Politik
Exklusiv

Warum kommt die Corona-MPK nicht früher? Was sechs Ministerpräsidenten dazu sagen

dpatopbilder - 30.04.2020, Berlin: Angela Merkel (M, CDU), Markus Söder (l, CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, und Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, geb ...
Eine Konstante der Pandemiezeit: Seit den ersten Wochen der Corona-Krise im Frühjahr 2020 haben sich die Regierungschefs der 16 Bundesländer und die Bundeskanzlerin regelmäßig getroffen. um die Maßnahmen abzustimmen. Im Bild Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Ministerpräsidentenkonferenz im April 2020.Bild: dpa Pool / Kay Nietfeld
Exklusiv

"Corona kennt keine Regierungspause": Sechs Landesregierungen antworten auf die Frage, warum das Krisentreffen der Ministerpräsidenten nicht früher kommt

13.11.2021, 12:3214.11.2021, 13:41
Mehr «Politik»

"Das tödliche Zaudern des Staates".
"Ein Land ohne politische Führung."
"Einmal Führung, bitte."

Das sind drei Zitate der vergangenen Tage, sie stehen in drei Meinungsbeiträgen, in denen drei unterschiedliche Journalisten ein hartes Urteil über die Regierenden in Bund und Ländern fällen.

Der Vorwurf: Die Mächtigen im Land – die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz, die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer – täten viel zu wenig, in einer der heftigsten Phase der Pandemie. Die vierte Corona-Welle trifft Deutschland mit voller Wucht, bei einer weiter zu niedrigen Impfquote. In Krankenhäusern werden die Intensivbetten bedrohlich knapp.

Am kommenden Donnerstag, den 18. November, sollen sich Merkel, Scholz und die Ministerpräsidenten treffen. Zuletzt hatten sich die Ministerpräsidenten am 21. Oktober getroffen. Bundeskanzlerin Merkel hatte in den vergangenen Tagen auf ein neues Treffen gedrängt.

Kommt dieses Treffen viel zu spät?

Scholz, der – so der Plan von SPD, Grünen und FDP – in der Woche ab dem 6. Dezember zum Bundeskanzler gewählt werden soll, hat auf eine entsprechende Frage von watson am Donnerstag in der Bundespressekonferenz auf die Corona-Pläne der drei Parteien verwiesen. Sie wollen die "pandemische Notlage von nationaler Tragweite" auslaufen lassen, das Infektionsschutzgesetz verändern und – und unter anderem die Möglichkeit einer 3G-Pflicht am Arbeitsplatz schaffen. Nur, wer geimpft, genesen oder getestet ist, dürfte demnach in seinen Betrieb.

Der Bundestag soll das neue Gesetz am kommenden Donnerstag verabschieden, der Bundesrat soll am Tag danach zustimmen. Dann kann das Paket in Kraft treten. Scholz meinte auf die watson-Frage wörtlich:

"Wir werden sehr handlungsfähig sein und alles dafür tun, um Deutschland winterfest zu machen. Das ist doch genau die Aufgabe, die wir haben. Wir machen das ja auch sehr zügig. Da wird nicht gezaudert und gewartet."

Was aber sagen die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer dazu? Warum treffen sich die Landeschefs nicht viel früher, um Maßnahmen gegen die Pandemie abzustimmen? Und was entgegnen sie dem Eindruck, dass momentan zu wenig getan werde, um die Pandemie einzudämmen?

Watson hat bei allen 16 Landesregierungen nachgefragt – und aus sechs Bundesländern antworten bekommen.

Nordrhein-Westfalen: "Das Virus wartet nicht, bis eine neue Bundesregierung gebildet ist"

Die Landesregierung im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen pocht darauf, dass der Ende Oktober neu gewählte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) seit Längerem eine rasche Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) fordere.

Wüst, der auch Vorsitzender der MPK ist, habe sich "angesichts der steigenden Infektionszahlen bereits Anfang November für ein rasches Zusammentreffen der Bund-Länder-Runde ausgesprochen." Das schreibt ein Sprecher der Landesregierung in Düsseldorf auf watson-Anfrage. Dafür, dass es länger gedauert hat, seien die SPD-geführten Länder verantwortlich, heißt es aus Kreisen der Staatskanzlei. Diese hätten ihre Bereitschaft nicht früher erklärt.

Der Regierungssprecher betonte zudem, das Bundesland sehe in einer hohen Impfquote das wichtigste Mittel zur Pandemiebekämpfung. "Wir setzen auf Aufklärung und appellieren an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen, um auch diejenigen, die sich bislang noch nicht haben impfen lassen, von den Vorteilen einer Impfung für sich und andere zu überzeugen", heißt es weiter – mit Verweis auf "tausende Menschen", die sich weiterhin jeden Tag in NRW impfen ließen.

Baden-Württemberg: "Haben schon härteste 2G-Regel"

Aus dem Staatsministerium in Stuttgart, dem Amtssitz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) antwortet ein Sprecher auf die Frage von watson, es müsse "wohl Termingründe" geben, weshalb erst jetzt eine MPK zustande kommt – und verweist auf den MPK-Vorsitzenden Wüst aus Nordrhein-Westfalen sowie auf Bundeskanzlerin Merkel.

Baden-Württemberg, so die Antwort zu den Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie, habe heute schon "die härteste 2G-Regel", die schon im Sommer verabschiedet worden sei. Diese greift in Baden-Württemberg bei einer Auslastung von 390 Intensivbetten – und sieht vor, dass Menschen, die weder geimpft noch genesen sind, der Zutritt zu manchen Bereichen verboten ist.

Rheinland-Pfalz: "Wir müssen vulnerable Gruppen schützen. Das tun wir."

Aus Rheinland-Pfalz antwortet Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf die watson-Frage nach der MPK mit Verweis auf die vergleichsweise niedrigen Inzidenzzahlen im Bundesland:

"Auch wenn Rheinland-Pfalz weniger hart betroffen ist, so haben wir immer gesagt, dass wir uns nicht dem Wunsch verschließen, dass Bund und Länder zusammenkommen, um gemeinsam zu beraten. Das neue Infektionsschutzgesetz, das die Ampel-Fraktionen in den Bundestag eingebracht haben und worüber schon kommende Woche im Bundesrat abgestimmt werden soll, gibt uns Ländern die rechtliche Grundlage, um mit Schutzmaßnahmen gegenzusteuern. Auf die Eckpfeiler der Schutzmaßnahmen haben sich alle Länderchefinnen und -chefs vor drei Wochen verständigt."
Pressekonferenz in Nachgang der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Laender MPK Aktuell, 22.10.2021, Koenigswinter/Bonn, Malu Dreyer Ministerpraesidentin von Rheinland-Pfalz und  ...
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.Bild: imago images / Political-Moments

Auf die Frage zum Schutz der Bevölkerung entgegnet Dreyer:

"Wir haben im September ein Warnstufenkonzept aufgestellt, das geimpften und genesenen Menschen mehr Möglichkeiten im Alltag bietet. Wir haben aber auch Schutzmaßnahmen, wenn das Infektionsgeschehen steigt. Wir erleben aktuell ganz überwiegend eine Pandemie der Ungeimpften. Und wir müssen jetzt die vulnerablen Gruppen schützen. Das tun wir: Rheinland-Pfalz boostert seit dem 2. September. Die niedergelassenen Ärzte impfen flächendeckend, wir gehen dort, wo gefordert, mit mobilen Impfteams in die Alten- und Pflegeeinrichtungen und auch in den Impfbussen kann sich jeder, der will, ab 18 impfen und boostern lassen."

Niedersachsen: "Verschärfungen stehen auch anderen Ländern offen"

Aus der niedersächsischen Hauptstadt Hannover antwortet eine Sprecherin der von Stephan Weil (SPD) geführten Landesregierung auf die Frage, ob es zu lange bis zur nächsten MPK dauere: "Niedersachsen hat bereits eine strenge Corona-Verordnung, weitere Verschärfungen stehen unmittelbar bevor. Dieser Weg steht auch anderen Ländern offen – jenseits einer Ministerpräsidentenkonferenz."

Mit Blick auf den Schutz der Bevölkerung meint die Sprecherin: "Niedersachsen hat seit Längerem Regelungen für eine 2G-Pflicht, sobald bestimmte Inzidenzwerte erreicht sind. Alle Länder konnten und können bereits jetzt viele Schutzmaßnahmen ergreifen, um Corona zu bekämpfen."

Bremen: Bürgermeister Bovenschulte hält Teil-Impfpflicht für denkbar

Aus dem Senat, der Landesregierung von Bremen – dem Bundesland mit der bundesweit höchsten Impfquote – erwidert ein Sprecher auf die watson-Frage nach der MPK:

"Bremen hat nie die Teilnahme an einer MPK abgelehnt."
25.03.2021, Bremen: Andreas Bovenschulte (SPD), B
Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgermeister von Bremen. Bild: dpa / Sina Schuldt

Beim Schutz der Bevölkerung sieht Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgermeister und somit Chef der Bremer Landesregierung, sein Land als Vorbild. Er antwortet auf die watson-Frage zum Eindruck, die Bevölkerung werde nicht ausreichend geschützt:

"Zumindest für Bremen gilt das nicht. Das Land Bremen hat die mit Abstand höchste Impfquote aller Bundesländer. Bremen hat in der Pandemie bislang primär auf Überzeugung und nicht auf Druck gesetzt – und damit auch beim Impfen gute Erfahrungen gemacht."

Bovenschulte erwähnt allerdings auch die Möglichkeit einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Wörtlich meint er:

"Wir werden aber angesichts der Zuspitzung der Lage in Teilen Deutschlands über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nachdenken müssen. Beispielsweise in den Krankenhäusern, den Pflegeheimen, den Schulen und Kitas. Eine solche Impfpflicht kann allerdings nur bundesweit eingeführt werden.“

Hamburg: "Nicht ersichtlich, welches konkrete Ergebnis ein Bund-Länder-Gipfel bringen soll"

Die Landesregierung in Hamburg blickt skeptisch auf die anstehende Corona-MPK. Ein Sprecher des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) erklärt dazu gegenüber watson: "Bislang ist nicht ersichtlich, welches konkrete Ergebnis ein Bund-Länder-Gipfel bringen soll. Die Länder haben alle erforderlichen Instrumente zum Handeln. Und auf das Handeln kommt es an."

Mit Bezug auf den Schutz der Bevölkerung verweist der Sprecher auf die im bundesweiten Vergleich niedrige Hospitalisierungsrate in Hamburg, also die Zahl der Krankenhauseinweisung von Covid-19-Patienten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung – und auf die "hohe Impfquote": Rund 73 Prozent aller Hamburger sind vollständig geimpft, bei den Über-18-Jährigen liegt die Quote bei über 86 Prozent.

Zudem gelten in Hamburg schon umfangreiche 2G-Zugangsregeln.

Der Sprecher meint zu watson:

"Hamburg hat im August die 2G-Konzepte als erstes Bundesland eingeführt und damit gute Erfahrungen gemacht. Das wurde stark kritisiert, aber wir haben es gemacht, weil es nötig ist und weil es auch einen zusätzlichen Anreiz gibt, sich impfen zu lassen. Das 2G-Modell wird gut angenommen und schafft mehr Sicherheit in infektionsproblematischen Bereichen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung ist der Senat entschlossen, die 2G-Regelungen auszuweiten, wenn die Entwicklung in den Krankenhäusern bzw. auf den Intensivstationen dieses erfordert. Bildung, soziale Teilhabe und alle für den täglichen Bedarf notwendigen Bereiche werden auf jeden Fall für alle offen gehalten."
1000 Tage Krieg: Warum die Ukraine nicht verloren ist
Nach bald drei Jahren hat die Ukraine kaum noch Optionen, um den Krieg gegen Aggressor Russland militärisch zu gewinnen. Besiegt ist das geschundene Land deswegen aber nicht.

Am Dienstag ist es 1000 Tage her, seit der russische Autokrat Wladimir Putin den Befehl zur Invasion der Ukraine gab. Nun beginnt der dritte Kriegswinter. Er droht in der Ukraine "besonders kalt und dunkel zu werden", so der österreichische "Standard". Denn russische Luftschläge haben die Energieversorgung hart getroffen, zuletzt am Wochenende.

Zur Story