler gewesen, betont Hans geflissentlich. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, bügelt er zunächst sogar mit einem "Das spielt keine Rolle" ab. Wohl ein Reflex.
Stattdessen Gegenangriff: Überhaupt hätte sich Bodo Ramelow doch gar nicht zur Wahl stellen müssen, er habe doch gar keine Mehrheit gehabt. Natürlich wäre es auch übertrieben und wenig unterhaltsam, wenn CDU- und FDP-Politiker in Unterhaltungsformaten dieser Art nur noch "Tut uns leid, tut uns leid, tut uns leid" vor sich hinmurmeln würden, aber das das Herumlavieren eines Ministerpräsidenten nicht einmal eine Woche nach dem Politgau stößt doch übel auf.
Aussage von Klingbeil verwundert Markus Lanz
Lars Klingbeil gibt sich zunächst einmal empathisch. Ihn interessiere, wie es Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt gehe. Er habe sie in der parlamentarischen Zusammenarbeit – unter Generalsekretären – sehr geschätzt und habe Respekt vor ihr als Person und ihrer Entscheidung.
Markus Lanz hakt nach: "Öffentlich haben Sie aber noch einmal ordentlich nachgetreten." – "Ja, natürlich", sagt Klingbeil und der Moderator lacht. Das eine sei die Frage, wie man die Vorgänge in Thüringen bewerte. Das andere, dass er AKK als Person schätze, erklärt Klingbeil.
Markus Lanz und Lars Klingbeil. Bild: zdf screenshot
Ein Kritikpunkt von ihm lautet, dass Kramp-Karrenbauer nicht klar genug, auch im Vorfeld nicht, Position zu Thüringen bezogen habe. Und als die unsägliche Situation da war, habe sich die Kanzlerin von Afrika aus einmischen und die Marschroute vorgeben müssen.
Zum Glück sei es ja zu einer unmittelbaren Korrektur der Situation gekommen, fasst die Journalistin Eva Quadbeck die Ereignisse zusammen. Es sei "eine eigentlich wehrhafte Demokratie – mit wehrlosen Demokraten". Man erwarte jetzt klarere Zeichen von den demokratischen Parteien und mehr als nur Worte und Betroffenheit.
Ost-CDU soll ihre DDR-Vergangenheit aufarbeiten
Anja Maier, Ostberlinerin und Politikredakteurin bei der "taz", steuert noch einen Aspekt bei, der bislang wenig beachtet wurde. Während die Haltung der Linken zur SED-Vergangenheit immer auf dem Prüfstand steht, würde das Thema bei der Ost-CDU wenig beachtet. Denn die frühere "Blockflötenpartei" hatte ihren festen Platz im politischen System der DDR und ordnete sich der SED unter. Nach der Wende waren ihre Mitglieder auf einmal auf der Gewinnerseite und machten schnell Karriere in der West-Partei, die die Wahlen 1990 gewinnen wollte.
Als Lanz noch einmal nachfragt zur politischen Tradition in den neuen Bundesländern, unterbricht Maier ihn plötzlich brüsk. Wie er das schon sagen würde: "die Menschen dort". Das wäre typisch und klänge so, als wäre das Ausland.
Lanz verteidigt sich sofort entschieden, er würde doch auch von "Menschen im Ruhrgebiet" oder "Menschen in Bayern" sprechen. Das mag sein, aber es sind Befindlichkeiten wie diese und vor allem das Darüberhinweggehen, die auch eine Erklärung für die unterschiedlichen Wahlergebnisse in Ost und West sein können.
Tobias Hans führt es prompt noch einmal genauer vor: Er wirft ein, dass Thüringen doch ein Gewinner der Einheit sei und verweist auf die Leistungen seiner Partei, die dort seit der Wende bis 2014 regierte, zuletzt in einer großen Koalition. Dass er nicht auch noch Fotos von blühenden Landschaften als Beweis zeigen möchte, ist erstaunlich.
Super-Ministerium für Friedrich Merz?
Zum Ende geht es dann noch um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer. Die CDU will sich mit der Frage nach dem Willen der Scheidenden ja erst noch einmal Zeit bis Ende des Jahres lassen. Ihr "letzter Fehler" und wohl auch wieder eine Richtungsvorgabe, bei der ihr die Parteigenossen nicht folgen werden, wird in der Runde geunkt.
187 Tage hat die SPD gebraucht, um ihre neuen Parteivorsitzenden zu finden, da könne sich die CDU ja nun Rat bei ihnen holen, flachst Lanz in Richtung Tobias Hans. Dessen Antwort: Einen Rat brauche man nicht und man sei ja überhaupt auch mit ungeklärter Führungsfrage in der Lage, gute Politik zu machen.
Die Gäste bei "Markus Lanz".Bild: screenshot zdf
Was Lars Klingbeil natürlich gleich geflissentlich bestätigt. "Sie sind ja in letzter Zeit richtig verliebt in die Groko ist mir aufgefallen", stichelt Lanz. Das mag Klingbeil so nicht bestätigen und stimmt ernstere Töne an. Es gehe doch aktuell um die Frage, wie man gemeinsam gegen die Feinde der Demokratie vorgehen soll und wie man wieder mehr Stabilität hinbekommt.
Im Gespräch für AKKs Nachfolge sind aktuell Armin Laschet, Jens Spahn und Friedrich Merz. Eva Quadbeck sieht bei Laschet "große Chancen sich durchzusetzen – wenn er denn will". Um den ehrgeizigen Merz ruhig zu stellen, müsse man ihm wohl so etwas wie ein Superministerium für Wirtschaft und Finanzen anbieten. Und Jens Spahn eigne sich doch vielleicht als Fraktionschef.
Das sei irgendwie doch alles wieder so ein "Gekungel" vorab, wie die Wähler es nicht unbedingt schätzen, wirft Anja Maier ein. "Der nächste Wurf muss sitzen", stellt Tobias Hans fest. Wann auch immer er erfolgt.
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