Erneut rückt die Region Bergkarabach in den Fokus. Seit Juli soll Aserbaidschan die einzige Straßenverbindung zwischen Armenien und Bergkarabach blockieren. Nach armenischen Angaben wirkt sich das gravierend auf die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten, Gas und Treibstoff für die Menschen vor Ort aus.
Laut des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, hat Aserbaidschan völkerrechtlich die Verpflichtung, die Versorgung für Armenier:innen in seinem Herrschaftsgebiet zu gewährleisten. "Jenseits eines endgültigen Verhandlungsergebnisses über dauerhaften Frieden und die Rechtsstellung der Armenier in Bergkarabach ist die humanitäre Frage vordringlich", betont Hardt auf watson-Anfrage. Er stellt eine klare Forderung.
Laut ihm müsse die EU mit Ratspräsident Charles Michel sowie den beiden Regierungschefs Emmanuel Macron und Olaf Scholz die beiden Konfliktparteien "rasch genau hierüber an einen Tisch bringen", bevor die Wintermonate neue Entbehrungen mit sich bringen. Das Problem der Region sei der dauernde Einfluss externer Akteure wie Russland, Iran oder der Türkei.
Dies schüre Spannungen auf beiden Seiten und verlängere den Konflikt unnötig. Zum Hintergrund: Aserbaidschan und Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Grenzregion Bergkarabach. Kämpfe im Jahr 2020 mit mehr als 6500 Toten wurden durch ein von Russland vermitteltes Waffenstillstandsabkommen beendet. Doch nun flammt die Krise erneut auf.
"Aserbaidschan und Armenien müssen rasch und im eigenen Interesse einen Friedensschluss verhandeln", sagt Hardt. Nur dann werde sich der südliche Kaukasus friedlich entwickeln. "Der Nationalismus muss überwunden werden. Das ist im Interesse beider Staaten, die sonst nicht ihr volles wirtschaftliches und kulturelles Potenzial entfalten können", führt Hardt aus.
Auch der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi wünscht sich Deutschland als Vermittler bei diesem Konflikt.
Laut Gysi muss jede weitere militärische Auseinandersetzung zwischen beiden Ländern verhindert werden. "Außerdem muss Deutschland Initiativen ergreifen, damit die Versorgung der Bevölkerung von Bergkarabach gesichert wird", sagt er auf watson-Anfrage. Wenn es zu einem militärischen Konflikt käme, hänge laut ihm vieles von der Türkei und Russland ab und sehr wenig von Deutschland.
So weit soll es aber erst gar nicht kommen. "Die Bundesregierung bemüht sich gemeinsam mit der EU und den USA, den Konflikt zu entschärfen und eine weitere Eskalation abzuwenden", sagt der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid auf watson-Anfrage.
Aus seiner Sicht ist die sich zuspitzende Versorgungslage in Bergkarabach Ergebnis einer fehlenden Einigung zum Versorgungsweg. Diese Blockade sei nicht akzeptabel.
"Bundeskanzler Scholz telefonierte am vergangenen Wochenende mit seinem armenischen Amtskollegen Paschinjan. Aktuell laufen Gespräche zwischen den Konfliktparteien sowohl über die Wiedereröffnung des Latschin-Korridors als auch über die Eröffnung eines weiteren Transportkorridors von aserbaidschanischem Gebiet", führt der SPD-Politiker aus. Der Latschin-Korridor ist die blockierte Straße, die nach Bergkarabach führt.
Es müsse dringend wieder ein freier und sicherer Personen- und Handelsverkehr gewährleistet werden, um die humanitäre Notsituation zu beenden, fordert der SPD-Politiker. "Unser Ziel bleibt eine nachhaltige Konfliktlösung in Form eines Friedensvertrages zwischen Armenien und Aserbaidschan", sagt Schmid.
Auch der Ampelpartner FDP teilt die Sorgen der SPD zum Konflikt im Kaukasus.
"Die Versorgungslage der Armenier in Bergkarabach ist offenbar dramatisch, es fehlt an überlebenswichtigen Medikamenten und einfachsten Nahrungsmitteln", sagt FDP-Politiker Ulrich Lechte zur aktuellen Lage in Bergkarabach.
Auf watson-Anfrage erklärt der außenpolitische Sprecher der Freien Demokrat:innen: "Nun zeichnet sich eine alternative Versorgungsroute ab, die aber abgeschnitten von der Republik Armenien über das Territorium Aserbaidschans verläuft und somit auch ein mögliches Einfallstor für Aserbaidschan bietet."
Diese Belieferungsroute wurde bereits in der Vergangenheit aus eben diesen Gründen abgelehnt, meint er. "Mittelfristig muss Aserbaidschan also seine Blockadehaltung aufgeben und westlichen Beobachtern sowie dem IKRK über den Latschin-Korridor einen offenen, also kontrollfreien, Zugang gewähren", sagt Lechte. Mit IKRK meint er das "Internationale Komitee vom Roten Kreuz".
Falls sich die Lage nicht entschärft, ziehe die FDP noch härtere Maßnahmen in Betracht. Lechte sagt:
Denn für die FDP steht fest: "Ein Aushungern der mehrheitlich armenischen Bewohner Bergkarabachs am Rande Europas können wir unter keinen Umständen zulassen!"