Nach der Wahlschlappe für die SPD nimmt Juso-Chef Philipp Türmer seine Mutterpartei in die Pflicht.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
Die Ampel ist bei der Europawahl am Wochenende hart gefallen. Profitiert hat unter anderem davon die AfD. Vor allem unter den Jung- und Erstwähler:innen konnte die Ganz-weit-rechtsaußen-Partei abräumen. Ihr wurde bereits ein "Tiktok-Sieg" bei der EU-Wahl attestiert.
Denn vor allem die in Teilen rechtsextreme Partei hat es sich auf der chinesischen Social-Media-Plattform gemütlich gemacht und konnte dort quasi ungestört über Monate und Jahre rechtes Gedankengut unter potenziellen jungen Wähler:innen verteilen. Die demokratischen Parteien setzten der Offensive wenig entgegen.
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Tiktok nun allein den Wahlerfolg der AfD zuzuschreiben, davor warnte Grüne-Jugend-Sprecherin Svenja Appuhn im Gespräch mit watson. Das sei nicht die Ursache dafür, dass die Inhalte dieser Partei verfangen.
EU-Wahl 2024: Wahlschlappe für die Ampel
Die Grünen zählen zu den größten Verlierern der Wahl. Sie sind nicht nur um 8,6 Prozentpunkte auf 11,9 Prozent gefallen – unter den 16- bis 24-Jährigen sank die Zustimmung sogar um 23 Prozentpunkte.
Dahingegen sieht es bei der FDP zwar weiterhin nicht rosig aus, aber immerhin haben die Liberalen mit einem Minus von 0,2 Prozentpunkten keine großen Verluste zu verzeichnen (5,2 Prozent). Auch unter den 16- bis 24-Jährigen mussten sie nur ein Minus von 1 Prozentpunkt einstecken.
Die SPD verzeichnete mit einem Minus von 1,9 Prozentpunkten (1 Prozentpunkt unter den Jung- und Erstwähler:innen) ebenfalls einen Abfall der Zustimmungswerte auf 13,9 Prozent.
Kein Grund, zu feiern. Das sieht auch der Chef der SPD-nahen Nachwuchsorganisation Jusos, Philipp Türmer, so. Im Interview mit dem "Spiegel" hat er scharfe Worte für FDP-Chef Christian Lindner übrig und stellt drei Forderungen, um vor der Bundestagswahl die Jugend wieder abzuholen.
Juso-Chef Philipp Türmer nimmt die SPD in die Pflicht
Es macht den Anschein, als hätte sich die SPD verkalkuliert. Denn Olaf Scholz hat sich massiv in den Wahlkampf eingebracht – obwohl er als Kanzler nicht selbst zur Wahl stand. Trotz sinkender Zustimmungswerte für die Ampel und explizit Scholz' Politik, plakatierte die SPD ihren Kanzler in ganz Deutschland.
"Es ist dem Kanzler nicht gelungen, die Stimmung zu drehen und ein Aufbruchssignal zu senden. Also ja: Es war ein Fehler", sagte Türmer beim "Spiegel" auf die Frage, ob die Plakatierung Scholz' ein Fehler gewesen sei.
Die SPD müsse ihr Respektversprechen nach der Wahl 2021 endlich einlösen, forderte Türmer in dem Zusammenhang. Damit meint er die soziale Politik, die die Menschen von der SPD vor allem in Zeiten von Inflation erwarten. Das gelinge der Partei gerade nicht, meint Türmer.
Das bestätigte auch Politikwissenschaftler Hajo Funke im Gespräch mit watson. Vor allem die SPD würde laut dem Experten von der FDP in ihrem Wirken blockiert. "Sobald die SPD für den Sozialstaat einsteht, droht Lindner mit der Aufkündigung der Koalition."
Funke geht sogar so weit, der SPD einen Koalitionsbruch nach dem Vorbild Frankreichs zu empfehlen. "Die Glaubwürdigkeit der Ampel ist unterirdisch." Der SPD würde es zugutekommen, sich aus der Koalition zu lösen, womöglich unter einer anderen, selbstkritischen, Parteiführung.
Scharfe Worte von Juso-Vorsitzendem Türmer an FDP-Chef Lindner
Christian Lindner hatte SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil am Wochenende vor einem solchen Koalitionsbruch gewarnt. Türmer sagte dazu:
"Wenn der FDP-Vorsitzende hart spielen will, müssen wir noch härter ins Powerplay gehen. Das gilt vor allem für den Kanzler. Er muss Lindner die Pistole aus der Hand und ihm selbst auf die Brust setzen."
Christian Lindner (FDP) kann angesichts des mageren Ergebnisses bei der EU-Wahl nicht feiern.Bild: dpa / Hannes P Albert
Es müsse klar sein: "Hier sitzt der sozialdemokratische Kanzler, der für sozialdemokratische Politik gewählt wurde." Scholz müsse jetzt die Richtung vorgeben. "Und wenn die FDP gehen will, soll sie gehen. Reisende soll man nicht aufhalten."
Ampel verliert unter Jugend: Juso-Chef Türmer stellt drei Forderungen
Dass die Jugend sich von den regierenden Parteien abwendet und stattdessen gar nicht wählen geht oder Rechtsextreme wählt, beunruhigt Türmer. Vor der Bundestagswahl müssen sich die Ampelparteien vor allem unter den jungen Menschen wieder mehr Vertrauen erarbeiten. Türmer fordert:
"Wir müssen dem Pessimismus, besonders in der jungen Generation, etwas entgegensetzen und den Menschen wieder Zuversicht geben, dass es besser wird."
Die von ihm angesprochene Verunsicherung der Jugend gehe laut Türmer von sozialen Problemen aus. Als Beispiele nennt der Juso-Chef drei Punkte: Erstens hohe Mieten und damit bezahlbaren Wohnraum finden. Zweitens gestiegene Lebenshaltungskosten und damit die Forderung nach höheren Löhnen. Und drittens massive Investitionen unter anderem in die Daseinsvorsorge, in Infrastruktur und in die Wirtschaft.
"Es muss jetzt ein Ruck durch diese Koalition gehen – und der muss von der SPD ausgehen", fordert Türmer.
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