Schwer in die Kritik geraten wegen seiner Äußerungen: Der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen.Bild: Getty Images Europe / Carsten Koall
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"Herr Maaßen sollte sich selbst fragen, ob er charakterlich geeignet ist, ein Bundestagsmandat auszuüben": Bundestagsabgeordnete der Union distanzieren sich
Der CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen bringt seine Partei erneut in Bedrängnis. Nach Attacken des früheren Verfassungsschutzschefs gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kam auch aus den eigenen Reihen deutliche Kritik bis hin zur Forderung nach einem Parteiausschlussverfahren. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte am Montag dazu, Maaßen sei schon "zurückgerudert" und habe sich zur Pressefreiheit bekannt. "Das ist auch wichtig und notwendig." Ein Ausschlussverfahren war demnach kein Thema im Bundesvorstand.
Anlass für die Debatte waren Äußerungen Maaßens insbesondere über die ARD-"Tagesschau", über die er sagte: "Wenn man sieht, dass es da auch Verbindungen gibt zwischen der 'Tagesschau' oder zwischen Personen, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die 'Tagesschau' arbeiten, und der linken und linksextremen Szene, dann wäre das wirklich auch eine Untersuchung wert." Konkrete Beispiele oder Belege für seine Vorwürfe oder Namen nannte Maaßen nicht.
Inzwischen haben auch mehrere führende CDU-Politiker die Aussagen von Maaßen kritisiert. Entscheidend wird im Herbst aber sein, wie Maaßen mit seinen Kollegen im Bundestag zusammenarbeiten wird – sollte er bei der Bundestagswahl das Mandat gewinnen.
Watson hat hierzu bei den Abgeordneten der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nachgefragt, was sie von den Äußerungen von Hans-Georg Maaßen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk halten.
"Meines Erachtens wird Herrn Maaßen viel zu viel Aufmerksamkeit zuteil."
Paul Lehrieder, CSU
CSU-Politiker Paul Lehrieder.Bild: www.imago-images.de / Frederic Kern
Nach den Äußerungen von Hans-Georg Maaßen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gab es scharfe Kritik aus der Opposition. Aber auch aus der Union sind kritische Stimmen zu hören. Gegenüber watson erklärte Jan-Marco Luczak, Bundestagsabgeordneter der CDU:
"Das klare Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ist unumstößlicher Grundsatz der CDU. Dazu gehört auch das Eintreten für eine objektive und von politischer Einflussnahme freie Presse. Die Äußerungen sind daher unangebracht und inakzeptabel. Mit seiner Meinung steht Herr Maaßen in der Union allein da."
Jan-Marco Luczak, CDU
CSU-Politiker Paul Lehrieder hält auch die Berichterstattung über Maaßens Äußerungen für problematisch. Gegenüber watson erklärte er:
"Meines Erachtens wird Herrn Maaßen viel zu viel Aufmerksamkeit zuteil. Gesinnungskontrollen journalistischer Arbeit darf und wird es nicht geben – dafür sorgen die wichtigen demokratischen Grundrechte der Presse- und Meinungsfreiheit in Artikel 5 unseres Grundgesetzes."
Paul Lehrieder, CSU
"Er interpretiert damit entweder unser Grundgesetz höchst fragwürdig oder versucht bewusst Grenzen des Diskurses zu verschieben. Beides finde ich höchst problematisch und es entspricht auch nicht den Werten der CDU."
Roderich Kiesewetter, CDU
Auch Wilfried Oellers, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, lehnt gegenüber watson eine Art Gesinnungstest für Journalisten, wie es von Maaßen im Interview mit dem Sender TV Berlin gefordert wurde, ab:
"Ich halte einen Gesinnungstest ausdrücklich für falsch. Sender, Zeitungen und Onlineplattformen müssen in freier redaktioneller Verantwortung entscheiden können, wen sie einstellen."
Wilfried Oellers, CDU
Rüdiger Kruse, Hamburger CDU-Abgeordneter im Bundestag, sieht die entstandene Debatte um die Äußerungen von Hans-Georg Maaßen als Beleg dafür an, dass die Medien und insbesondere der NDR nicht so einseitig berichten wie von Maaßen behauptet. Gegenüber watson erklärte Kruse:
"Ich teile die Meinung von Herrn Maaßen nicht. Ich halte seine Äußerung für einen Ausdruck peinlicher Aufmerksamkeitsgier. Paradox ist, dass er so in die von ihm kritisierte Tagesschau kommt. Aber auch das widerspricht seiner Behauptung von einseitigem Journalismus."
Rüdiger Kruse, CDU
CDU-Politiker Matthias Hauer.Bild: Getty Images Europe / Pool
CDU-Politiker Matthias Hauer spricht hinsichtlich der Äußerungen von Maaßen von einem "Angriff auf die Pressefreiheit". Gegenüber watson erklärt er:
"Die Pressefreiheit ist ein elementarer Pfeiler unserer Demokratie. Für uns als CDU ist die Pressefreiheit unantastbar und wir stehen klar und deutlich für sie ein. Mit seinen aktuellen Äußerungen hat Herr Dr. Maaßen ein weiteres Mal bewiesen, dass er meilenweit von den Werten der CDU entfernt ist. Es ist ein ungeheuerlicher Angriff auf die Pressefreiheit und mit der Union niemals zu machen. Maaßen ist in der Union mit solchen Positionen völlig isoliert."
Matthias Hauer, CDU
"Herr Maaßen sollte sich selbst fragen, ob er charakterlich geeignet ist, ein Bundestagsmandat auszuüben."
Johannes Steiniger, CDU
Johannes Steiniger ist einer der jüngsten Abgeordneten der Union im Deutschen Bundestag. Gegenüber watson stellt er Maaßens charakterliche Eignung für ein Bundestagsmandat infrage:
"Die fortwährenden Einlassungen von Herrn Maaßen schaden der CDU und sie spalten unsere Gesellschaft. Auch die jüngsten Äußerungen zu Gesinnungstests für öffentlich-rechtliche Journalisten passen ins Bild der ständigen Provokation – auch, wenn hinterher wieder andere Töne angeschlagen wurden. Herr Maaßen sollte sich selbst fragen, ob er charakterlich geeignet ist, ein Bundestagsmandat auszuüben. Schließlich nimmt unsere politische Kultur im Land Schaden durch solche Profilierungsversuche eines ehemaligen Spitzenbeamten."
Johannes Steiniger, CDU
Auch CDU-Politiker Marc Biadacz kritisiert Maaßens Äußerungen und verweist gegenüber watson auf die Unabhängigkeit der Presse:
"Den Äußerungen von Hans-Georg Maaßen stimme ich ausdrücklich nicht zu. Politische Einflussnahme auf den journalistischen Betrieb darf und wird es nicht geben. Die unabhängige Presse ist Grundlage unserer freiheitlichen Demokratie."
Marc Biadacz, CDU
CDU-Politiker Roderich Kiesewetter.Bild: Getty Images Europe / Adam Berry
Der ehemalige Präsident des Reservistenverbandes und CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter hält Maaßens Verständnis des Grundgesetzes für "fragwürdig". Gegenüber watson erklärte er:
"Herr Maaßen vertritt hier seine eigene Meinung, welche konträr zur meiner ist. In einer freien Demokratie darf er eine solche Meinung vertreten, auch wenn ich dieser Meinung in aller Schärfe widerspreche. Die Tagesschau fungiert im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags und ich ganz persönlich sehe nicht, an welchen Stellen die Tagesschau diesem Auftrag nicht gerecht werden würde. Presse- und Meinungsfreiheit heißt ja gerade, dass man nicht mit allen Meinungen und öffentlichen Äußerungen einverstanden sein muss, diese aber, solange sie auf dem Boden deutscher Gesetze stehen, akzeptieren muss.
Generell sehe ich in der Tagesschau gerade keinen Ort der kontroversen Meinungsmache, sondern eher einer ausgewogenen Informationssendung. Die Forderung von Herrn Maaßen und die aufgebauten Drohungen gegenüber Journalistinnen und Journalisten verkennt Meinungs- und Pressefreiheit, eine unserer wichtigsten demokratischen Grundrechte. Er interpretiert damit entweder unser Grundgesetz höchst fragwürdig oder versucht bewusst Grenzen des Diskurses zu verschieben. Beides finde ich höchst problematisch und es entspricht auch nicht den Werten der CDU."
Roderich Kiesewetter, CDU
Hans-Georg Maaßen kandidiert in Thüringen als Direktkandidat der CDU.Bild: www.imago-images.de / ari
"Gleichzeitig möchte ich aber auch nicht die Außenseitermeinung eines einzelnen Bundestagskandidaten überbewerten."
Erwin Rüddel, CDU
Die CDU-Abgeordnete Sylvia Pantel will Maaßens Äußerungen nicht überbewerten. Gegenüber watson erklärte sie:
"Hans-Georg Maaßen hat nach seinen missverstandenen Äußerungen ja bereits klargestellt, dass Presse- und Rundfunkfreiheit in Deutschland Verfassungsrang haben. Er fügte richtigerweise hinzu: 'Eine 'Gesinnungskontrolle' journalistischer Arbeit durch die Politik darf es nicht geben.' Deshalb verstehe ich es auch, dass unser CDU-Parteivorsitzender Armin Laschet sich nach der Klarstellung nicht dazu geäußert hat. Mit unseren stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Volker Bouffier und Thomas Strobl bin ich der Meinung, dass man einzelne Zitate nicht überbewerten sollte: 'Es gibt viele Äußerungen, und nicht alles muss man kommentieren.'"
Sylvia Pantel, CDU
Auch Erwin Rüddel will Maaßen nicht mehr Fläche als nötig bieten und erklärt gegenüber watson:
"Eine freie Presse ist eines der höchsten Güter in einer Demokratie. Dementsprechend kann ich mir 'Gesinnungstests' nicht im geringsten vorstellen. Gleichzeitig möchte ich aber auch nicht die Außenseitermeinung eines einzelnen Bundestagskandidaten überbewerten."
Erwin Rüddel, CDU
"Die von Hans-Georg Maaßen angestoßene Diskussion halte ich für wichtig."
Alexander Krauß, CDU
Trotz aller Kritik an Maaßens Äußerungen gibt es aber auch innerhalb der Unionsfraktion Stimmen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenfalls kritisch sehen. Der CDU-Abgeordnete Michael von Abercron erklärte gegenüber watson:
"Ich gehe fest davon aus, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDR auf dem Fundament der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt dies auch im Auge hat. Sollten politische Extremisten hier klar erkennbar für ihre Sache eintreten und werben, kann das nicht akzeptiert werden und muss durch den Arbeitgeber zu Konsequenzen führen. Eine politische Überprüfung, zum Beispiel bei der Einstellung, ist aus Gründen der Pressefreiheit allerdings klar abzulehnen und im Übrigen weitgehend wirkungslos, weil Extremisten ihre Einstellung sicher verbergen werden. Auch ein Untersuchungsausschuss ist keinesfalls verhältnismäßig.
Gleichzeitig ist es jedoch nicht völlig unbegründet, für einen selbstkritischeren Umgang mit der zunehmenden Tendenz eines Gesinnungsjournalismus in den Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformate zu werben. Man hat teilweise den Eindruck, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtenredaktionen recht unverblümt eine linksgrüne Agenda und ein entsprechendes Storytelling vorantreiben wollen, anstatt distanziert und kritisch zu berichten. Besonders das Auftreten einiger Nachrichtenformate auf Twitter, Instagram und Facebook bereitet einige Kopfschmerzen. Wenn wir wenige Wochen vor der Bundestagswahl mehr über das Wetter in Kanada, die Uniformen ukrainischer Soldatinnen, australische Frösche, Baumpflanzungen in Italien und WWF- oder Greenpeace-Pressemitteilungen erfahren, als zum Beispiel über Steuerkonzepte möglicher Regierungsparteien, liegt erkennbar etwas schief. Es kommt nicht von ungefähr, dass immer mehr Bürger inzwischen den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk wegen der Einseitigkeit sehr kritisch sehen und sich von ihm abwenden."
Michael von Abercron, CDU
CDU-Politiker Thorsten Frei.Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
Auch CDU-Politiker Thorsten Frei distanziert sich von Maaßens Äußerungen, lehnt gegenüber watson aber auch ein Parteiausschluss-Verfahren, wie es zuletzt gefordert wurde, ab:
"Die Aussagen von Herrn Maaßen halte ich für unklug und unangemessen. Genau wie die Pressefreiheit ist aber auch die Meinungsfreiheit des Einzelnen sehr weit gefasst. Das gilt natürlich auch für Kandidaten der CDU, zumal es mit Blick auf Äußerungen und Aktionen der Öffentlich-Rechtlichen in den Sozialen Medien durchaus Diskussionsbedarf gibt. Im Übrigen bin aber auch ich der Auffassung, dass man die Sache und die Person nicht unnötig überhöhen sollte. Forderungen nach einem Parteiausschluss ohne substanzielle Grundlage aber tun genau das."
Thorsten Frei, CDU
Doch nicht alle sehen Maaßens Äußerungen kritisch. Der CDU-Abgeordnete Alexander Krauß aus dem Erzgebirge betont hingegen gegenüber watson, dass die Äußerungen von Hans-Georg Maaßen eine wichtige Debatte über die Ausgeglichenheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angestoßen habe:
"Die von Hans-Georg Maaßen angestoßene Diskussion halte ich für wichtig. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss stärker die Vielfalt im Lande abbilden. Wenn 92 Prozent der Volontäre des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Grün-Rot-Rot wählen, dann ist das kein Spiegel unserer Gesellschaft. Hier erwarte ich von den Rundfunkanstalten mehr Diversität. Auch brauchen wir mehr Berichterstattung aus dem ländlichen Raum – Deutschland besteht nicht nur aus den Ballungsräumen Hamburg, Berlin und München."
Alexander Krauß, CDU
"Ich kann mir schwer vorstellen, wie eine Zusammenarbeit mit Herrn Maaßen in der Unionsfraktion in Zukunft stattfinden soll."
Thomas Erndl, CSU
Trotz inhaltlicher Zustimmung einiger Abgeordneten bei der Kritik an den öffentlich-rechtlichen Medien lehnen viele Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU die Äußerungen von Hans-Georg Maaßen gegenüber watson ab. Wenn dieser, wie zu erwarten, im Herbst selbst Teil der Unionsfraktion im Bundestag sein wird, ist es fraglich, wie eine Zusammenarbeit mit den anderen Abgeordneten stattfinden soll.
CSU-Politiker Thomas Erndl.bild: Thomas erndl
Auch Thomas Erndl, Bundestagsabgeordneter der CSU, sieht die Zusammenarbeit mit Hans-Georg Maaßen innerhalb der Fraktion kritisch. Gegenüber watson erklärte er:
"Wir brauchen von anderen Parteien keine Belehrungen. Jede Partei hat ihre schwarzen Schafe. Da ist jeder gut beraten, sich erst einmal um die eigenen Belange zu kümmern. In der Sache ist aber völlig klar, dass die Pressefreiheit in unserem Land ein hohes Gut ist und wir als Union diese in keinem Fall infrage stellen. Insofern sind die Aussagen von Herrn Maaßen völlig unsäglich und haben mit meinen persönlichen Überzeugungen und denen der Fraktion nichts gemein. Ich kann mir schwer vorstellen, wie eine Zusammenarbeit mit Herrn Maaßen in der Unionsfraktion in Zukunft stattfinden soll, nachdem dieser sich nun mehrfach inakzeptabel gegen unsere Grundüberzeugungen geäußert hat."
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