Die Übergewinnsteuer ist wieder im Spiel: Die Gasumlage soll kommen – obwohl die reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent die Mehrbelastungen für Verbraucher:innen abfedern soll, ist eine Übergewinnsteuer in der Debatte wieder aufgetaucht. Denn entgegen der ursprünglichen Verlautbarungen, dass die Gasumlage dafür da sei, Unternehmen vor einer Insolvenz zu schützen, heißt es jetzt: auch finanziell gut gestellte Unternehmen können von der Gasumlage profitieren.
Eine drohende Insolvenz gehört nicht zu den Kriterien, um Geld aus der von der Gasumlage eingenommen Gelder zu erhalten. Dies bestätigte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums auf Nachfrage eines Journalisten in der Bundespressekonferenz. Das Argument von Robert Habeck und seines Ministeriums: Unternehmen müssten auch Gewinne machen können, um sich breiter aufstellen und um sich letztlich unabhängiger von russischem Gas machen zu können.
Der Energie-Riese RWE könnte einer dieser Profiteure sein. Entgegen früherer Ankündigungen möchte das Unternehmen nun doch von der Gasumlage profitieren, obwohl es wirtschaftlich gut aufgestellt ist. Ausgelegt war die Gasumlage auf Firmen wie Uniper und SEFE (Securing Energy for Europe GmbH), das Nachfolgeunternehmen von Gazprom Germania. Uniper ist stark abhängig von russischen Gaslieferungen und wäre ohne Umlage stark von einer Insolvenz bedroht.
Julia Klöckner (CDU) nennt es ein "Drama" und die geplante Umlage eine "Chaosumlage", die einen Kollaps auf dem Gasmarkt verhindern solle – aber nicht Unternehmen stützen, die die keine Hilfe bräuchten. Sie drückt gegenüber watson ihre Verwunderung darüber aus, wie die Umlage vorbereitet wurde. "Scheinbar wurde das Instrument mit heißer Nadel gestrickt."
Es hätten vorab alle Fragen und Folgen sorgfältig geklärt werden müssen, sagt Klöckner. Was die CDU-Politikerin stört – die Mehrbelastung für den Mittelstand, insbesondere bei Unternehmen, die nicht von der Mehrwertsteuersenkung profitieren:
Linken-Politiker Christian Leye nennt gegenüber watson die Gasumlage "eine politische Frechheit". Die Ampel-Koalition bitte die Bevölkerung zur Kasse, damit sie Konzernen die Mehrkosten erstatte, die aufgrund des Wirtschaftskriegs und den damit verbundenen Gaseinkäufen auf dem Weltmarkt entstünden, meint der wirtschaftspolitische Sprecher der Linkspartei. Während Finanzminister Christian Lindner beim 9-Euro-Ticket den Menschen Gratismentalität unterstelle, "kann man hier sehen, wie echte Selbstbedienungsmentalität aussieht, wenn die Regierung es politisch erlaubt." Weiter führt er aus:
Leye führt Schätzungen des Trading-Hub-Europe an: Demzufolge werde sich die Gesamtsumme der Gasumlage auf rund 34 Milliarden Euro belaufen und davon würden rund etwa 3,4 Milliarden an Unternehmen mit teils enormen Gewinnen gehen.
Grund dafür sei laut Leye, dass die Ampel-Regierung es versäumt habe, die Antragskriterien darauf anzupassen. Konkret ginge es um über Gewinnsteigerungen bei den betreffenden Konzernen zwischen 30 und 200 Prozent im ersten Halbjahr.
Bei einem Steuersatz von 25 Prozent, wie von der Linkspartei gefordert, könnte rund 30 Milliarden Euro pro Jahr generiert werden – in etwa die Summe, die durch die Gasumlage zusammen kommen würde, sagt Leye.
Leye unterstützt den Aufruf zu neuen Montagsdemos und zieht den Bogen zu den Montagsdemonstrationen gegen die Hartz-IV-Gesetze der Schröder-Regierung Anfang der 2000er Jahre. Die Kritik daran, dass nun montags Corona-Leugner:innen und Verschwörungs-Gläubige auf die Straßen gehen und die Linkspartei sich mit rechten Demonstrant:innen gemein mache, entgegnet Leye:
Der Job einer "sozialen Opposition" sei es, genau hier reinzugehen und die Regierung zu stellen, sagt Leye.
Die energiepolitische Sprecherin der SPD sagt: "Sowohl Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes, als auch die daraus folgende Preisanpassungsverordnung sollen Insolvenzen verhindern, hingegen keine Gewinne auf Kosten von Verbraucher:innen absichern." Dies gelte es in der Umsetzung zu gewährleisten. Das gelte sowohl in Bezug auf die Auswahl der Unternehmen, als auch "indem die gesetzlich vorrangigen direkten staatlichen Stützungsmöglichkeiten nach Paragraf 29 Energiesicherungsgesetz geprüft werden."
Aktuell werden Übergewinnsteuern in Spanien und Italien erhoben. Diese bewertet Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion allerdings negativ.
"Auch die Beispiele im europäischen Ausland zeigen, wie wenig praktikabel eine Übergewinnsteuer ist", sagt Houben. Er meint, dass eine Übergewinnsteuer von der Annahme ausgehe, dass Unternehmen in bestimmten Situationen zu hohe Gewinne machten. Dies eindeutig festzustellen, sei aber praktisch unmöglich und generell fraglich, sagt Houben:
Finanzminister Christian Lindner habe bereits einen guten Vorschlag gemacht, wie durch die Abschaffung der inflationsbedingten Steuererhöhung durch die kalte Progression die breite Mittelschicht unterstützt werden könne, sagt der FDP-Politiker.