Die Flugblatt-Affäre um den bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erschüttert noch immer die Gemüter. Hat Aiwanger das antisemitische Pamphlet verfasst und verteilt? Oder war es so wie sein Bruder behauptet: Aiwanger soll die Hetzschrift, die Bruder Aiwanger verfasst haben will, eingesammelt haben, um zu deeskalieren.
In Social Media tauchen währenddessen Bilder aus Aiwangers Schulzeit auf. Er, mit einem sehr schmalen Schnurrbart, der an ein Hitlerbärtchen erinnert, inmitten einer Gruppe Jugendlicher.
Und nicht nur Aiwanger, auch Söder fliegt plötzlich ein Videoschnipsel von einer Bierzeltrede um die Ohren. Die Kritik: Der Ministerpräsident soll im Zusammenhang mit Aiwanger Hitler parodiert haben.
Die Fragen, inwiefern Aiwanger etwas mit den antisemitischen Flugblättern zu tun hat, interessieren offensichtlich auch den Koalitionspartner und Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Der will nach alledem zwar vorerst noch immer an der Koalition festhalten – er hat seinem Vize aber auch einen Fragenkatalog zukommen lassen, zu dem dieser Stellung beziehen muss. Eine Frist nannte er nicht.
Man hoffe aber auf eine "rasche und umfangreiche" Beantwortung – und Aiwanger habe auch Antworten "nach bestem Wissen und Gewissen" zugesagt. Erst danach will der CSU-Chef eine "abschließende Bewertung" vornehmen. Aiwanger beschädige das Ansehen Bayerns, stellte Söder noch klar.
Ein Vorwurf, den auch die Gegner:innen im Landtagswahlkampf zum Anlass nehmen, um Söder zu kritisieren. Der Freistaat wählt am 8. Oktober. Söder hat nicht ausgeschlossen, erneut mit den Freien Wählern zu koalieren – trotz der aktuellen Turbulenzen um Hubert Aiwanger.
Die Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen Katharina Schulze schreibt auf Twitter: "Mit Ernsthaftigkeit um einen sehr ernsten Vorfall kümmern, geht bei Markus Söder wohl nicht. Das zeigt diese Imitation. Das ist alles, aber keine bürgerliche Koalition. Eher eine Koalition außer Rand und Band." Dazu verlinkt sie einen weiteren Tweet, der mittlerweile allerdings gelöscht ist.
Dass es sich in dem zitierten Tweet um den Video-Schnipsel von Söder im Bierzelt gehandelt haben muss, wird allerdings gerade durch die Antwort des CSU-Generalsekretärs Martin Huber deutlich. Der Ausschnitt, der durch Twitter geistert, lässt Söder tatsächlich in einem Licht erscheinen, als würde er den Fall Aiwanger nicht besonders ernst nehmen.
Huber aber schreibt: "Sie verbreiten absurde, an den Haaren herbeigezogene Fake News für billigen Wahlkampf. Die Vorwürfe sind böswillig, manipulativ und entbehren jeglicher Grundlage, wie man hier sieht." Dazu postet er einen längeren Ausschnitt der Bierzelt-Rede des Ministerpräsidenten.
Söder spricht im Zelt in Landshut über seinen Parteikollegen Helmut Radlmeier. Der würde, wie Söder meint, unterschätzt. Und dann kommt er auf einen Politiker zu sprechen, den er nicht namentlich nennt. Den er allerdings mit seiner Parodie-Stimme nachmacht. Söder sagt in der Rede:
Von wem genau er spricht, lässt Söder offen. Ebenso, mit welcher Stimme er diese Person parodiert. Für den anwesenden Korrespondenten des Deutschlandfunks war wohl aber sehr eindeutig: "Söder macht mit Adolf-Hitler-gleicher Stimme und Gestik seinen Koalitionspartner und Wirtschaftsminister nach."
Ganz so "an den Haaren herbeigezogen" wie Huber es einschätzt, ist die Interpretation der Grünen-Spitzenkandidatin wohl nicht. Womöglich hat Söder mit dieser Rede übers Ziel hinausgeschossen. Ein Account kommentiert unter Hubers Post:
Ein anderer hingegen nennt die Debatte "abstrus". Eindeutig versuche Söder Aiwanger nachzumachen und niemanden sonst.