Rund 1,8 Millionen Menschen dürfen am Sonntag in Sachsen-Anhalt wählen. Sie entscheiden mit ihren Stimmen darüber, wie der nächste Landtag aussieht. Sachsen-Anhalt ist ein eher kleines Bundesland – doch die Wahl hat trotzdem auch jenseits der Landesgrenzen eine beachtliche Bedeutung.
Zum einen, weil in dem Land eine spezielle Koalition auf dem Prüfstand steht: ein sogenanntes Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen – das gibt es bisher nur in Sachsen-Anhalt und dem Nachbarland Sachsen. Zum anderen, weil die FDP ziemlich gute Chancen hat, es wieder in den Landtag zu schaffen, nachdem sie bei der Wahl 2016 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war.
Vor allem aber, weil die AfD in Sachsen-Anhalt stärkste Partei werden könnte. Zwischen 23 und 26 Prozent der Wählerstimmen liegen die Rechtspopulisten laut den jüngsten Umfragen. Laut der Befragung von INSA im Auftrag von "Bild" wäre die AfD damit zum ersten Mal in einem Bundesland die stärkste Partei und die stärkste Fraktion im Landtag.
Wie gehen junge Politiker aus anderen Parteien in Sachsen-Anhalt mit dieser Situation um?
Watson hat nachgefragt bei den Jugendorganisationen der anderen Parteien, bei Junger Union, Jusos, Jungen Liberalen, Grüner Jugend und Linksjugend.
Anja Kreye ist seit 2018 Landesvorsitzende der Jungen Union in Sachsen-Anhalt, der Jugendorganisation der CDU: der Partei also, die hier sechs der bisher sieben Landtagswahlen seit der Wiedervereinigung 1990 gewonnen hat und den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff stellt. In den Umfragen liegt die Partei zwischen 25 und 30 Prozent.
In Sachsen-Anhalt gibt es CDU-Mitglieder, die mehr oder weniger offen sind für eine Zusammenarbeit mit der AfD. Im vergangenen Dezember blockierte die CDU-Fraktion im Landtag die Erhöhung des Rundfunkbeitrags, der alle anderen Bundesländer zugestimmt hatten – auch die AfD war gegen die Erhöhung. Im Zuge des Streits entließ Ministerpräsident Haseloff Innenminister Holger Stahlknecht, weil ihm unterstellt worden war, mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen.
JU-Landeschefin Kreye macht jedenfalls klar, dass sie nichts mit der AfD zu tun haben will. Gegenüber watson erklärt sie:
Für die SPD ist Sachsen-Anhalt eines der ostdeutschen Bundesländer, in denen sich die Partei schwertut. Nur einmal, 1998, gewannen die Sozialdemokraten eine Landtagswahl. Zwischen 1994 und 2002 stellten sie mit Reinhard Höppner den Ministerpräsidenten. Bei der Wahl 2016 erlebte die Partei ein katastrophales Ergebnis, von über 20 Prozent stürzte sie auf 10,6 Prozent ab. Laut den Umfragen besteht diesmal kaum Hoffnung auf Besserung: Zwischen zehn und elf Prozent könnten es demnach werden.
Die beiden Landesvorsitzenden der SPD-Jugendorganisation Jusos geben sich gegenüber watson kämpferisch, wenn es um die AfD geht. Franca Meye und Rico Rauch, die seit 2020 die Doppelspitze der Jungsozialisten, bilden, erklären:
In ostdeutschen Bundesländern tun sich die Grünen seit jeher vergleichsweise schwer. In Sachsen-Anhalt war die Partei zwischen 1998 und 2011 gar nicht im Landtag vertreten, 2016 schaffte sie es mit 5,2 Prozent nur knapp ins Parlament. Diesmal sind die Umfragen vielversprechend für die Partei, die mit CDU und SPD gemeinsam das Land regiert: zwischen neun und elf Prozent sind laut den Umfrageinstituten drin.
Im Umgang mit dem möglichen Wahlsieger von rechtsaußen setzt die Grüne Jugend – die Jugendorganisation der Partei – auf eine Mischung aus Ignorieren im Wahlkampf und Widerstand zu den politischen Positionen der Rechtspopulisten. Die Landesvorsitzenden Sarah Einzel und Gregor Laukert erklären gegenüber watson:
Kritisch äußern sich Einzel und Laukert zur Haltung der CDU, der sie "enormes Versagen" im Umgang mit der AfD vorwerfen. Wörtlich meinen sie:
Die grünen Nachwuchspolitiker sehen in Sachsen-Anhalt außerdem ein Problem darin, dass die Frage nach dem Umgang mit der AfD die politische Diskussion um wichtige Zukunftsfragen behindere. Sie meinen:
Noch schwerer als die Grünen hat sich in Sachsen-Anhalt seit der Wiedervereinigung die FDP getan. Die Liberalen haben es nur bei drei der bisher sieben Landtagswahlen über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. 2016 haben sie den Einzug ins Parlament mit 4,9 Prozent denkbar knapp verpasst. Am Sonntag haben sie gute Aussichten, es wieder in den Landtag zu schaffen: Zwischen sechs und acht Prozent sind laut den Umfragen drin.
Kai Krause ist seit 2018 Landesvorsitzender der Jungen Liberalen (Julis), der FDP-Jugendorganisation. Gegenüber watson erklärt er zunächst, dass die Julis kaum in Kontakt zu Vertretern der AfD oder von deren Jugendorganisation, der "Jungen Alternative", kommen. Krause meint dazu:
Die Position der Landeschefs der Grünen Jugend, die an keinen gemeinsamen Veranstaltungen mit AfD-Vertretern teilnimmt, lehnt Krause ab. Er erklärt:
Die anderen Parteien in Sachsen-Anhalt müssten dauerhaft lernen, mit der AfD umzugehen. Krause meint dazu:
Er ergänzt:
So sehr Krause sich offen für die Diskussion mit AfD-Vertretern und mit der Gegenrede gegen ihre Thesen ausspricht – eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten lehnt er ab. Unter Bezugnahme auf den thüringischen FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der im Februar 2020 unter anderem mit Stimmen der AfD zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, meint der Juli-Landeschef aus Sachsen-Anhalt:
Die Linkspartei hat (bis 2007 noch als PDS) in Sachsen-Anhalt lange Wahlergebnisse um die 20 Prozent eingefahren. Zwischen 1994 und 2002 war ihre Vorgängerpartei PDS sogar an der Landesregierung beteiligt, zumindest indirekt. Die Abgeordneten Sozialisten tolerierten damals die SPD-geführte Minderheitsregierungen: Das heißt, sie enthielten sich im Landtag bei der Wahl des Ministerpräsidenten und trugen auch andere Vorhaben der Landesregierung mit – obwohl die Partei nicht mit eigenen Ministern an der Regierung beteiligt war. Es war die erste Regierungsbeteiligung der PDS in einem Bundesland, sie ist als "Magdeburger Modell" in die Geschichte eingegangen.
Heute sind die Linken in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr so mächtig. Laut den Umfragen steuert die Partei auf ein Ergebnis zwischen zehn und 11,5 Prozent zu.
Die Linksjugend, die Jugendorganisation der Linkspartei, ließ die Anfragen von watson zur Auseinandersetzung mit der AfD unbeantwortet.