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Gastbeitrag

Warum die Sanktionen der EU gegen Belarus wenig bringen

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Eine belarussische Demonstrantin im Exil in Polen hält ein Plakat, das den verhafteten Journalisten Roman Protasewitsch zeigt.Bild: www.imago-images.de / Attila Husejnow
Gastbeitrag

Warum die Sanktionen der EU gegen Belarus wenig bringen – und Nichtstun trotzdem keine Alternative ist

26.05.2021, 15:2426.05.2021, 19:05
Thomas Jäger
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Thomas Jäger ist Professor für internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Im exklusiven Gastbeitrag für watson erklärt er, was die Sanktionen der EU gegen Belarus bringen.

Die Entführung des Ryanair-Flugzeugs durch Weißrussland, um den Journalisten Roman Protasewitsch festzusetzen, wurde von der Präsidentin der EU-Kommission als "Angriff auf die europäische Souveränität" bewertet und Polens Ministerpräsident sprach von einem "Akt des Staatsterrorismus". Wie geht die EU damit um, dass ein Flugzeug einer europäischen Fluggesellschaft, das zwischen zwei Hauptstädten der EU unterwegs war, entführt wurde? Wie reagiert sie darauf, dass ein Bürger, der in einem EU-Land lebt – in diesem Fall Polen – entführt und verhaftet wird? Sie erließ Sanktionen.

Das ist ein bekanntes Muster und wurde bei der Annexion der Krim gegenüber Russland und nach den Angriffen auf die Demonstranten gegen gefälschte Wahlen in Weißrussland schon angewandt. Ob Sanktionen die gewünschte politische Wirkung entfalten können, ist fraglich. Dass sie Änderungen hervorbringen, ist hingegen immer wieder zu beobachten. Doch häufig wirken sie in eine andere Richtung, als gedacht.

Sanktionen gegen Russland halfen der russischen Landwirtschaft

Zum Beispiel die Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim. Niemand hat erwartet, dass Exportverbote für einige Produkte – darunter Obst – die russische Regierung dazu bewegen, die Krim an die Ukraine zurückzugeben. Doch wirkungslos waren sie nicht, denn sie haben Warenströme umgeleitet, Russland hat selbst mit Importverboten geantwortet und europäischen Firmen geschadet, die russische Landwirtschaft hat profitiert.

So ähnlich wird es auch bei den nun verhängten Sanktionen gegen Weißrussland sein. Drei Sanktionenstypen haben die EU-Staaten beschlossen.

  • Erstens darf die weißrussische Fluglinie Belavia den Luftraum der EU nicht mehr durchfliegen und auch auf keinem Flughafen in der EU mehr landen.
  • Zweitens wird die Liste von Personen erweitert, deren Vermögen – soweit die EU Zugriff darauf hat – eingefroren werden und die nicht mehr in die EU reisen dürfen.
  • Drittens sollen Unternehmen mit Handelssanktionen belegt werden.

Die Sanktionen zwei und drei werden gerade noch ausgearbeitet, bis sie konkret feststehen – wer ist davon in welcher Weise betroffen? – können noch einige Wochen vergehen.

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Der belarussische Diktator Lukaschenko.Bild: dpa / Sergei Shelega

Was bringen Sanktionen?

Dass Roman Protasewitsch der Sanktionen wegen freikommt, erwartet niemand. Das wird auch dann nicht der Fall sein, wenn die USA ebenfalls Sanktionen gegen Weißrussland erlassen. Denn in Russland hat Weißrussland eine Schutzmacht, die das Land stützen wird. Warum werden Sanktionen dann aber überhaupt verhängt? Sanktionen werden beschlossen, wenn Regierungen einerseits wissen, dass sie den eingetretenen Schaden ohne untragbare Kosten nicht beheben können, andererseits aber auch nicht nichts tun können. Sie müssen sichtbar reagieren. Am besten symbolträchtig. Und deshalb beschließen sie Sanktionen, die der eigenen Bevölkerung als scharfe Maßnahme verkauft werden können, ohne dass sie das wirklich sind.

Was wären denn auch die Alternativen? Nichts tun und damit den Staat, der Normen und Regeln gebrochen hat ermuntern, das weiter zu tun, ist keine Möglichkeit. Mit Gewalt darauf zu reagieren – also konkret: die Streitkräfte und Spezialkräfte einzusetzen – liegt ebenfalls außerhalb der Handlungsmöglichkeiten. Niemand wird, das hat die Annexion der Krim gezeigt, deswegen einen Gewaltkonflikt mit Russland riskieren. Und niemand wird, das hat die Flugzeugentführung durch Weißrussland dokumentiert, deshalb den entführten Roman Protasewitsch befreien. Sanktionen sind deshalb ein Mittel, das Staaten häufig einsetzen, wenn sie nicht wissen, was sie sonst tun können. Das ist eine bittere Einsicht, vor allem für die Betroffenen, die sich Hilfe erhoffen.

Haben Sanktionen überhaupt schon einmal politischen Wechsel bewirkt?

Es ist immer schwierig, bei komplexen Vorgängen zu wissen, welche Ursache denn am stärksten gewirkt hat. Und da gleichzeitig immer mehrere Faktoren auf einmal wirken, ist es auch schwierig, einzelne zu isolieren. Betrachtet man beispielsweise die jahrelangen Sanktionen gegen den Iran, wird deutlich, dass das Land enorm darunter leidet und deshalb auch über sein Atomprogramm verhandelt. Aber das politische System und sein aggressives Verhalten in der Region haben die Sanktionen nicht geändert.

Besonders isoliert war Südafrika in der Endphase der Apartheid, als sich fast die ganze Welt gegen das Land gestellt hat und eine große Kampagne, Südafrika wirtschaftlich zu belagern, geführt wurde. Das hat sicher zu den Gesprächen beigetragen die de Klerk und Mandela führten. Aber sie waren nicht die einzige Ursache für die Abschaffung der Apartheid. Südafrika hatte, nachdem sich die amerikanische Gesellschaft gegen das Land stellte, keine Schutzmacht mehr. Solange Staaten über eine solche Beziehung verfügen, können sie den Druck von Sanktionen ausgleichen. Weißrussland hat, solange Russland als seine Schutzmacht agiert, deshalb von Sanktionen wenig zu befürchten.

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Lukaschenko mit dem russischen Präsidenten Putin.Bild: dpa / -

Sanktionen gegen Belarus helfen Russland

Im Gegenteil. Die Sanktionen werden den Effekt haben, dass sich die Führung Weißrusslands noch enger an Russland bindet. Wenn das politische Interesse der EU-Staaten ist, die intensiven Beziehungen zwischen Russland und Weißrussland zu lockern und Weißrussland in engere Beziehungen zu den EU-Staaten zu bringen, um Einfluss auf seine Entwicklung zu erhalten, dann bewirken die Sanktionen demnächst das Gegenteil.

Die Bevölkerung in Weißrussland wird möglicherweise unter den Sanktionen leiden. Einige Führungskader müssen ihren Urlaub nun auf der Krim verbringen und nicht in Spanien. Aber die russische Führung profitiert als einzige politisch davon. Sie ist für die Sicherheit des Regimes in Minsk nun noch wichtiger geworden. Die Sanktionen werden diesen paradoxen Effet haben.

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