Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat die CDU einen klaren Sieg davongetragen. Wie die Landeswahlleitung in der Nacht zum Montag in Düsseldorf mitteilte, erreichten die Christdemokraten von Ministerpräsident Hendrik Wüst 35,7 Prozent der Stimmen und konnten sich damit im Vergleich zum Jahr 2017 um 2,8 Prozentpunkte verbessern. Sie landeten deutlich vor den Sozialdemokraten von Herausforderer Thomas Kutschaty, die mit einem Minus von 4,6 Punkten auf ein Rekordtief von 26,7 Prozent abstürzten.
Wüst gab sich nach der Wahl selbstbewusst und betonte, dass er die nächste Regierung führen will. "Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat diese Wahl klar gewonnen", sagte Wüst am Sonntagabend. "Die Menschen haben uns ganz klar zur stärksten Kraft gemacht. Das ist der Auftrag, eine künftige Regierung zu bilden und zu führen."
Die Grünen um Spitzenkandidatin Mona Neubaur kamen laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis bei der Wahl am Sonntag mit einem Rekordwert von 18,2 Prozent auf den dritten Rang und konnten ihr Resultat mit einem Plus von 11,8 Punkten nahezu verdreifachen. Die FDP stürzte um 6,7 Punkte auf 5,9 Prozent ab. Die AfD büßte 1,9 Punkte auf 5,4 Prozent ein. Die Linke scheiterte mit 2,1 Prozent erneut an der Fünfprozenthürde.
Die seit fünf Jahren regierende schwarz-gelbe Koalition hat nach den Prognosen keine Mehrheit mehr. Denkbar wäre unter anderem ein schwarz-grünes Bündnis. Kutschaty könnte aber auch versuchen, als Zweitplatzierter ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP nach dem Vorbild im Bund zu schmieden – sofern die FDP wieder in den Landtag einzieht. Unter Umständen könnte es sogar knapp für Rot-Grün reichen.
Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland gilt als "kleine Bundestagswahl" und wichtiger Stimmungstest für die Bundespolitik, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den neuen CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz. Wahlberechtigt waren 13 Millionen Bürger, etwa ein Fünftel aller Wahlberechtigten in Deutschland.
Die FDP ist die Verliererin der Wahl. Ob sie es tatsächlich ins Landesparlament schafft, wird das amtliche Endergebnis zeigen. Laut Hochrechnungen am Wahlabend bekommt die Partei 5,5 Prozent der Stimmen.
Alexander Steffen, der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen NRW, sagt im Gespräch mit watson, kurz nach der ersten Hochrechnung:
Was Steffen trotz allem positiv stimme, sei ein Blick auf die Statistiken. Und zwar auf jene, die aufschlüsseln, wie die verschiedenen Altersgruppen gewählt haben. Steffen sagt: "Wir haben bei den jungen Menschen im Vergleich mit 2017 kaum verloren." Anders sehe es bei den anderen Altersgruppen aus – bei den Menschen über 40 Jahre hat die FDP die fünf-Prozent-Hürde nicht geknackt. "Bei den jungen Menschen sind wir immerhin nach wie vor sehr stabil zweistellig. Das heißt für mich, dass wir uns anschauen müssen, was wir da besonders gut gemacht haben", fasst Steffen zusammen.
Mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung in einer Ampelkoalition sagt er: "Bei einer Partei, deren Ergebnisse sich mehr als halbiert haben, würde ich diese Frage erst einmal nicht stellen."
Die SPD hat mit 27,2 Prozent (ZDF-Hochrechnung um 19.25 Uhr) ihr historisch schlechtestes Ergebnis in der einstigen Herzkammer der Sozialdemokraten eingefahren. Die Stimmung auf der Wahlparty ist getrübt, trotzdem hoffen die Genossinnen und Genossen darauf, die Landesregierung künftig anzuführen. "Wir haben geschafft, dass Schwarz-Gelb abgewählt wurde", sagt der Landesvorsitzende der Jungsozialisten (Jusos), Konstantin Achinger, im Gespräch mit watson, kurz nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen.
Aber: "Wir haben nicht das erreicht, was wir erreichen wollten: nämlich stärkste Kraft zu werden. Jetzt müssen wir abwarten, was der Abend noch bringt, gerade ist noch viel im Fluss und das warten wir auch ab. Wir sind aber bereit für Gespräche mit den Grünen."
Klar ist zu diesem Zeitpunkt nämlich noch nicht, ob die FDP es tatsächlich ins Landesparlament geschafft hat – sollte die abschließende Auszählung ergeben, dass die Liberalen doch nur höchstens 4,9 Prozent der Stimmen bekommen haben, könnte es für eine rot-grüne Mehrheit reichen. "Wir wünschen uns eine Fortschrittskoalition in Nordrhein-Westfalen – und die sehen wir mit den Grünen gemeinsam, jetzt müssen wir schauen, ob das möglich sein wird", sagt Achinger.
Trotz allem müsse man nun an die Analyse des Wahlergebnisses gehen, denn klar sei auch, dass die SPD damit nicht zufrieden sein könne. Er wagt eine vorsichtige Einschätzung: "Natürlich hat der Krieg in der Ukraine den Wahlkampf überstrahlt – es ist uns nicht gelungen, landespolitischen Themen den Raum zu geben." Aus Sicht von Achinger schlage sich dieses Problem auch in der geringen Wahlbeteiligung nieder.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja ist zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die CDU habe die Wahl gewonnen und "einen klaren Regierungsauftrag erhalten", sagte er am Sonntag in Berlin. Ausdrücklich gratulierte Czaja den Grünen – diese gehörten "zweifelsohne auch zu den Gewinnern dieses Wahlabends". Die "gute Arbeit der Ministerinnen und Minister hier in Berlin" habe den Grünen in Nordrhein-Westfalen "Rückenwind" gegeben, sagte Czaja.
Die CDU wolle im Westen nun eine "verlässliche Regierung" schmieden, sagte Czaja. Er sprach dabei von einer "Zukunftsregierung".
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dafür geworben, die Chancen zur Bildung einer rot-grünen Landesregierung auszuloten. "Natürlich darf auch der Zweitplatzierte Verhandlungen über eine Regierung führen", sagte er am Abend in der ARD. Die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung sei klar abgewählt worden.
Zu einer möglichen rot-grünen Koalition sagte Kühnert: "Es ist kein Geheimnis, dass das eine Koalition ist, die uns in der SPD auch sehr gut gefällt. Und wenn es die Möglichkeit dafür gibt, dann wird wie immer in der Demokratie entscheiden, wer eine Mehrheit im Landtag hinter sich versammeln kann und dafür sollte dann auch verhandelt werden."
FDP-Chef Christian Lindner hat das schlechte Wahlergebnis seiner Partei in Nordrhein-Westfalen als "desaströse Niederlage" bezeichnet. "Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass auch die Freien Demokraten von diesem guten Regierungshandeln im größten Bundesland profitiert hätten. Das ist nicht der Fall", sagte Lindner am Sonntagabend in Berlin. "Wir haben eine, man muss es so sagen, desaströse Niederlage heute Abend zu verzeichnen."
(dpa/afp/nik/rs)