Am Dienstag haben die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundesregierung eine Fortführung des Lockdowns bis Ende Januar beschlossen. Zusätzlich sollen die Maßnahmen noch verschärft werden. Deutschland erwartet in Teilen ein härterer Lockdown, als es im vergangenen Frühjahr der Fall war.
So sollen zukünftig Treffen mit nur noch einer zusätzlichen Person zum eigenen Haushalt erlaubt sein. Aus Hotspots mit einer 7-Tagesinzidenz von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner sollen sich Menschen ohne triftigen Grund nicht mehr als 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen dürfen. Auch Tagesausflüge sind für Bewohner der betroffenen Gebiete damit verboten worden.
Weiterhin bleiben außerdem Schulen und Kitas geschlossen. Diese Entscheidung war bereits im Vorfeld scharf kritisiert worden und ist nun abermals einer der wichtigsten Kritikpunkte der Opposition.
Katja Suding, stellvertretende Vorsitzende der FDP, kritisiert gegenüber watson insbesondere die Verlängerung der Schulschließungen und wirft der Bundesregierung Versagen bei der Erarbeitung von Hygienekonzepten an Schulen vor:
Tragfähige Hygienekonzepte für sicheren Präsenzunterricht könnten ihr zufolge längst im Einsatz sein: "Stattdessen werden sehenden Auges Lebenschancen zerstört", sagt Suding. Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien würden demnach die Lernrückstände aus diesem Schuljahr "vermutlich nie wieder aufholen können." Suding warnt:
Auch die Eingrenzung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer in besonders betroffenen Gebieten wird von der FDP scharf kritisiert. Suding spricht von einer "völlig wirkungslosen Nebelkerze". Die Kontaktbeschränkung auf nur eine weitere Person sei gerade für Familien "völlig lebensfremd".
Suding kritisiert:
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus verteidigt gegenüber watson die Entscheidung der Bundesregierung und Ministerpräsidenten:
Gerade vor dem Hintergrund der Virusmutationen, der anhaltend hohen Infektionszahlen und der Todesraten sei es "unumgänglich, die Kontakte noch stärker zu beschränken und Hotspot-Strategien für besonders betroffene Regionen zu beschließen." Wichtig sei ihm zufolge, dass die Schutzmaßnahmen für die Alten- und Pflegeheime konsequent umgesetzt werden: "Der Einsatz von Freiwilligen muss dort jetzt schnell auf den Weg gebracht werden."
Auch die Partei-Vorsitzenden der SPD, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verteidigen die Entscheidung, die Maßnahmen zu verlängern und zu verschärfen. Gegenüber watson erklären sie:
"Die Auswirkungen des 'harten' Shutdowns in der zweiten Dezemberhälfte – ebenso wie die der Lockerungen über Weihnachten – können wir heute noch nicht beurteilen, weil in dieser Zeit viel weniger getestet wurde und zudem die Meldungen verzögert übermittelt werden", so die beiden SPD-Chefs.
Die Wissenschaft habe ihnen angesichts dieser Lage nicht nur zur Verlängerung, sondern auch zur Verschärfung des Shutdowns geraten, "auch angesichts der neuen, offenbar hochansteckenden Mutation des Virus."
Die beiden SPD-Chefs begrüßen die Verschärfung der Kontaktbeschränkung und verteidigen die fortgesetzte Schließung der Schulen. Allerdings müsse "jetzt sichergestellt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland ein verlässliches, digital gestütztes Bildungsangebot erhalten." Es sei die "Aufgabe unseres Bildungssystems, dass die Bildungschancen durch Corona nicht weiter auseinanderdriften."
Zusätzlich befürworten Esken und Walter-Borjans eine Verlängerung des Kinderkrankengeldes um zehn zusätzliche Tage im Jahr. "Alleinerziehende und Familien mit Kindern, die Homeoffice und Homeschooling gleichzeitig bewältigen müssen, leiden besonders unter den Maßnahmen", so Esken und Walter-Borjans.
Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, hält die nach übereinstimmenden Medienberichten beschlossene Verlängerung des Lockdowns für unvermeidlich. Gegenüber watson übt Bartsch aber auch Kritik an der Bundesregierung.
An der Verlängerung des Lockdowns führe "kein vernünftiger Weg vorbei", erklärt Bartsch. Man müsse "die Krankenhäuser und das medizinische Personal dringend entlasten und Leben schützen". Das sei mit den jetzigen Infektions- und Sterbezahlen "unvereinbar".
Bartsch erklärt weiter:
Es sei "dringend notwendig", dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Impfungen "jetzt zur Chefsache macht". "Zu viel ist bisher falsch gelaufen, weitere Zeit darf nicht verspielt werden", erklärte Bartsch.
Der Linken-Fraktionschef fordert außerdem schnellere finanzielle Hilfe für vom Lockdown getroffene Unternehmen: "Für die Zeit des Lockdowns braucht es Hilfen, die Existenzen wirksam vor dem Ruin bewahren und schneller als bisher ausgezahlt werden."
(lw,se)