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Sachsen-Anhalt: Wie JU, Jusos, Julis und Grüne Jugend mit der AfD umgehen

29.05.2021, Sachsen-Anhalt, Halle: Plakate mit den Aufschriften
Eine Demonstration des Bündnisses "Unteilbar Sachsen-Anhalt" am 29. Mai in Halle. Bild: dpa / Peter Endig
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Ignorieren, ausschließen, Streit suchen: Wie Jungpolitiker in Sachsen-Anhalt mit der AfD umgehen

05.06.2021, 15:5606.06.2021, 15:34
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Rund 1,8 Millionen Menschen dürfen am Sonntag in Sachsen-Anhalt wählen. Sie entscheiden mit ihren Stimmen darüber, wie der nächste Landtag aussieht. Sachsen-Anhalt ist ein eher kleines Bundesland – doch die Wahl hat trotzdem auch jenseits der Landesgrenzen eine beachtliche Bedeutung.

Zum einen, weil in dem Land eine spezielle Koalition auf dem Prüfstand steht: ein sogenanntes Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen – das gibt es bisher nur in Sachsen-Anhalt und dem Nachbarland Sachsen. Zum anderen, weil die FDP ziemlich gute Chancen hat, es wieder in den Landtag zu schaffen, nachdem sie bei der Wahl 2016 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war.

Vor allem aber, weil die AfD in Sachsen-Anhalt stärkste Partei werden könnte. Zwischen 23 und 26 Prozent der Wählerstimmen liegen die Rechtspopulisten laut den jüngsten Umfragen. Laut der Befragung von INSA im Auftrag von "Bild" wäre die AfD damit zum ersten Mal in einem Bundesland die stärkste Partei und die stärkste Fraktion im Landtag.

Wie gehen junge Politiker aus anderen Parteien in Sachsen-Anhalt mit dieser Situation um?

Watson hat nachgefragt bei den Jugendorganisationen der anderen Parteien, bei Junger Union, Jusos, Jungen Liberalen, Grüner Jugend und Linksjugend.

Anja Kreye, Junge Union: "Wir schließen eine Zusammenarbeit aus"

Anja Kreye ist seit 2018 Landesvorsitzende der Jungen Union in Sachsen-Anhalt, der Jugendorganisation der CDU: der Partei also, die hier sechs der bisher sieben Landtagswahlen seit der Wiedervereinigung 1990 gewonnen hat und den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff stellt. In den Umfragen liegt die Partei zwischen 25 und 30 Prozent.

In Sachsen-Anhalt gibt es CDU-Mitglieder, die mehr oder weniger offen sind für eine Zusammenarbeit mit der AfD. Im vergangenen Dezember blockierte die CDU-Fraktion im Landtag die Erhöhung des Rundfunkbeitrags, der alle anderen Bundesländer zugestimmt hatten – auch die AfD war gegen die Erhöhung. Im Zuge des Streits entließ Ministerpräsident Haseloff Innenminister Holger Stahlknecht, weil ihm unterstellt worden war, mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen.

JU-Landeschefin Kreye macht jedenfalls klar, dass sie nichts mit der AfD zu tun haben will. Gegenüber watson erklärt sie:

"Auch wir schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Darüber hinaus gilt es, den politischen Gegner mit eigenen Stärken zu schlagen. Es gilt, Klartext zu sprechen, Erfolge selbstbewusst zu kommunizieren, getroffene Entscheidungen nachvollziehbar zu erläutern und Grenzen politischen Handelns deutlich zu machen beziehungsweise an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen zu appellieren".
Anna Kreye, Landesvorsitzende der Jungen Union.
Anna Kreye, Landesvorsitzende der Jungen Union. bild: gottfried schwarz

Rico Rauch und Franca Meye, Jusos: "Wir bleiben in Sachsen-Anhalt standhaft"

Für die SPD ist Sachsen-Anhalt eines der ostdeutschen Bundesländer, in denen sich die Partei schwertut. Nur einmal, 1998, gewannen die Sozialdemokraten eine Landtagswahl. Zwischen 1994 und 2002 stellten sie mit Reinhard Höppner den Ministerpräsidenten. Bei der Wahl 2016 erlebte die Partei ein katastrophales Ergebnis, von über 20 Prozent stürzte sie auf 10,6 Prozent ab. Laut den Umfragen besteht diesmal kaum Hoffnung auf Besserung: Zwischen zehn und elf Prozent könnten es demnach werden.

Die beiden Landesvorsitzenden der SPD-Jugendorganisation Jusos geben sich gegenüber watson kämpferisch, wenn es um die AfD geht. Franca Meye und Rico Rauch, die seit 2020 die Doppelspitze der Jungsozialisten, bilden, erklären:

"Es darf keine irgendwie geartete Kooperation geben. Mögen noch so viele Menschen und andere Parteien meinen, die Zahlen zwingen uns zu einer Zusammenarbeit, es ist mit unserem demokratischen Gewissen nicht vereinbar. Wir werden weiterhin zu unserer Linie stehen und die AfD als das outen, was sie sind: eine profaschistische Partei.

Die Geschichte hat uns gezeigt, was passiert, wenn man ihnen gegenüber Schwäche zeigt. Wir bleiben in Sachsen-Anhalt standhaft, egal wie der Sonntag ausgeht. Die AfD verkörpert ein Bild der Gesellschaft, das wir ablehnen. Wir stehen zu einer freien, gleichberechtigten, multikulturellen Gesellschaft, in der jeder Mensch – egal, welcher Herkunft, sexuellen oder religiösen Orientierung – willkommen ist."
Sachsen-Anhalts Juso-Chefs Franca Meye...
Sachsen-Anhalts Juso-Chefs Franca Meye...foto: juso-lsa
...und Rico Rauch.
...und Rico Rauch. bild: juso-lsa

Sarah Einzel und Gregor Laukert, Grüne Jugend: "Für uns spielt die AfD grundsätzlich keine Rolle"

In ostdeutschen Bundesländern tun sich die Grünen seit jeher vergleichsweise schwer. In Sachsen-Anhalt war die Partei zwischen 1998 und 2011 gar nicht im Landtag vertreten, 2016 schaffte sie es mit 5,2 Prozent nur knapp ins Parlament. Diesmal sind die Umfragen vielversprechend für die Partei, die mit CDU und SPD gemeinsam das Land regiert: zwischen neun und elf Prozent sind laut den Umfrageinstituten drin.

Im Umgang mit dem möglichen Wahlsieger von rechtsaußen setzt die Grüne Jugend – die Jugendorganisation der Partei – auf eine Mischung aus Ignorieren im Wahlkampf und Widerstand zu den politischen Positionen der Rechtspopulisten. Die Landesvorsitzenden Sarah Einzel und Gregor Laukert erklären gegenüber watson:

"Grundsätzlich spielt die AfD für uns zumindest im Wahlkampf insofern keine Rolle, als das wir als Grüne Jugend keine Übereinstimmungen in den Zielgruppen haben. Trotzdem sehen wir es als unsere notwendige Aufgabe den menschenverachtenden Positionen und dem Faschismus im Allgemeinen stets zu widersprechen und ihm gleichzeitig keine Plattform zu bieten.

Veranstaltungen oder Podien, bei denen wir durch unsere Anwesenheit oder Teilnahme unmittelbar dazu beitragen, Stimmen der AfD oder der offen rechtsextremen Jungen Alternativen eine Plattform zu bieten, lehnen wir ab. Stattdessen beteiligen wir uns aktiv an Gegendemos und Kundgebungen gegen AfD-Veranstaltungen und positionieren uns dort immer wieder klar gegen deren Hetze."

Kritisch äußern sich Einzel und Laukert zur Haltung der CDU, der sie "enormes Versagen" im Umgang mit der AfD vorwerfen. Wörtlich meinen sie:

"Ein leider viel bedeutenderes Problem in Sachsen-Anhalt ist die fehlende Abgrenzung von CDU-Personal zur AfD. Das offene Spekulieren über Koalitionen oder gemeinsam getragene Regierungen ist die aktuell größte Bedrohung für die Demokratie in unserem Bundesland. Dieses enorme Versagen der CDU aufzudecken ist eine der größten Aufgaben vor der Wahl."
Sarah Einzel bildet die Doppelspitze der Grünen Jugend Sachsen-Anhalt...
Sarah Einzel bildet die Doppelspitze der Grünen Jugend Sachsen-Anhalt...bild: grüne jugend sachsen-anhalt
...neben Gregor Laukert.
...neben Gregor Laukert. bild: grüne jugend sachsen-anhalt

Die grünen Nachwuchspolitiker sehen in Sachsen-Anhalt außerdem ein Problem darin, dass die Frage nach dem Umgang mit der AfD die politische Diskussion um wichtige Zukunftsfragen behindere. Sie meinen:

"Alles in allem stellen wir uns gegen die Diskursverschiebung durch die AfD: Während wir eigentlich in gemeinsame Ziele und andere Baustellen unsere Kraft investieren könnten, lässt sich ein Teil der politischen Landschaft von der AfD schikanieren und wir müssen plötzlich wieder über die Legitimität der Grundrechte von Frauen diskutieren, wenn wir doch eigentlich über neue und progressive Ideen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle debattieren könnten."

Kai Krause, Junge Liberale: "Man muss dahin gehen, wo es weh tut"

Noch schwerer als die Grünen hat sich in Sachsen-Anhalt seit der Wiedervereinigung die FDP getan. Die Liberalen haben es nur bei drei der bisher sieben Landtagswahlen über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. 2016 haben sie den Einzug ins Parlament mit 4,9 Prozent denkbar knapp verpasst. Am Sonntag haben sie gute Aussichten, es wieder in den Landtag zu schaffen: Zwischen sechs und acht Prozent sind laut den Umfragen drin.

Kai Krause ist seit 2018 Landesvorsitzender der Jungen Liberalen (Julis), der FDP-Jugendorganisation. Gegenüber watson erklärt er zunächst, dass die Julis kaum in Kontakt zu Vertretern der AfD oder von deren Jugendorganisation, der "Jungen Alternative", kommen. Krause meint dazu:

"Aufgrund der ausgedünnten politischen Strukturen gibt es in Sachsen-Anhalt generell wenige Kontaktpunkte und folglich weniger Diskussionen untereinander, als das in anderen Bundesländern der Fall ist. Deshalb kommen wir Julis abseits von kommunalen Gremien viel zu selten in Konflikt mit der AfD. Das ist insofern schade, als uns dadurch die Möglichkeit fehlt, den fadenscheinigen Argumentationen der Jungen Alternative und AfD etwas entgegenzusetzen."

Die Position der Landeschefs der Grünen Jugend, die an keinen gemeinsamen Veranstaltungen mit AfD-Vertretern teilnimmt, lehnt Krause ab. Er erklärt:

"Vor dem Hintergrund ist es also auch zu bedauern, dass Vertreter der AfD bei gewissen Foren auch jetzt noch ausgeschlossen werden."

Die anderen Parteien in Sachsen-Anhalt müssten dauerhaft lernen, mit der AfD umzugehen. Krause meint dazu:

"Anders als 2016 ist nun klar, dass die AfD nicht mehr so schnell von der politischen Landkarte verschwindet. Die AfD ist inzwischen zu stark in der Gesellschaft in Sachsen-Anhalt verankert."

Er ergänzt:

"Wenn ein Viertel der Bevölkerung voraussichtlich zum wiederholten Mal AfD wählt, dann ist es zu wenig, wenn man in seinem Wohlfühlviertel in Halle oder Magdeburg gegen sie und ihre teils menschenfeindlichen Thesen demonstriert. Man muss dahin gehen, wo es weh tut. Denn wenn man die AfD kleinhalten will, muss man dort um Weltoffenheit werben. Und man muss es dann auch aushalten, wenn es dafür keinen Applaus gibt.“
Kai Krause, Landeschef der Jungen Liberalen.
Kai Krause, Landeschef der Jungen Liberalen. bild: junge liberale sachsen-anhalt

So sehr Krause sich offen für die Diskussion mit AfD-Vertretern und mit der Gegenrede gegen ihre Thesen ausspricht – eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten lehnt er ab. Unter Bezugnahme auf den thüringischen FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der im Februar 2020 unter anderem mit Stimmen der AfD zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, meint der Juli-Landeschef aus Sachsen-Anhalt:

"Nach den Ereignissen in Thüringen hat der erweiterte Bundesvorstand der Jungen Liberalen einen klar definierenden Beschluss hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit der AfD gefällt: Mit uns wird es keine strukturelle Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler oder Länderebene geben. Denn für uns ist klar, dass die FDP und die Julis eine optimistische, weltoffene und fortschrittsorientierte Politik wollen. Die AfD mit ihren pessimistischen, völkischen und rückwärtsgewandten Ideen bildet also das Gegenteil von dem ab, was wir uns für unser Land wünschen."

Linksjugend: Kein Kommentar

Die Linkspartei hat (bis 2007 noch als PDS) in Sachsen-Anhalt lange Wahlergebnisse um die 20 Prozent eingefahren. Zwischen 1994 und 2002 war ihre Vorgängerpartei PDS sogar an der Landesregierung beteiligt, zumindest indirekt. Die Abgeordneten Sozialisten tolerierten damals die SPD-geführte Minderheitsregierungen: Das heißt, sie enthielten sich im Landtag bei der Wahl des Ministerpräsidenten und trugen auch andere Vorhaben der Landesregierung mit – obwohl die Partei nicht mit eigenen Ministern an der Regierung beteiligt war. Es war die erste Regierungsbeteiligung der PDS in einem Bundesland, sie ist als "Magdeburger Modell" in die Geschichte eingegangen.

Heute sind die Linken in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr so mächtig. Laut den Umfragen steuert die Partei auf ein Ergebnis zwischen zehn und 11,5 Prozent zu.

Die Linksjugend, die Jugendorganisation der Linkspartei, ließ die Anfragen von watson zur Auseinandersetzung mit der AfD unbeantwortet.

Die SPD sollte auf ihre Jugend hören – Scholz drückt sich aber vor Kritik

Mit eiserner Stimme spricht sie beinahe in die Stille hinein. Saskia Esken (SPD) steht auf der Bühne vor rund 500 enttäuschten und wütenden Juso-Delegierten. Die Co-Vorsitzende der SPD will die eigene Jugend wieder für sich gewinnen. Doch ihr Publikum ist kein einfaches.

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